In aktuelle Diskussionen eingreifen
Thema Menschenwürde: Forum für Biomedizin und Kulturwissenschaften eröffnet
Das Prinzip Menschenwürde ist Grundlage unserer Verfassung und unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Worin diese jedoch konkret besteht, darüber kann trefflich diskutiert und vor allem gestritten werden. Ein neues Interdisziplinäres Forum für Biomedizin und Kulturwissenschaften (IFBK) will genau das tun. Vierzehn Disziplinen sind bislang beteiligt, in Kooperation mit der Universität wird es ab dem kommenden Schuljahr außerdem einen Seminarkurs an vier Heidelberger Gymnasien geben.
Aktive und passive Sterbehilfe, Pränataldiagnostik und Schwangerschaftsabbruch, Stammzellenforschung und therapeutisches Klonen – die Liste aktueller Reizthemen, bei denen die Frage nach der Menschenwürde im Mittelpunkt steht, ließe sich beliebig erweitern. Es sind allesamt Themen, bei denen man schnell an Grenzen stößt, zum Beispiel an fachliche. "Dabei ist es doch wichtig zu wissen, was beispielsweise ein Jurist einer Theologin zu sagen hat, die sich mit dem Thema Menschenwürde und Pränataldiagnostik befasst", sagt Wilfried Härle, Professor für Systematische Theologie (Ethik) und zusammen mit dem Humangenetiker Professor Claus Bartram einer der Direktoren des IFBK. "Ich erlebe es immer wieder: da laufen in sich schwingende Diskurse, die aber an ganz klare Grenzen stoßen, weil man jetzt in einen anderen Dis- kurs eintreten müsste – in einen Begründungsdiskurs oder in einen Inhaltsdiskurs oder in einen Anwendungsdiskurs. Und wenn man das nicht gegenliest und vermittelt, kommt man irgendwie nicht voran", so Härle weiter.
Nicht nur theoretische Grundlagenarbeit
Um aber "voranzukommen", hat man dieses Forum gegründet, das Anfang Februar mit einem Festvortrag von Gesine Schwan, Professorin an der Viadrina in Frankfurt/Oder und vor zwei Jahren Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, feierlich eröffnet wurde. Das Projekt, das sich im Moment noch in der Aufbauphase befindet, soll auf verschiedenen Ebenen funktionieren. Gedacht ist an ein Wissenschaftskolleg, das in Form eines international besetzten Instituts realisiert werden soll, an ein Graduiertenkolleg, ein Masterprogramm sowie an ein Schulprojekt, das von der Robert Bosch Stiftung finanziert wird und, wie erwähnt, bereits in diesem Jahr startet.
Gerade der Gang in die Schule zeigt schon, dass das Forum nicht nur an wissenschaftlich-theoretischer Grundlagenarbeit interessiert ist, sondern sich aktiv in aktuelle Diskussionen einmischen möchte. "Wir müssen von Universitätsseite schauen, dass wir in der Lage sind, relativ schnell und qualifiziert zu solchen Dingen Stellung zu nehmen, um uns zu positionieren. Die Gesellschaft soll merken, da ist so etwas wie ein brain trust, den sie ansprechen kann. Dieser Verantwortung wollen wir uns nicht entziehen. Im Gegenteil", erläutert Härle. Erfahrung in solchen Dingen hat der Theologe – in der vergangenen Legislaturperiode war er Mitglied der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages "Ethik und Recht der modernen Medizin". Auf Heidelberger Interventionen in Sachen Menschenwürde darf man in Zukunft jedenfalls gespannt sein.