Das Portrait
Luther, Calvin, Bucer
Prof. Dr. Christoph Strohm ist neuer Kirchenhistoriker an der Theologischen Fakultät
Foto: Krug |
Seit seiner Habilitation zu „Ethik im frühen Calvinismus. Humanistische Einflüsse, philosophische, juristische und theologische Argumentationen sowie mentalitätsgeschichtliche Aspekte am Beispiel des Calvin-Schülers Lambertus Danaeus“ beschäftigt sich der Theologe mit den, wie er es nennt, Reformatoren der zweiten Reihe. So konnte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Heidelberger Akademie der Wissenschaften in den Jahren 1994/95 an der Herausgabe der Werke Martin Bucers mitwirken. „Martin Bucer ist ein klassischer Fall unterbewerteter Personen der Reformationsgeschichte – Luther und Calvin haben ihre Feiern und Forschungen. Diejenigen aber, die zwischen den entstehenden Konfessionen vermitteln wollten, wie eben Bucer, kommen erst langsam ins Blickfeld der Forschung“, erklärt Strohm.
Der Plan, Bucers umfangreiches Werk wie das Luthers, Melanchthons, Zwinglis und Calvins in modernen Editionen greifbar zu machen, entstand erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Erfahrung der gemeinsamen Bedrohung durch einen christentumsfeindlichen Staat in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft hat ein neues ökumenisches Bewusstsein hervorgebracht. Dies war die Voraussetzung dafür, dass solche vermittelnden, „ökumenischen Figuren“, die nicht polarisierten, neues Interesse fanden.
Als Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der Johannes a Lasco Bibliothek in Emden, einer Forschungsstätte und Spezialbibliothek zum reformierten Protestantismus, hat Strohm ein Forschungsprogramm zum Thema „Kulturwirkungen des reformierten Protestantismus“ initiiert. Er selbst arbeitet an einem Projekt zum Thema „Recht und Jurisprudenz im reformierten Protestantismus 1550-1650“. Dabei ist Interdisziplinarität ein wichtiger Bestandteil der Forschungen. Es geht dem Theologen darum, darzustellen, welche Auswirkungen weltanschaulich-konfessionelle Aspekte bei der Ausgestaltung der Jurisprudenz in dieser Zeit hatten. Die Wechselbeziehungen zwischen Theologie und Rechtswissenschaften zeigten sich auch daran, dass führende Theologen des Calvinismus im 16. Jahrhundert Jura studiert hatten, was sich wiederum auf die Theologie dieser Leute auswirkte.
Christoph Strohm untersucht dabei, ob es für das juristische Werk gleichgültig gewesen ist, welcher Konfession ein Jurist angehörte oder ob es spezifische, greifbare Auswirkungen gibt, die mit der Konfession zusammenhängen. Deshalb lassen sich die Forschungen des Kirchenhistorikers unter der großen Frage zusammenfassen: Welchen Einfluss haben die verschiedenen Konfessionen im 16. Jahrhundert auf die Entstehung der westlichen Zivilisation gehabt?
„Dass es sich dabei um Überlegungen handelt, die keineswegs in der Vergangenheit verharren, sondern hochaktuell sind, zeigt der konfliktreiche Dialog zwischen westlicher Zivilisation und der islamisch geprägten Welt“, so Strohm. Hier geht es darum, dass der Anteil des Christentums bzw. der Konfessionen an der Wert- und Institutionenbildungen der westlichen Zivilisation erläutert wird. So hat sich zum Beispiel die Reiche- und Regimentenlehre Luthers mit ihrer präzisen Unterscheidung der Aufgaben der weltlichen Obrigkeit, die mit Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen hat, und des geistlichen Regiments, in dem nur mit dem Wort und ohne jede äußere Gewalt Glaube geweckt werden soll, fördernd auf die Ausbreitung politischer Rationalität ausgewirkt.
Nach Heidelberg ist der Theologe gerne zurück gekommen. Schließlich galt diese Universität in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts als die protestantisch-reformierte Universität in Europa schlechthin und sei somit für ihn der ideale Ort, seine Forschungen voranzutreiben. Keine Frage, der „genius loci“ spiele in seine Rückkehr hinein. Nicht zuletzt durch die Forschungsstelle der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, aber eben auch durch die Vergangenheit der Universität gäbe es hier eine reformationsgeschichtliche Kompetenz wie sonst nirgends in Deutschland, so Strohm. „Hier an der Universität ist an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert besonders gut zu verfolgen, wie sich die Konfession auf die Jurisprudenz und Philosophie ausgewirkt haben“, ergänzt der Professor. So hat sich der Theologe schon mit dem Heidelberger Historiker Prof. Maissen und dem Rechtshistoriker Prof. Hattenhauer zusammengetan, um seine Studien noch intensiver betreiben zu können. Denn neues Wissen ist für den Kirchenhistoriker das Interessanteste.