Selbst Riesenbaustellen bestehen nicht ewig
Die beiden Prorektorinnen Silke Leopold und Vera Nünning über neue Studienstrukturen, Studiengebühren und internationale Projekte
Als "Regierungsprogramm" für die zweite Hälfte des Rektorats Hommelhoff kann das Strategiepapier der Universität Heidelberg verstanden werden. Der "Unispiegel" führt zu dessen Umsetzung Hintergrundgespräche mit den verantwortlichen Mitgliedern des Rektorats. In dieser Ausgabe lesen Sie ein Interview mit Prorektorin Prof. Dr. Silke Leopold, zuständig für den Bereich Studium und Lehre, und Prof. Dr. Vera Nünning, Prorektorin für Internationale Beziehungen.
Die Reform der Studienstruktur auf BA/MA infolge der Bologna-Erklärung von 1999, die Einführung von Studiengebühren und Auswahlverfahren, die Akkreditierung von Studiengängen oder auch die Verbesserung des Studierendenservices lassen den Bereich Studium und Lehre derzeit als Riesenbaustelle erscheinen. Können Sie sich, Frau Leopold, erinnern, jemals mit einem solchen Maß an Reformen konfrontiert worden zu sein?
Leopold: Nein. Aber damit Reformen überhaupt so geballt kommen können und alles gleichzeitig passiert, muss lange Zeit eine gewisse Ruhe geherrscht haben. Und das war in diesem Bereich der Fall. Bei dem ersten Papier, mit dem wir uns als Rektorat vorgestellt haben, habe ich auf die Frage nach dem großen Thema meiner Amtszeit tatsächlich noch allein auf den Bologna-Prozess verwiesen. Dieses eine hätte auch durchaus gereicht, doch weitere Themen, die Sie erwähnt haben, kamen hinzu. Ich habe allerdings den Eindruck, dass im Moment einige Bauzäune schon wieder abgetragen werden. Nicht alle, aber einige Dinge, die in meine Amtszeit fielen, sind erledigt, zumindest aber auf einem guten Weg – zum Beispiel, was die Umstellung der Studiengänge angeht.
Ziel dieser Umstellung ist es, die Mobilität von Studierenden innerhalb Europas zu fördern, so hatten sich das die Bildungsminister in Bologna jedenfalls gedacht. Nun gibt es allerdings Anzeichen dafür, dass das Gegenteil erreicht wird. Die angebotenen Studienprogramme zwischen einzelnen Universitäten sind eben nicht immer kompatibel. Auch wenn die Umsetzung in Heidelberg gut funktioniert – ist nicht die Reform an sich eine Fehlkonstruktion?
Leopold: Das haben Kritiker, und nicht nur die, die gegen das System waren, von Anfang an gesagt. Insofern muss man sich jetzt nicht wundern. Es war völlig klar, dass das der Preis sein würde: in einem enger strukturierten und gestuften System nimmt die Mobilität der Studierenden natürlich eher ab. Man kann dem aber auch einen positiven Aspekt abgewinnen: Ich habe meinen Studierenden immer empfohlen, ins Ausland zu gehen, weil da alles anders ist und sie sich mit dieser anderen Situation auseinandersetzen sollen. Wenn im Ausland nun alles gleich wäre, müsste ich sie da ja nicht mehr hinschicken. Der Bologna-Prozess hat viele kreative Kräfte freigesetzt, jedes Land, jede Universität hat die Vorgaben auf eine individuelle Weise ausgelegt. Und so bleibt es dabei, dass die Studierenden, wenn sie ins Ausland gehen, auch weiterhin völlig andere Bedingungen vorfinden werden.
Noch nicht auf der Tagesordnung zu Beginn Ihrer Amtszeit standen beispielsweise die Studiengebühren. Über die Verteilung der Gelder ist nun entschieden worden. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Leopold: Im Rahmen dessen, was überhaupt möglich war, bin ich zufrieden. Die Idee, das Geld an die einzelnen Fächer zu geben, ist richtig, denn diese wissen am besten, was sie damit machen und wie sie davon profitieren können. Ich komme gerade von einem Gespräch mit Studierenden und habe mit Freude gesehen, welch pfiffige Ideen hier entwickelt werden. Natürlich muss man hier und da noch nachsteuern, es ist ja auch alles hoppla-hopp gegangen. Aber grundsätzlich bin ich überzeugt, dass wir hier zu einer sehr guten Lösung gekommen sind.
