Die Universität Heidelberg während der Zeit des Nationalsozialismus
Politisch und weltanschaulich auf Linie gebracht: eine neue Historiker-Studie präsentiert neue Erkenntnisse und schockierende Details
Die Zeit während des Nationalsozialismus ist zweifellos das dunkelste Kapitel in der Geschichte der Ruperto Carola. Fünf Jahre liegen hinter den Heidelberger Historikern Wolfgang U. Eckart, Volker Sellin und Eike Wolgast, in denen sie mit einem Stab von Mitarbeitern diesen Abschnitt minutiös bearbeitet haben. In Kürze kommt ihre voluminöse Studie zu diesem in mehrfacher Hinsicht unerfreulichen Thema in den Buchhandel.
Wie viele andere Bereiche auch, versuchte der nationalsozialistische Staat, die deutschen Universitäten in politischen und weltanschaulichen Dingen nach 1933 möglichst rasch auf Linie zu bringen. Das zog tiefe Eingriffe in Universitätsverfassung und im Beamtenrecht nach sich – von einer Freiheit in Forschung und Lehre konnte jedenfalls fortan keine Rede mehr sein. Auch in Heidelberg fand dieser Gleichschaltungsprozess ohne größeren Widerstand statt. In personeller Hinsicht kam es bereits im April 1933 zu einer ersten großen Entlassungswelle. Mit dem "badischen Judenerlass" sowie dem "Reichsgesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" hatten die Nationalsozialisten sich zwei juristische Instrumente geschaffen, mit denen jüdische Hochschullehrer, aber auch politisch unliebsame Dozenten der Ruperto Carola aus ihrem Dienst entfernt wurden.
Universitätsjubiläum 1936; eingedeckte Tische in der Stadthalle. Foto: Universitätsarchiv |
Zwar gab es Anzeichen dafür, dass diese diskriminierenden Maßnahmen selbst für so manchen mit dem neuen Regime liebäugelnden Professor zu weit gingen, doch im Umgang mit diesen staatlichen Vorgaben kam es allenfalls zu taktischen Manövern. Der damalige Heidelberger Rektor Willy Andreas beispielsweise, dem Nationalsozialismus nicht abgeneigt, versuchte durch das Pochen auf Ausnahmeregelungen – so etwa die Beteiligung als Soldat im Ersten Weltkrieg – die beiden Erlasse partiell zu unterlaufen, um Kollegen damit vor einer Entlassung zu bewahrten. Ein nachhaltiger Erfolg war solchen Versuchen allerdings nicht beschieden, so manche Betroffene wollten sich ohnehin nicht verbiegen lassen – der Staatsrechtslehrer Gerhard Anschütz und der Soziologe Alfred Weber etwa beantragten von sich aus die Emeritierung. Zu zwei weiteren Entlassungswellen kam es schließlich 1935 in Ausführung der "Nürnberger Gesetze" sowie 1937 infolge des "Deutschen Beamtengesetzes".
Die empfindlichen Eingriffe in die Autonomie der Universität zeigten sich schließlich auch in der Einführung einer neuen Universitätsverfassung. Das Amt des Rektors wurde nun dem "Führerprinzip" unterworfen – der Hochschulleiter nicht mehr länger vom Großen Senat gewählt, sondern aus dem Kreis der ordentlichen Professoren vom Kultusminister ernannt. Das bisherige System wurde damit geradezu in sein Gegenteil verkehrt. Denn nun ernannte der Rektor die Mitglieder des Senats sowie die Dekane. Dozenten wie auch Studenten wurden jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst, der jeweils ein "Führer" vorstand. Diese hatten insbesondere auf die ideologische Ausrichtung ihrer Klientel zu achten. Am Beispiel des Dozentenführers Herman Schlüter, einem Mediziner, kann man zudem exemplarisch zeigen, dass das wissenschaftliche Niveau der Universität nicht nur durch erzwungene Abgänge Schaden nahm, sondern auch durch politisch motivierte Karrieren verwässert wurde, die nun möglich waren – in den 1920er Jahren wäre Schlüter nämlich die Habilitation wohl nicht gelungen. Ähnliche Fälle gab es in nahezu allen Fachbereichen.
Die neue Studie zur Heidelberger Universität im Nationalsozialismus hat einen geradezu globalen Ansatz. Fakultät für Fakultät, Institut für Institut werden separat behandelt, hinzu kommen übergreifende Kapitel zur Universitätsleitung, zu den Studierenden oder auch zu den akademischen Festen an der gleichgeschalteten Ruperto Carola – 1936 etwa veranstaltete man mit großem Pomp die 550-Jahrfeier, die von der Reichsregierung in Berlin immerhin als "reichswichtig" eingestuft wurde. Als sinnvoll erscheint vor allem, dass die drei Autoren und Herausgeber nicht nur die eigentliche Kernzeit 1933-1945 ins Visier genommen haben, sondern auch einen Blick auf die Jahre davor und danach werfen – Kontinuitäten und Brüche treten somit verschärft vor Augen. Alles in allem offenbart sich freilich ein deprimierendes Bild, das viele neue Erkenntnisse vermittelt und auch schockierende Details zur Täterschaft an der Universität Heidelberg ans Tageslicht bringt.
Das Buch von Wolfgang U. Eckart, Volker Sellin und Eike Wolgast erscheint unter dem Titel "Die Universität Heidelberg im Nationalsozialismus" im Springer Verlag. Es wird etwa 1000 Seiten umfassen und voraussichtlich ab Ende Mai lieferbar sein.