Siegel der Universität Heidelberg
Bild / picture

Von Hoffnung und Misere

Lateinamerika gelang im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts fast überall der Übergang zur Demokratie. Mit der politischen Transition wurden auch Hoffnungen auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse verbunden. Zwar konnte in den meisten Ländern die Wirtschaft stabilisiert werden. Auch blieben Wahlen in der Regel der einzige Zugang zur politischen Macht. Doch die sozialen Verhältnisse haben sich nicht verbessert. Mangelnde Leistungsfähigkeit und wachsende Kritik an der Wirklichkeit der Demokratie lassen die Frage ihrer Zukunftsfähigkeit in Lateinamerika wieder völlig offen erscheinen. Dieter Nohlen vom Institut für Politische Wissenschaft hat die Demokratieentwicklung in Lateinamerika in etlichen Forschungsvorhaben untersucht. Er erhielt für seine Forschungen 1991 den Max-Planck-Forschungspreis und im Jahr 2000 den Universitätspreis der Universität Augsburg. Nohlen bilanziert die Demokratieentwicklung in Lateinamerika und plädiert für ein kontextsensibles Verständnis eines problembehafteten historischen Prozesses.

 

Verfolgt man die Nachrichten zur Demokratieentwicklung in Lateinamerika in der ersten Jahreshälfte 2000, die sich vornehmlich auf Venezuela, Peru und Mexiko bezogen haben, so gewinnt man den Eindruck, in Lateinamerika sei Wahlfälschung das zentrale politische Problem. Richtig daran ist, dass man die Entwicklung der Demokratie zunächst an den minimalen Kriterien festmachen kann, die Robert Dahl in den Vordergrund des Demokratiebegriffs gerückt hat, nämlich Partizipation und politischen Wettbewerb. In Lateinamerika (ohne Kuba und Haiti) haben seit 1978 beziehungsweise seit der Redemokratisierung, die sich über den Zeitraum von 1978 bis 1990 hinzog, insgesamt 79 Präsidentschaftswahlen stattgefunden, im Schnitt exakt alle vier Jahre. In dieser Hinsicht kann man also von demokratischer Normalität sprechen.

Diese Feststellung beschönigt nicht, dass es in einigen Ländern zu vorzeitigen Amtsenthebungen der Präsidenten kam, wobei die Verfassungsnormen "gedehnt" wurden. In Ecuador und Paraguay war der demokratische Prozess ernsthaft gefährdet. In Peru gar bestätigte sich in den gefälschten Wahlen vom Mai 2000 eine bereits seit dem Jahr 1992 bestehende neoautoritäre Machtausübung, die bislang nicht recht zur Kenntnis genommen worden war. Im Prinzip jedoch blieben kompetitive Wahlen der einzige Zugang zur Macht. Nach den Kriterien des Dahlschen Demokratiebegriffs funktionieren also die Demokratien in Lateinamerika. Wenn die Demokratie in Lateinamerika dennoch wieder in Frage gestellt wird, so deshalb, weil Partizipation und Repräsentation allein nicht als ausreichende Komponenten angesehen werden. Der Demokratiebegriff umschließt auch die Hoffnung auf wirtschaftliche und soziale Verbesserungen. Sie wurden in den zurückliegenden Jahren nicht eingelöst. Die soziale Misere hielt an.

Die 1980er Jahre waren das Jahrzehnt der Verschuldungskrise: Fast alle Länder Lateinamerikas stagnierten wirtschaftlich, manche wiesen ein negatives Wachstum auf, die Arbeitslosigkeit stieg, die Staatshaushalte gerieten ins Ungleichgewicht, die traditionelle Inflation wuchs sich zur Hyperinflation aus, die Systeme sozialer Sicherheit brachen zusammen. Angesichts der Erschöpfung des alten staatszentrierten Entwicklungsmodells mussten die demokratischen Regierungen einschneidende Maßnahmen ergreifen, um die Wirtschaft zu stabilisieren und zu reformieren. Der entsprechenden Struktur-Anpassungs-Politik wurde gegenüber sozialen Gesichtspunkten und Folgeproblemen absoluter Vorrang eingeräumt. Mit ihr gelang es den demokratischen Regierungen, das makroökonomische Gleichgewicht tatsächlich annähernd wiederherzustellen, die Inflation von extremen Höhen auf niedrigere Werte zu drücken und die Volkswirtschaft wieder auf einen normalen Wachstumskurs zu bringen.

