Das andere China stellt sich vor
Beim Taiwantag an der Ruperto Carola war viel zu erfahren über eine wunderschöne Insel zwischen konfuzianischem Erbe und westlichen Werten
Der höchste Wolkenkratzer der Welt ist Taipehs neues Wahrzeichen. Foto: Ming-Yuang Yeh |
Prof. Dr. Barbara Mittler, Direktorin des Instituts für Sinologie eröffnete die Veranstaltung auch gleich mit dem Hinweis, dass sich die Sinologen bei der Programmgestaltung absichtlich zurückgehalten hätten – „damit auch mal andere was zu diesem Thema sagen, und nicht immer nur wir uns damit beschäftigen.“ Mit einem Grinsen setzt sie hinzu, dass für diesen Tag politische Korrektheiten doch bitte außen vor bleiben mögen und der „Repräsentant der Taipeh-Vertretung“, Prof. Dr. Jhy-Wey Shieh, heute einfach Botschafter Taiwans sei.
Dieser ist nicht nur persönlich gekommen, sondern hat gleich fast alle wichtigen Mitarbeiter der Vertretung mitgebracht. Ein Zeichen dafür, wie wichtig Veranstaltungen wie diese für die Arbeit der Vertretung sind, was er in seinem Eröffnungsgrußwort auch betont: „Taiwan muss viel tun, um ins Bewusstsein der Menschen zu gelangen, daher sind uns Tage wie dieser unheimlich wichtig.“ Für diese Möglichkeit dankt er Dietlind Wünsche stellvertretend für das Akademische Auslandsamt. Für ihn sei es immer wichtiger, mit den Menschen zu reden und in Kontakt zu kommen, als hinter dem Schreibtisch zu sitzen.
Taiwan ist auch politisch ein interessanter Fall. Die von vielen geäußerte Ansicht, China und seine Kultur sowie das konfuzianische Erbe generell eigneten sich nicht für eine Demokratie westlichen Typs scheint mit der Demokratisierung und der Etablierung rechtstaatlicher Prinzipien in Taiwan seit den achtziger Jahren wirkungsvoll widerlegt. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive beschäftigte sich Prof. Dr. Aurel Croissant vom Institut für Politische Wissenschaft in seinem Vortrag damit. Auf die Frage, ob Taiwan eine Rolle als Modell für eine Demokratisierung Asiens einnehmen kann, antwortet er allerdings mit einem Jein: Einerseits macht die Entwicklung Taiwans aus normativer Perspektive Mut, da es sich aus sich selbst heraus erfolgreich demokratisiert habe und inzwischen in Demokratie-Rankings auf einer Stufe mit Staaten wie Frankreich, Deutschland oder Großbritannien stehe. Andererseits gab es eine Reihe von Faktoren, die diese Entwicklung begünstigt haben und für die Volksrepublik China oder Gesamtasien nicht in gleicher Form gegeben sind.
Interessant auch die Präsentation über Studienbedingungen in Taiwan. Insbesondere die Hauptstadt bietet nicht nur eine ausgezeichnete Infrastruktur, sondern darüber hinaus zum Beispiel mit der Academia Sinica und der Taiwan National University hervorragende Möglichkeiten für Forschung und Studium. Ein ausgeprägtes Bewusstsein der Taiwanesen für Gastfreundlichkeit sei einer von vielen weiteren Vorteilen, die einen Deutschen zusätzlich erwarteten. Bei der Präsentation wirtschaftlicher Eckdaten konnte sich der zuständige Referent einen gewissen Stolz nicht verkneifen: Wenn ein so kleines Land etwa 80% aller weltweit verkaufen Notebooks herstelle, dann sei das ein großer Erfolg. Insgesamt lebte die Veranstaltung sehr von der lebhaften Persönlichkeit des „Botschafters von Taiwan“, dessen größtes Hobby deutsche Wortspiele zu sein scheinen. Und während eines Taiwan-Quiz, bei dem es für richtige Antworten Fußbälle zu gewinnen gibt, lässt er es sich nicht nehmen, diese gekonnt zum Gewinner zu kicken.
Eines zeigte die gesamte Veranstaltung ganz deutlich: Taiwan muss viel tun, um neben China bestehen zu können. Die daraus resultierende Freude von taiwanischer Seite über jeden, der sich mit dieser Insel beschäftigt sowie die damit verbundenen Bemühungen sollten Ansporn sein, bestehende Kooperationen auszubauen. Bereits jetzt existieren zwischen der Universität Heidelberg und einigen taiwanischen Universitäten wichtige Kooperationsabkommen.