Editorial
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
eine hochkarätig und international besetzte Kommission hat jetzt nach
mehr als einjähriger Arbeit ihren Bericht "Forschungsförderung in
Deutschland: Zur System-Evaluation der Deutschen Forschungsgemeinschaft
und der Max-Planck-Gesellschaft" vorgelegt. Der Bericht enthält
zugleich eine beachtliche Fülle von Empfehlungen, die die Universitäten
und deren Zusammenarbeit mit außer-universitären
Forschungseinrichtungen betreffen. Die Empfehlungen zur Deutschen
Forschungs-gemeinschaft (DFG) betreffen nicht nur die Einrichtung
selbst, sie haben auch unmittelbaren Einfluß auf die Universitäten und
ihre Wissenschaftler. Im Bereich der universitären Grundlagenforschung
ist die DFG die wichtigste Fördereinrichtung. Positive
Förderentscheidungen der DFG gelten als Qualitätssiegel, und damit wird
die Zahl der von der DFG geförderten Projekte und die Höhe der
bewilligten Drittmittel zum wichtigen Kriterium im inter-universitären
Leistungsvergleich. Voraussetzung für die hohe Anerkennung der
DFG-Bewilligungen ist jedoch der Erhalt der wissenschaftlichen
Autonomie und ein selbstverantwortlich gestaltetes Gutachterverfahren.
Kritik übt die Kommission an der Ausrichtung der DFG-Förderung und
deren "responsivem" Charakter, da "die Nachfrage nach Drittmitteln den
Entwicklungsgang von Formen und Feldern der Forschung nur langsam
nachvollzieht, weil sie von der disziplinären Organisation der
Hochschulen bestimmt wird". Der Verzicht auf eigene
Prioritätensetzungen und auf selbstdefinierte Förderangebote berge die
Gefahr, daß die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Forschung in sich rasch verändernden neuen interdisziplinären
Forschungsgebieten und Förderformen leidet, weil die
Disziplinenorientierung der Hochschulen und der DFG selbst dafür nur
wenig Raum läßt. Die DFG sollte nach Meinung der Kommission in der Lage
sein, eigenverantwortlich darauf ausgerichtete Programmangebote zu
entwickeln, wie erstmalig in der kürzlich ausgeschriebenen Initiative
Bioinformatik. Andererseits wird gerade die Offenheit der Förderung
durch die DFG im internationalen Kontext positiv hervorgehoben.
Auch bei den Universitäten wird eine zu starke disziplinäre
Orientierung kritisiert. Es wird empfohlen "bewegliche und
leistungsfähige Organisationsformen für temporäre Zusammenarbeit
verschiedener Disziplinen und Gruppen in problemorientierten
Forschungsfeldern zu entwickeln." Diese Empfehlung ist in Heidelberg
durch die interdisziplinären wissenschaftlichen zentralen Einrichtungen
der Univeristät, wie dem Zentrum für Molekulare Biologie Heidelberg,
dem Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen und dem
Biochemie-Zentrum Heidelberg sowie dem Interdisziplinären Zentrum für
Neurowissenschaften, bereits weitgehend vorweggenommen.
Auch die Kritik an unzureichender Zusammenarbeit von Universität und
außeruniversitären Einrichtungen in Forschung und Lehre trifft für
Heidelberg nicht zu. Im Gegenteil: die Zusammenarbeit mit
Max-Planck-Instituten, dem Deutschen Krebsforschungszentrum oder dem
European Molecular Biology Laboratory dürfte beispielhaft sein.
Ein besonderer Augenmerk galt der Situation des wissenschaftlichen
Nachwuchses: "Im internationalen Vergleich werden die
Qualifizierungswege und Karrierestrukturen für den wissenschaftlichen
Nachwuchs durch langandauernde Phasen persönlicher und
wissenschaftlicher Abhängigkeit bestimmt". Der Ruf nach frühzeitiger
Einbeziehung des wissenschaftlichen Nachwuchses in die Verantwortung
des Wissenschaftsbetriebes ist in der Tat berechtigt. Auch der Hinweis
darauf, daß auf die Habilitation als Regelvoraussetzung für eine
Berufung auf eine Professur künftig verzichtet werden sollte, ist
bedenkenswert, wenn auch in den verschiedenen Disziplinen nicht
unumstritten. Die weitgehende Forderung der Kommission, an die Stelle
der Habilitation alternative Formen für die Validierung von
Qualifizierungsleistungen zu praktizieren, wird zur Zeit noch nicht von
allen Disziplinen unterstützt. In diesem Zusammenhang wird auf das an
amerikanischen Hochschulen praktizierte System des "tenure tracks"
verwiesen, das gerade in Hinblick auf die im neuen Hochschulgesetz
enthaltene Möglichkeit einer befristeten erstmaligen Anstellung von
Professoren beachtenswert ist. Die institutionalisierte Möglichkeit
einer akademischen Karriere ohne Wechsel der jeweiligen Universität
wäre jedoch neu und würde bewährten Prinzipien widersprechen.
Insgesamt wird aus der Sicht der Universität Heidelberg eine kompetente
Evaluierung, wie sie die internationale Expertenkommission hier
vorgenommen hat, und die daraus resultierenden Anregungen sehr begrüßt.