Die Behebung der chronischen Haushaltsdefizite, die Verkleinerung des Staates und die drastischen Einschnitte bei den sozialen Dienstleistungen bewirkten freilich, dass die Arbeitslosigkeit und die Unterbeschäftigung anstiegen, die Einkommen der Mittelschichten und der unteren Schichten sanken, die Armut zunahm und Teile der Mittelschichten erfasste.

Kritische Vorbehalte gegenüber der Struktur-Anpassungs-Politik und dem Neo-Liberalismus hat es seit Beginn der Reformpolitik gegeben. Ab Mitte der 1990er Jahre zeichnete sich aber ein Konsens der Beobachter in der Bewertung der sozialen Gegensätze in Lateinamerika ab.

Wie schätzen die Lateinamerikaner die demokratische und soziale Entwicklung ihrer Region ein? Umfragen von Latinobarómetro, das von Marta Lagos, einer Absolventin der Universität Heidelberg geleitet wird, signalisieren, dass die Erwartungen, die mit der Demokratie verbunden werden, in Lateinamerika höher sind als das, was unter der Demokratie erreicht wurde. Die Diskrepanz zwischen Idee und Wirklichkeit der Demokratie in Lateinamerika ist beträchtlich und nimmt tendenziell zu.

Obwohl die Makroökonomie wieder ins Lot gebracht wurde, wird die Leistungsbilanz der Demokratien als unbefriedigend wahrgenommen. Diese Perzeption beunruhigt Wissenschaft und Politik. Konnte der Übergang zur Demokratie unter sozialen Bedingungen erfolgen, von denen frühere Theorien behaupteten, dass sie Demokratie nicht zuließen, so überlebte von diesen Theorien die Überzeugung, dass die Konsolidierung der Demokratie nicht möglich ist, solange die sozialen Missstände andauern.

In den politischen und auch in den wissenschaftlichen Diskursen nimmt seither die Tendenz zu, die sozialen Missstände nicht mehr als ererbt und als schwierige Umweltbedingungen der Demokratie zu betrachten. Sie werden der Demokratie stattdessen selbst angelastet.

Bedenkt man jedoch die Besonderheiten der im Autoritären verhafteten politischen Kultur der Region, die politisch instabile lateinamerikanische Geschichte sowie die oben skizzierte Wirtschafts- und Sozialkrise, so wurde durch die politischen Transitionen ein großes Ungleichgewicht hergestellt zwischen den demokratieproblematischen bis demokratiefeindlichen Umweltbedingungen und den demokratischen Institutionensystemen.

Die früher gültige modernisierungstheoretische Sequenz – erst die sozioökonomischen Voraussetzungen (geschaffen von Entwicklungsdiktaturen), dann Demokratie – wurde umgekehrt in der Hoffnung, dass es unter der Demokratie, durch Partizipation und politischen Pluralismus, vielleicht eher möglich sei, die für demokratische Systeme notwendigen Voraussetzungen wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung nachzuholen.

Nun allerdings kaprizieren sich politische Analysen darauf, kritisch festzustellen, dass es der Demokratie in Lateinamerika an vielem fehle: Nicht nur an den der Demokratie eigenen Strukturprinzipien wie Gewaltenbalance und politische Rechenschaft, sondern auch an demokratischer politischer Kultur, an Rechtsstaatlichkeit und an sozialem Ausgleich. Es werden also auch die mangelnden Voraussetzungen für die Demokratie ihrem Erscheinungsbild negativ zugerechnet. Kann man von einer Krise der Demokratie in Lateinamerika sprechen? Wenn ja, welches sind ihre Erscheinungsbilder?

