Ehrlich währt am längsten
DFG-Tagung zu "Wissenschaftlichem Fehlverhalten"
Vor etwa einem Jahr sorgte der Fall des schon mit dem Nobelpreis in Verbindung gebrachten Wissenschaftlers Hwang Woo-suk für großes Aufsehen. Die spektakulären Ergebnisse des südkoreanischen Veterinärmediziners im Bereich der Stammzellenforschung hatten sich nämlich weitgehend als Fälschungen erwiesen – gewiss der größte Forschungsskandal in der jüngeren Zeit, aber wohl nur die Spitze eines Eisbergs.
Wissenschaftliches Fehlverhalten, und sei es auch nur im kleineren Maßstab, ist weit verbreitet. 1999 hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft ein unabhängiges Gremium geschaffen – den Ombudsmann der DFG – mit der Aufgabe, bei Verdacht zu prüfen. Seitdem gibt es an allen deutschen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen solche Instanzen. Rund 60 Ombudsleute aus den verschiedenen Hochschulen kamen jetzt in Hamburg zum Erfahrungsaustausch zusammen. Darunter auch Prorektor Jochen Tröger, Vorsitzender der hiesigen "Senatskommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft".
Auch an der Ruperto Carola gibt es drei Ombudsleute
Das Thema, so Jochen Tröger, besitzt viele Facetten. Grundsätzlich sei es so, dass "entsprechende Fälle meistens viel zu spät angezeigt werden. Viele junge Wissenschaftler beispielsweise trauen sich nicht, solange sie sich noch in der Abhängigkeit derer befinden, die das Fehlverhalten zu verantworten haben." Dabei gibt es auch an der Ruperto Carola drei Ombudsleute, an die man sich wenden kann: Prof. Dr. Herrmann Bujard (zuständig für den Bereich Medizin), Prof. Dr. Heinz Horner (für die Naturwissenschaften) sowie Prof. Dr. Eike Wolgast (für die Geisteswissenschaften). Sie garantieren vollständige Anonymität und sichern eine vertrauliche Behandlung der Angelegenheit zu, sind niemanden gegenüber auskunftspflichtig und verstehen sich als unabhängige Mediatoren.
Die Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens sind ganz unterschiedlich gelagert. Am häufigsten tritt der falsche Umgang mit Daten und Geräten auf, dicht gefolgt von Autorschaftsstreitigkeiten. Ebenfalls häufig anzutreffen ist ein unredlicher Umgang mit Zitaten. Das kann wiederum in Plagiatsvorwürfen gipfeln oder sich in einer selektiven Wahrnehmung niederschlagen, indem nur bestimmte Teile eines Zitat wiedergegeben, andere Teile aber, die möglicherweise der eigenen These zuwiderlaufen, bewusst weggelassen werden. "Die größte Anzahl der gemeldeten Fälle", so Tröger, "kommt aus der Naturwissenschaft, und dort ist der Spitzenreiter die Medizin. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass die Dunkelziffer in den Geisteswissenschaften ebenfalls sehr hoch ist." Wie ernst die Lage generell ist, verdeutlicht eine (anonyme) Umfrage der Zeitschrift "Nature" aus dem Jahr 2005: immerhin ein Drittel der jungen Wissenschaftler, die den Fragebogen zurückgeschickt hatten, gaben zu, schon einmal gegen Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis verstoßen zu haben.
Leistungsdruck und forcierter Wettbewerb
Zunehmender Leistungsdruck und Wettbewerb im Wissenschaftsbetrieb sowie ein überzogener Ehrgeiz stehen hinter solchen Verhaltensweisen. Wichtig ist, so der Heidelberger Prorektor, sich frühzeitig um Verstöße zu kümmern und sie schnell aufzuklären. Denn oft dauert die Bearbeitung dieser Fälle noch viel zu lange. Als Problem erweist sich außerdem, dass bislang verbindliche und einheitliche Richtlinien fehlen, was insbesondere die Beurteilung von Vorfällen, die verschiedene Institutionen betreffen, erschwert. Immerhin arbeitet man in der EU gerade an einem entsprechenden Katalog, aufgrund der engen internationalen Verflechtung in der Wissenschaft ist hier aber im Grunde ein globales Instrumentarium vonnöten. Schließlich sieht Jochen Tröger sieht Defizite im Bereich der Ausbildung. Die Sensibilisierung für dieses Thema "sollte schon im Studium beginnen, spätestens aber ein Teil der Doktorandenausbildung sein." Die Ombudsleute in Hamburg haben deshalb vorgeschlagen, einen entsprechenden Block in den Graduiertenkollegs einzubauen. "Wissenschaftliche Arbeit beruht auf Grundprinzipien, die in allen Ländern und in allen wissenschaftlichen Disziplinen gleich sind. Allen voran steht die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und anderen", heißt es in einer Denkschrift der DFG. Grundsätzlich kam man jetzt überein, die Zusammenarbeit unter Deutschlands Ombudsgremien als unabhängige Organe der Selbstkontrolle durch ein nationales Netzwerk zu intensivieren.
Oliver Fink