Bis hin zur Stammzellenforschung
Wie aus dem „Institutum Policlinicum“ eine moderne High-Tech-Institution wurde – Festschrift erschienen
„Das hiesige Klinikum ist äußerst arm an lehrreichen Krankheiten, so dass ich meinem Zwecke, praktische Medizin zu lernen, kaum irgend näher komme.“ So schrieb der Dichter und Heidelberger Medizinstudent Nikolaus Lenau im Wintersemester 1830/31. Er befand sich wohl, zumindest was diese Sache anging, einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Denn das 1805 in der Neckarstadt durch den Anatomie-Professor Jakob Fidelis Ackermann gegründete „Institutum Policlinicum Medico Chirurgicum“, dessen wegweisender Gedanke es war, bereits Medizinstudenten in das ambulante, hausärztliche Betreuungskonzept einzuführen (und Lenaus Ambitionen sicher entsprochen hätte), musste bereits 1815 seinen Betrieb wieder einstellen. Grund dafür war der zweite innovative Gedanke in diesem Konzept, nämlich die Kranken der Stadt zu behandeln, und zwar kostenlos. Doch das führte zu hohen Schulden und schließlich zum Aus.
Die Poliklinik im Spiegel ihrer Bauten: Anfänge im ehemaligen Dominikanerkloster (links), Konsolidierung im Altklinikum Bergheim (Mitte), heute als spezialisierte Fachabteilung Teil der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg im Neuenheimer Feld (rechts).
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Neu gegründet wurde die Poliklinik erst wieder 1856. Auch wenn der zweite Akt dieser Geschichte unter eher schlechten Vorzeichen begann – Professor Theodor von Dusch, der Neugründer, hatte zahlreiche Gegner in der Medizinischen Fakultät –, so gelang es doch, die Klinik nu n in kontinuierlichere Bahnen zu leiten. Von Dusch schaffte es in den folgenden 34 Jahren seiner Amtszeit nicht nur, die Poliklinik zu vergrößern (im Jahr 1885 konnten bereits 3204 Patienten jährlich behandelt werden), sondern er machte auch durch fachliche Innovationen auf sich aufmerksam: als Erster beispielsweise führte er einen Luftröhrenschnitt bei Diphtherie durch, er publizierte ein Lehrbuch der Herzkrankheiten und vertrat seit 1867 auch die Kinderheilkunde als akademischer Lehrer; die von ihm ins Leben gerufene Kinderklinik (die „Luisenheilanstalt“) wurde bis 1906 in Personalunion vom Direktor der Poliklinik geleitet.
Die weitere Entwicklung in d en folgenden Jahrzehnten war nicht minder erstaunlich, sie machte aus der Poliklinik schließlich eine High-Tech-Institution, als die man sie heute kennt. Eine wichtige Wegmarke dorthin war 1971 die Berufung von Professor Werner Hunstein. Unter seiner Leitung entwickelte sich die allgemein-internistisch orientierte Klinik hin zu einer Fachabteilung der Universitätsklinik mit den Schwerpunkten Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie. Geleitet wird sie inzwischen von Hunsteins Schüler Professor Anthony D. Ho. Diese jüngste Ära der Poliklinik ist vor allem geprägt durch wegweisende Forschungsprojekte im Bereich der adulten Stammzellen. Ziel ist es, durch die Entwicklung einer neuen Stammzelltechnologie Alterskrankheiten wie Diabetes mellitus, Parkinson oder auch kardiovaskuläre Erkrankungen zu heilen. Als Pionierleistung hatte die Klinik 1985 weltweit erstmals eine erfolgreiche periphere Blutstammzelltransplantation vorgenommen – bei einem Patienten mit Lymphdrüsenkrebs konnten wegen einer Anomalie des Knochenmarks nicht, wie bis dahin üblich, Stammzellen aus dem Mark des Beckenknochens entnommen werden. So lassen sich an der Heidelberger Poliklinik – inzwischen die „Innere Medizin V“ genannte Abteilung der Universitätsklinik – in diesem Jahr gleich zwei Jubiläen feiern: die Gründung vor zweihundert Jahren sowie zwanzig Jahre Blut-Stammzellentransplantation. Und bei allem historischen und wissenschaftlichen Wandel ist ein Auftrag geblieben – nämlich für die Schwachen und Hilfsbedürftigen da zu sein.
Nachlesen kann man die spannende Geschichte der Heidelberger Poliklinik in einer Festschrift der Professoren Axel W. Bauer und Anthony D. Ho mit dem Titel „Nicht blos künstlich in einem Spitale – Zweihundert Jahre Medizinische Universitäts-Poliklinik Heidelberg und ihr Weg von der Stadtpraxis bis zur Blutstammzelltransplantation“. Das Buch kann über die Abteilung Innere Medizin V (Tel. 568001) bezogen werden.