  1. Krise als Leistungsdefizit im sozialen Feld:
    Sämtliche Typen politischer Systeme haben bislang in Lateinamerika an sozialpolitischen Leistungsdefiziten gelitten. Ihre Fortdauer unter der Demokratie könnte somit als Ausdruck mangelnder Regierbarkeit in der Region gewertet werden. Die Frage, ob es noch viel zu tun gebe, ehe Demokratie herrsche, bejahten in Lateinamerika – je nach Land – zwischen 76 und 94 Prozent der Befragten. Die Demokratie erscheint den Lateinamerikanern also offensichtlich als work in progress. Dies erklärt vielleicht, warum in den Umfragen die Präferenz für die Demokratie bisher kaum abgenommen hat.
  2. Krise als Kluft zwischen Idee und Wirklichkeit:
    Auch in den gestandenen Demokratien besteht eine Kluft zwischen der Zustimmung zur Idee der Demokratie und der seit den 1990er Jahren sinkenden Zufriedenheit mit den Leistungen demokratischer Regierungen. Das relativiert den lateinamerikanischen Fall; zumal wenn man mit Robert Dahl zwischen verschiedenen Dimensionen des Demokratiebegriffs unterscheidet. Für die erste Dimension, die mit Dahls minimalem Demokratiebegriff identisch ist, kann die Zustimmung zur Demokratie reklamiert werden. Für die weitere Dimension gilt, dass sie Unzufriedenheit infolge der Nichterfüllung der sie kennzeichnenden Leistungserwartungen generiere. Diese Dimension erfasst die Forderung nach mehr Partizipation und Einflussnahme auf die Entscheidungsinhalte (für Lateinamerika vor allem nach mehr sozialer Partizipation).
  3. Krise als Vertrauenskrise:
    Lateinamerikanische Umfragen signalisieren ein niedriges Maß an Vertrauen in die politischen Institutionen, ein extrem niedriges in Parteien und Parlamente. Dieser Tatbestand wird relativiert durch die gesellschaftliche Vertrauenskrise in der Region: Während das Vertrauen in den Anderen in Europa einen Wert von 60 Prozent erreicht, lag es in Lateinamerika 1996 bei 20 und ist seither auf 16 Prozent gesunken (Latinobarómetro 2000).
  4. Krise des Institutionensystems:
    Das Krisensyndrom des lateinamerikanischen Präsidentialismus stand im Mittelpunkt der politikwissenschaftlichen Debatte. Es wurde behauptet, dass die Probleme der Demokratie in Lateinamerika vom Präsidentialismus verschuldet seien. Als Allheilmittel wurde empfohlen, den Parlamentarismus einzuführen. In dieser Debatte hat die Heidelberger Lateinamerikaforschung – basierend auf den Ergebnissen verschiedener Forschungsprojekte – die Gegenposition bezogen. In der Theorie mag der Parlamentarismus der funktionstüchtigere demokratische Systemtyp sein – nicht aber in Lateinamerika angesichts der politisch-institutionellen Tradition, des politisch-kulturellen Milieus, des personalistischen Politikstils, des geringen Ansehens parlamentarischer Organe und des häufig geringen Institutionalisierungsgrades politischer Parteien. Zudem wiegen die gegenwärtigen Politikererfordernisse schwer. Es waren in der Tat die Exekutiven, die die wirtschaftlichen und sozialen Reformen herbeiführten, während die Parlamente eher eine Politik der Staatsausgaben und des Populismus verfolgten. Nicht Parlamentarismus, sondern die Erneuerung des Präsidentialismus war deshalb die Heidelberger Botschaft.
  5. Krise als Übergang:
    Die neue Krise der Demokratie möchte ich als eine Krise des Übergangs bezeichnen, eine Krise der Ungleichzeitigkeiten in der politisch-institutionellen und politisch-kulturellen Entwicklung des Subkontinents von einem – typologisch betrachtet – staatszentriert-klientelistischen zu einem pluralistischen Politikmodell.

