Meinungen
Homo Academicus oder Homo Oeconomicus?
Geld regiert die Welt, heißt es. Gilt das auch für eine Universität? Die öffentliche Diskussion zur Universitätsreform wird diese Frage mit einem klaren Ja beantworten. Auch das Reformprojekt unserer Universität – "Impulse", ein Projekt zur dezentralen Ressourcen-Verantwortung – konzentriert sich stark, ich meine zu stark, auf finanzpolitische Aspekte. Auch wenn ich (oder gerade weil ich) das Projekt selbst mit auf den Weg gebracht habe, möchte ich einige kritische Anmerkungen machen. Denn ich meine, dass der homo academicus primär kein homo oeconomicus ist und dass deshalb finanzielle Anreize und finanzielle Strafen in der Universität nur bedingt greifen.
Geld ist notwendig – auch in einer Universität. In vielen Fächern ist Forschung ohne große Summen Geldes nicht möglich, und die Universitätsspitze muss dafür sorgen, dass die notwendigen Mittel bereitstehen und gerecht verteilt werden. Dennoch ist Geld nicht das Wichtigste. Das gilt für den privaten Bereich wie den der Forschungsmittel. Begründung: Die meisten Professoren könnten in der Wirtschaft wesentlich mehr verdienen – und bleiben dennoch bei der Universität. Ein Wissenschaftler wird nur so viele Drittmittel einwerben, wie er braucht – und nicht so viele, wie er einwerben könnte.
Wenn nicht primär das Geld, was könnte dann für den Wissenschaftler im Vordergrund stehen? Ohne Vollständigkeit beanspruchen zu wollen, nenne ich hier als wichtigste Anreize: Autonomie, Anerkennung und Zeit. Autonomie hängt unmittelbar mit Kreativität zusammen. Sein "eigener Herr" sein, eigene Ideen verfolgen – diese Autonomie weiter zu stärken, ist die Grundidee des Projektes Impulse. Auf der Ebene der Institute – also dort, wo die Mittel eingesetzt werden – sollen mehr Entscheidungen getroffen werden können. Man erhofft sich davon einen effizienteren Mitteleinsatz. Der Gewinn an Autonomie und Kreativität ist meines Erachtens aber mindestens genauso wichtig. Bei konsequenter Verwirklichung des Prinzips der Subsidiarität wird die Universität attraktiver und besser werden. Auch das Ministerium sollte das lernen und sparsamer mit Gesetzen und Erlassen umgehen.
Ich sehe hier allerdings auch einen beschämenden Widerspruch: Die Autonomie, die wir für uns Professoren fordern, enthalten wir unserem Nachwuchs weitgehend vor. Wo in unserer Universität kann ein Privatdozent seine eigene Arbeitgruppe aufbauen? Wo hat er/sie ein Recht, an den Räumen und dem (zugegebenermaßen immer zu kleinen) Aversum teilzuhaben? Wo darf er/sie eigene Drittmittel einwerben? Ich kenne nur wenige Institute, wo das möglich ist. Wenn wir mit unserem Nachwuchs nicht bald besser umgehen, wird er in die Wirtschaft abwandern. Nicht, weil dort bessere Gehälter locken, sondern weil die Hierarchien flacher sind und die jungen Leute schneller Verantwortung übernehmen dürfen.
Anerkennung ist ein merkwürdiges Phänomen. Es gibt neben der akademischen Welt höchstens noch die der Künstler, in der Ehrungen, Preise und Titel eine so große Rolle spielen. Es muss nicht gleich ein Ehrendoktor sein. Auch ein von Gutachtern akzeptierter Artikel oder eine positive Besprechung des eigenen Buches sind stets willkommene Anerkennungen. Sie kommen fast ausschließlich von außen, von den Fachkollegen. Daher schauen wir auch immer "nach außen", wenn wir Anerkennung suchen. Könnte aber nicht auch die Universität eine Quelle der Anerkennung sein?
Zeit ist ein kritisches Gut – sicherlich nicht nur im Leben eines Forschers. Professoren arbeiten in der Regel länger, als vorgeschrieben, damit sie ihren Ansprüchen in Forschung und Lehre genügen können. Doch das hat deutliche Grenzen. Man sollte deshalb danach streben, Zeit zu sparen, wo immer es geht: Die Verwaltung beispielsweise frisst viel Zeit. Effizientere Verwaltungsabläufe, wie sie das Impulse-Projekt vorsieht, kommen den eigentlichen Aufgaben der Professoren zugute. Keineswegs darf eine Reform den Verwaltungsaufwand vermehren. Das sollte auch für das Ministerium gelten. Doch auch die Professoren könnten eine Menge Zeit sparen, wenn sie manches effizienter anpackten und vielleicht sogar Zeitmanagement lernten.
Wenn eine Universitätsreform erfolgreich sein will, muss sie die Eigenheiten des homo academicus mitbedenken. Und da dieser primär kein homo oeconomicus ist, sind finanzielle Anreize zur Steuerung auch nur bedingt geeignet. Wir sollten also nach weiteren Möglichkeiten Ausschau halten, um unsere Universitäten zu verbessern und attraktiver zu gestalten – auch und vor allem für unseren Nachwuchs.