Heidelberger Doktor
John Wolff begann seine Juristenlaufbahn am Neckar
Er war wohl der älteste lebende Heidelberger Juristen-Doktor. Am 7. Dezember 2005 ist Dr. John Wolff, den die Juristische Fakultät der Ruperto Carola im Jahr 1929 promoviert hatte, in Washington verstorben. Ein deutsch-amerikanisches Juristenleben ist vollendet, in dem sich das 20. Jahrhundert spiegelt.
"Man kann einen Menschen aus der Heimat vertreiben, aber man kann ihm nicht die Heimat aus dem Herzen nehmen", mit diesen Worten beschrieb John Wolff immer wieder seine Gefühle zu Deutschland, dem Land seiner Väter, das er in dunkler Zeit hatte verlassen müssen. Nach dem Jurastudium in Berlin und Heidelberg war er 1929 an der Ruprecht-Karls-Universität promoviert worden. Sein Doktorvater war Heinrich Mitteis gewesen, der berühmte Rechtshistoriker, der 1933 sein Amt als Dekan der Juristischen Fakultät verlieren sollte, weil er der Verunglimpfung jüdischer Kollegen entgegengetreten war. Wenn Wolff von seiner Zeit als Student in Heidelberg und von seinem Rigorosum berichtete, in dem ihm neben Mitteis auch Gustav Radbruch, Walter Jellinek und Max Gutzwiller gegenübersaßen, leuchteten seine Augen; dann fühlte man sich in eine ferne unbekannte Zeit versetzt, in eine Zeit geistiger Blüte, als die genannten großen Rechtslehrer in Heidelberg wirkten. Radbruch, Jellinek und Gutzwiller wurden später entrechtet und vertrieben; ihrer gedenkt die Ruperto Carola dauerhaft in der Eingangshalle der Alten Universität.
Auch John Wolff, dem Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, blieb nicht erspart, was Millionen zu erleiden hatten. Er konnte den in Berlin begonnenen Referendardienst nicht beenden und emigrierte 1933 nach New York, wo er bereits zwei Jahre zuvor an der Columbia University den Magister Legum erworben und anschließend auch gelehrt und geforscht hatte. Wie so viele andere, kehrte Wolff nicht zurück. Er arbeitete später für das US-Justizministerium, zunächst in New York, ab 1961 dann in der Hauptstadt Washington. Hier wirkte er über 44 Jahre als Adjunct Professor an der Georgetown University; noch im November 2005 war er an jedem Freitag im Hörsaal. Er hielt Vorlesungen zum Internationalen Zivilverfahrensrecht, zu den internationalen Menschenrechten und bis zuletzt immer im Wechsel zur Rechtsvergleichung und zur Methodenlehre.
John Wolff war über die Jahrzehnte längst zum Amerikaner geworden, hatte 1944 geheiratet, war mehrfacher Vater, Großvater und Urgroßvater. Aber er trug die alte Heimat im Herzen, knüpfte und pflegte viele Kontakte nach Deutschland, las deutsche Zeitungen und Bücher; und wenn deutsche Professoren nach Georgetown kamen oder unter den ausländischen LL.M.-Studierenden Deutsche waren, so freute dies niemanden mehr als ihn: Denn mit ihnen konnte er sich in der Sprache seiner Väter austauschen, und seine Gesprächspartner merkten schnell, dass sie einem Mann gegenübersaßen, der an politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland, aber auch am Lebensweg "seiner" Studenten stets regen Anteil nahm. So entstanden viele Freundschaften, die er nach Kräften, namentlich mit vielen transatlantischen Telefonaten, beständig pflegte.
Zu seinem 75. Doktorjubiläum erhielt John Wolff ein Glückwunschschreiben vom Dekan der Juristischen Fakultät in Heidelberg. Es hat ihn sehr gefreut, ebenso wie die Ehrung, die er an der Georgetown University im Jahr 2004 erfuhr, als die neue international-rechtliche Bibliothek nach ihm benannt wurde. So wird man sich in Georgetown stets an ihn erinnern. Aber auch die Ruperto Carola sollte John Wolff nicht vergessen. Am 5. April 2006 wäre er 100 Jahre alt geworden.