Der Systemwechsel in Lateinamerika wurde im Gegensatz zu Osteuropa als eine nur politische Transition begriffen. Zwar kam dem Übergang zur Demokratie in Lateinamerika zunächst die größte Bedeutung zu. Mit ihm verknüpfte sich jedoch der wirtschaftspolitische Strategiewechsel, in welchem der Staat als zentrale Allokationsinstanz von Ressourcen beziehungsweise als Entwicklungsmotor durch den Markt abgelöst wurde. Das hieß für Lateinamerika, die Entwicklungsstrategie über Bord zu werfen, nach der die Regime, gleichviel ob Diktatur oder Demokratie, seit den 1930er Jahren versucht hatten, ihre Länder zu industrialisieren und "nach innen" zu entwickeln. Die Transition hatte weitreichende Konsequenzen für das Verhältnis von Staat und Gesellschaft und zog eine dritte nach sich, jene vom staatszentriert-paternalistischen zum pluralistischen Politikmodell. Diese Transition wurde bislang von der Politikwissenschaft wenig beachtet. Ihre Bedeutung für die Demokratieentwicklung in Lateinamerika kann aber kaum überschätzt werden.

Politik entwickelte sich im alten Staatsmodell zum erbitterten Kampf um die leitenden Funktionen in der Jobmaschine Staat, der sich durch Populismus und Klientelismus die Legitimität für sein politisches Handeln sicherte. Die Parteien wurden zu vermittelnden Instanzen zwischen Staat und Gesellschaft hinsichtlich des Zugangs und der Verteilung der Pfründe.

Im Rahmen der neoliberalen Entwicklungsstrategie wird diese traditionelle Rolle des Staates aufgegeben. Damit geht ein Prozess der Entstaatlichung der Politik einher, und an die Stelle der Befriedigung von Partikularinteressen rücken Handlungsmaximen, die sich am Allgemeinwohl orientieren. Kurzum: Es handelt sich um den Ersatz des staatszentriert-paternalistischen Politkmodells durch ein marktorient-pluralistisches Politikmodell.

Im Zuge der Ablösung der Politikmodelle treten Paradoxien auf, aus deren Interpretation sich Krise und Krisenvorstellung der Demokratie in Lateinamerika nähren:

  1. Indem sich der Staat von zahlreichen Aufgaben zurückzieht, verringert sich das Interesse an der Politik. Die Identifikation mit Parteien lässt nach. Apolitische Tendenzen nehmen vor allem in der Jugend zu. Die Wahlbeteiligung sinkt. Alle diese Beobachtungen werden als Legitimationskrise der Demokratie interpretiert.
  2. Die Parteien geraten in eine zwiespältige Lage. Einerseits erben sie Kritik, wenn sie klientelistische Praktiken, die jetzt mit dem Korruptionsvorwurf belegt werden, fortsetzen. Andererseits sind große Teile der Wählerschaft auf Grund der sozialen Misere nach wie vor an klientelistischen Beziehungsmustern interessiert und vermissen entsprechende Leistungen der Parteien. Die Kritik an den Parteien ist deshalb heute allgegenwärtig.
  3. In der Umbruchphase ebenfalls ambivalent beurteilt werden die politischen Institutionen. Nicht nur nach ihrer demokratischen Konstitution und rechtsstaatlichen Praxis, sondern auch nach Maßstäben des alten Politikmusters. So wird oft das Vertrauen in Wahlen enttäuscht, weil für die Stimmen keine Gegenleistungen in Form von Zuwendungen und Jobs erfolgen.
  4. Schließlich geben durch den Wechsel des Politikmusters pluralistisch orientierte Parteien Räume frei, in die populistische Parteien hineinstoßen, die ihrerseits einen Rückfall in alte Politikmuster der Parteien heraufbeschwören. Stimmengewinne für populistische Parteien werden wiederum als Krise der Parteien interpretiert.

Die gesellschaftlichen und politisch-kulturellen Verhältnisse sind die eigentlich bedingenden Faktoren der Krise der Demokratie. Hoffnungsvolle Zeichen des Wandels gibt es in Form demokratiekonformerer Verhaltensmuster auf der politischen Elitenebene. Sie werden freilich zu wenig wahrgenommen und Wert geschätzt. Ich nenne einige dieser Zeichen des Wandels:

  1. Die heutige Politik in Lateinamerika kennzeichnet ein Mehr an Pragmatismus und ein Niedergang des Glaubens an Ideologien.
  2. Das rigide Freund-Feind-Denken nimmt ab.
  3. Die gewachsene Bereitschaft zu Dialog, Verhandlung und Kompromiss haben zugenommen.
  4. Institutionelle Mehrheiten kommen häufiger zustande.
  5. Es besteht ein Trend zur Bipolarität in den Parteiensystemen bei geringerer ideologischer Distanz zwischen den Parteien. Damit nimmt die Konzentration und Effizienz der Parteiensysteme zu.

