Im Zeichen des Drachens
Die Universität kooperiert verstärkt mit China
Vor kurzem erst wurde zwischen Heidelberg und der renommierten Tsinghua Universität in Peking ein Kooperationsvertrag abgeschlossen, in dem gemeinsame Studiengänge und der Austausch von Lehrkräften und Studierenden in zentralen Fächern wie Medizin, Rechtswissenschaft und – natürlich – Sinologie anvisiert werden (siehe Unispiegel 3/2005). Darüber hinaus wird Heidelberg eine der Partneruniversitäten für das Pekinger European Studies Center werden. Indem die chinesische Seite avancierte Projekte wie „EU’s Science-Technology Policy and it’s Innovative System“ gezielt mit Unterstützung von Heidelberger Forschern durchzuführen beabsichtigt, wird der hiesigen Universität eine zentrale Verantwortung innerhalb des gesamteuropäischen Wissenschaftsexports zugewiesen.
Zusammenarbeit mit Universitäten in China hat Tradition
Die Zusammenarbeit mit chinesischen Universitäten hat an der Ruprecht-Karls-Universität Tradition. Seit die kommunistische Führung in den achtziger Jahren eine vorsichtige Öffnung des Landes nach Westen ermöglichte, haben sich nach und nach vier Universitätspartnerschaften sowie zahlreiche Kooperationsprojekte auf Institutsebene entwickelt. Besonders intensiv werden die Verbindungen mit dem – vor knapp 100 Jahren auf deutsche Initiative hin gegründeten – Tongji Medical College in Wuhan gepflegt (die vorher selbständige Fakultät wurde vor kurzem im Zuge der chinesischen Hochschulreform der Huazhong University of Science and Technology angegliedert). Die Projekte umfassen den Famulantenaustausch und die gemeinsame Betreuung von Doktoranden, die Organisation von Symposien und seit kurzem auch die Ausschreibung von Postdoc-Stipendien, die der Heidelberger Unternehmer Professor Dietrich Götze gestiftet hat.
Die beteiligten Professoren zeichnen sich durch außergewöhnliches Engagement aus, das von der Durchführung langjähriger Forschungsprojekte wie denen des Immunologen Professor Andreas Ruppel bis zu Initiativen in der Fachsprachenausbildung reicht, die der Emeritus Professor Peter Wahl gemeinsam mit seiner Frau seit Jahren vor Ort durchführt. Auf chinesischer Seite wird die Kooperation noch immer von dem weit über achtzigjährigen Professor Wu Zhongbi geleitet, einem renommierten und fließend Deutsch sprechenden Mediziner, der mit seiner Mischung aus Zähigkeit und verschlossenem Charme dem westlichen Klischee des konfuzianischen Weisen in bemerkenswerter Weise entspricht.
Mit den Fremdsprachenuniversitäten in Peking und Shanghai, den wichtigsten Einrichtungen zur akademischen Sprachausbildung in China, sind zwei weitere Partnerinstitutionen hervorzuheben, die außerordentliches Renommee besitzen und Angehörige der chinesischen Führungselite wie den Außenminister Li Zhaoxing hervorgebracht haben. Neben den Wirtschaftswissenschaften stehen hier naturgemäß die philologischen Fächer im Zentrum der Kooperation.
Wissenschaftlicher Nachwuchs aus China zu Gast am Neckar
Ein besonders erfolgreiches Modell des wissenschaftlichen und pädagogischen Austauschs besteht darin, dass chinesische Nachwuchsforscher zur Vorbereitung ihrer Magister- oder Doktorarbeiten nach Heidelberg kommen (wo sie fachlich intensiv betreut werden) und zugleich am Sinologischen Institut als native speakers Chinesisch unterrichten. Der Heidelberger Germanist Professor Wilhelm Kühlmann hat im vergangenen Jahr zusammen mit seinem ehemaligen Doktoranden Wei Maoping, der heute Dekan der Neuphilologischen Fakultät in Shanghai ist, ein internationales Symposion zu deutsch-chinesischen Literaturbeziehungen abgehalten.
Der Lehr- und Forschungsaustausch mit chinesischen Institutionen – es wären u.a. noch die Nankai-Universität in Tianjin, die Chinese University of Hongkong, aber auch die Taiwan National University zu nennen – wird von allen Beteiligten als außerordentlich ergiebig und anregend beurteilt. Vom Rektor der Universität Heidelberg, Professor Peter Hommelhoff, der als Jurist insbesondere die jüngst beschlossene fachliche Kooperation mit der Tsinghua University begrüßt, über den für auswärtige Beziehungen zuständigen Prorektor Professor Angelos Chaniotis bis zu den beteiligten Gastprofessoren reicht die Riege der Wissenschaftler, die – wie zuletzt der Mediziner Professor Claus Carstens in einem ausführlichen Bericht aus Wuhan – die nachhaltigen Erfolge der Kooperation beschreiben.
Kulturschock nicht immer auszuschließen, Erfahrung zählt
Doch nicht nur diese Stimmen verdienen Aufmerksamkeit: Ist es für einen Heidelberger Professor die größte Freude, ehemalige Gaststudenten in leitenden Positionen an ihrer Heimatuniversität wiederzutreffen, so spricht aus den Berichten der deutschen Studierenden die schiere Begeisterung über ein Land, in dem so gut wie alles vollkommen anders ist als in der Heimat. Die aus Wuhan zurückgekehrten Famulanten etwa erzählen vom „Kulturschock“ und – durchaus kritisch – auch von weniger erfreulichen Erfahrungen innerhalb und außerhalb der Kliniken, in denen sie arbeiteten. Alles in allem überwiegt jedoch auch hier die Gewissheit, Lebenserfahrungen und Fachkenntnisse gesammelt zu haben, die ihr weiteres Studium und ihre berufliche Orientierung nachhaltig begleiten werden.