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Zweihundert Jahre sind nicht genug

Jubiläum am Seminar für Klassische Philologie –
Förderpreis an Susanne Gödde

200 Jahre sind vergangen, seit 1807 – im Zuge des Neuanfangs der Universität nach den napoleonischen Kriegen – das Heidelberger Seminar für Klassische Philologie gegründet wurde. Den Neuanfang wagte Friedrich Creuzer, der zugleich wissenschaftliches Renommee in die Neckarstadt brachte. Diese hatte gerade erst das Ende der Kurpfalz und den Wechsel zum Land Baden erleben müssen – große Geister wie Creuzer beherbergen zu dürfen, war auch ein wenig Balsam für die Seele der geplagten Heidelberger. In diesem Jahr feiert das älteste kontinuierlich bestehende Seminar der Universität Jubiläum – mit einer Reihe interessanter Veranstaltungen.

Den Anfang machte bereits Mitte Januar das "Mittelrheinische Symposion", das sich dem Thema "Text und Intuition" widmete. Den Auftakt dazu bildete die Verleihung des Förderpreises für klassisch-philologische Theoriebildung an Susanne Gödde von der FU Berlin, die für ihre Habilitationsschrift "euphêmia. Konstruktionen des Guten in Kult und Literatur der griechischen Antike" ausgezeichnet wurde. Die Berliner Gräzistin und Religionswissenschaftlerin arbeitete sich im Rahmen ihrer Forschung durch die griechische Literatur von Homer bis Platon und untersuchte hierbei vor allem die traditionell als Schweigegebot verstandene "Rede vom Guten" – euphêmia – als Figur der Grenze zwischen guter und schlechter, zwischen eigentlicher und uneigentlicher Rede. In textnahen Analysen entwarf sie dabei das faszinierende Panorama einer Literatur, die in der Beobachtung ritueller und gesellschaftlicher Redenormen immer zugleich die Möglichkeit ihrer Überschreitung mitbedenkt.

Das zeugt von unkonventionellem Forschergeist, was den Stiftern des Preises wichtig ist, wie Professor Jürgen Paul Schwindt erklärt. Der Direktor des Seminars für Klassische Philologie ist seit Jahren mit dem Förderpreis beschäftigt und freut sich mit den prominenten Gastjuroren, den Professoren Michael Theunissen und Rainer Warning, über engagierte Nachwuchswissenschaftler wie Susanne Gödde, die der Klassischen Philologie durch genaue, dabei originelle Relektüren alter Texte neue Theoriebausteine und vielleicht sogar -horizonte erschließen. "Für den eiligen Karriereleser wie den Freund stromlinienförmiger oder zeitgeistnaher Lektüren sind wir die falsche Adresse."

Jubiläum am Seminar für Klassische Philologie – Förderpreis an Susanne Gödde
Bereits zum zweiten Mal wurde der Heidelberger Förderpreis für klassisch-philologische Theoriebildung verliehen: Susanne Gödde freut sich mit den Jury-Mitgliedern Michael Theunissen, Jürgen Paul Schwindt, Rainer Warning sowie Verleger Andreas Barth (v.l.n.r.). Foto: Fink

Der Preis ist mit 1500 Euro dotiert, die vom Universitätsverlag Winter gestiftet werden. Der Verlag ermöglicht zudem die Publikation in der angesehenen "Bibliothek der Klassischen Altertumswissenschaften". "Mit Herrn Dr. Barth vom Universitätsverlag wissen wir uns einig in der Einschätzung, dass das wissenschaftstheoretische und intellektuelle Erbe der Romantik, der beide Institutionen, Verlag und Seminar, nach ihrer Herkunft verpflichtet sind, noch lange nicht ausgeschöpft ist", erläutert Jürgen Schwindt.

"Noch das poststrukturalistische Zeitalter und die in immer neuen Nostalgieschüben sich häutende neoromantische Gegenwart zeugen von der ungebrochenen Virulenz diverser methodologischer Einstellungen der Romantik", so Schwindt, der zugleich betont: "Es ist schön und notwendig, das Altertum zu studieren, um das Altertum zu verstehen. Noch schöner und notwendiger aber ist es, das Altertum zu studieren, um die Moderne zu verstehen. Dabei interessiert uns weniger der charismatische Gelehrte und Künstlerphilologe Creuzer als der Schöpfer einer überfachlich organisierten philologischen Grundlagenwissenschaft."

Am Seminar selbst wird seit geraumer Zeit an der kategorialen Grundlegung einer klassisch-philologischen Literaturwissenschaft gearbeitet, wie Direktor Schwindt erklärt: "Eine moderne, international ausgerichtete Literaturforschung hat Konsequenzen für unser Verständnis der griechischen und lateinischen Literatur- und Kulturgeschichte wie auch für das Selbstverständnis der Philologie und das gerade von ihr transportierte Menschenbild."

Allerdings zielen Heidelbergs Klassische Philologen nicht nur auf die programmatische Erneuerung ihres Faches, sondern auch auf die Ausbildung kritischer Zeitgenossen: "Wenn wir es schaffen, unsere Visionen von einer in den modernen Wissenschaften vom Menschen fest verankerten Klassischen Philologie durchzusetzen, dann schaffen wir es nur deshalb, weil wir kluge, hellwache Nachwuchswissenschaftler und Studenten haben, die mit ihrer kreativen Unruhe jede Neigung zur Sklerosebildung schon im Keim ersticken", freut sich Schwindt, der auf die 140 Neueinschreibungen im laufenden Semester verweist. Hier liegt der Grundstein dafür, die Klassische Philologie in der Moderne und in der Zukunft lebendig zu halten. 200 Jahre sind lange nicht genug.

wac
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