Institutionelle Reformen müssen hinzutreten und den Wandel von Verhaltensmustern absichern. Bemerkenswert ist hier die in den 1990er Jahren erfolgte Stärkung der mit der Wahldurchführung und Wahlprüfung betrauten Organe. Diesem Reformfeld galt die größte Aufmerksamkeit der Heidelberger Lateinamerikaforschung. Das Land Baden-Württemberg und die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderten grundlegende Untersuchungen zu Wahlen und Wahlorganisation, die teilweise gemeinsam mit dem Interamerikanischen Institut für Menschenrechte mit Sitz in Costa Rica erfolgten. Dessen Abteilung für Wahlbetreuung und -förderung konnte unsere Forschungsergebnisse, die im Jahr 1991 mit dem Max-Planck-Forschungspreis ausgezeichnet wurden, unmittelbar in ihrer praktischen Arbeit verwerten.

Die entschiedensten institutionellen Erfolge wurden in Bolivien, Panama und Mexiko erzielt. Mexiko galt bis vor kurzem als Inbegriff einer auf Wahlfälschung beruhenden Machtausübung durch eine mit dem Staat aufs Engste verbundene Partei. Es hat heute eine vollends unabhängige, technisch und personell bestens ausgestattete Wahlorganisation, für die es allerdings ein Prozent des Bruttosozialprodukts aufbringt.

Die Steigerung der Funktionsleistungen politischer Institutionen ist Gegenstand einer neuen Zusammenarbeit Heidelbergs mit der Interamerikanischen Entwicklungsbank mit Sitz in Washington DC. Im Mittelpunkt steht die Reform der Parteien und der Wahlsysteme. Es gilt künftig, stärker das Kriterium der Regierbarkeit zu berücksichtigen.

Die Elemente der Krise sind jenseits der Schwäche in der sozialen Leistungsbilanz in Erscheinungen der dritten Transition vom staatszentriert-klientelistischen zum marktzentriert-pluralistischen Politikmodell zu sehen. Diese Krise kann sich vor allem dann zu einer ernsthaften Gefährdung der Demokratie auswachsen, wenn ihr Charakter verkannt wird. Besonders bedrohlich ist, wenn sich die Probleme schlechter Politikergebnisse und mangelnder institutioneller Voraussetzungen spiralförmig in der Weise zuspitzen, dass die institutionellen Lösungsversuche, dem Dilemma zu entrinnen, keine demokratiekonforme Zustimmung mehr finden. Dies entspräche dem Szenarium des Rückfalls in autoritäre Verhältnisse, wofür Peru unter Alberto Fujimori steht, oder der Dekonstruktion des pluralistischen Systems, ein Prozess, den Venezuela mit der Präsidentschaft von Hugo Chávez erlebte.

Da das gegenwärtige Szenarium von Demokratie und Misere nicht dauerhaft aufrecht erhalten werden kann, muss auf die Verknüpfung von institutioneller Reform und sozialem Wandel gesetzt werden. Das Tückische des gegenwärtigen Neoliberalismus ist, dass die unter seinem Signum vorgenommenen Reformen das Soziale hintanstellen und folglich den sozio-kulturellen Wandel nicht in einer Weise fördern, der dem pluralistischen Politikmodell wachsende Legitimität verschaffen könnte.

Autor:
Prof. Dr. Dieter Nohlen
Institut für Politische Wissenschaft, Marstallstr. 6, 69117 Heidelberg,
Telefon (06221) 542885, Fax (06221) 542897, e-mail: dieter.nohlen@urz.uni-heidelberg.de

Seitenbearbeiter: Email
zum Seitenanfang