Leopold: Nein. Aber damit Reformen überhaupt so geballt kommen können und alles gleichzeitig passiert, muss lange Zeit eine gewisse Ruhe geherrscht haben. Und das war in diesem Bereich der Fall. Bei dem ersten Papier, mit dem wir uns als Rektorat vorgestellt haben, habe ich auf die Frage nach dem großen Thema meiner Amtszeit tatsächlich noch allein auf den Bologna-Prozess verwiesen. Dieses eine hätte auch durchaus gereicht, doch weitere Themen, die Sie erwähnt haben, kamen hinzu. Ich habe allerdings den Eindruck, dass im Moment einige Bauzäune schon wieder abgetragen werden. Nicht alle, aber einige Dinge, die in meine Amtszeit fielen, sind erledigt, zumindest aber auf einem guten Weg – zum Beispiel, was die Umstellung der Studiengänge angeht.
Ziel dieser Umstellung ist es, die Mobilität von Studierenden innerhalb Europas zu fördern, so hatten sich das die Bildungsminister in Bologna jedenfalls gedacht. Nun gibt es allerdings Anzeichen dafür, dass das Gegenteil erreicht wird. Die angebotenen Studienprogramme zwischen einzelnen Universitäten sind eben nicht immer kompatibel. Auch wenn die Umsetzung in Heidelberg gut funktioniert – ist nicht die Reform an sich eine Fehlkonstruktion?
Leopold: Das haben Kritiker, und nicht nur die, die gegen das System waren, von Anfang an gesagt. Insofern muss man sich jetzt nicht wundern. Es war völlig klar, dass das der Preis sein würde: in einem enger strukturierten und gestuften System nimmt die Mobilität der Studierenden natürlich eher ab. Man kann dem aber auch einen positiven Aspekt abgewinnen: Ich habe meinen Studierenden immer empfohlen, ins Ausland zu gehen, weil da alles anders ist und sie sich mit dieser anderen Situation auseinandersetzen sollen. Wenn im Ausland nun alles gleich wäre, müsste ich sie da ja nicht mehr hinschicken. Der Bologna-Prozess hat viele kreative Kräfte freigesetzt, jedes Land, jede Universität hat die Vorgaben auf eine individuelle Weise ausgelegt. Und so bleibt es dabei, dass die Studierenden, wenn sie ins Ausland gehen, auch weiterhin völlig andere Bedingungen vorfinden werden.
Noch nicht auf der Tagesordnung zu Beginn Ihrer Amtszeit standen beispielsweise die Studiengebühren. Über die Verteilung der Gelder ist nun entschieden worden. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Leopold: Im Rahmen dessen, was überhaupt möglich war, bin ich zufrieden. Die Idee, das Geld an die einzelnen Fächer zu geben, ist richtig, denn diese wissen am besten, was sie damit machen und wie sie davon profitieren können. Ich komme gerade von einem Gespräch mit Studierenden und habe mit Freude gesehen, welch pfiffige Ideen hier entwickelt werden. Natürlich muss man hier und da noch nachsteuern, es ist ja auch alles hoppla-hopp gegangen. Aber grundsätzlich bin ich überzeugt, dass wir hier zu einer sehr guten Lösung gekommen sind.
„Verzahnung zwischen Rektorat und Wissenschaftlern besonders eng“: Silke Leopold und Vera Nünning im Gespräch.
Foto: Katinka Krug
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Was bleibt, ist aber dennoch eine Kritik vieler Studierender an den Gebühren an sich. Viele sprechen von einer Kommerzialisierung und beklagen, dass damit eine nur schwer überwindbare Barriere für Jugendliche aus nicht wohlhabenden Familien geschaffen werde. Schwierigkeiten werden insbesondere Ausländer aus Nicht-EU-Staaten haben, da sie nicht in den Genuss von Studienkrediten kommen.
Leopold: Wir sehen die Probleme und sind dabei, uns Maßnahmen zu überlegen, mit Stipendien und anderen Unterstützungsleistungen hier Hilfe anzubieten, gegenzusteuern. Aber: Das Thema Studiengebühren ist noch sehr frisch. Wir wissen ja noch nicht einmal, wie viel Geld bei uns ankommen wird. Bislang haben wir nur mit Ungefähr-Zahlen gerechnet.
Nünning: Dennoch haben wir gerade ein erstes Konzept entwickelt und auch schon mögliche Förderer angesprochen. Wir stehen hier mitten in einem Prozess und prüfen verschiedene Ideen, wie
wir Stipendien für Studierende, insbesondere aus nicht europäischen Staaten, aufbringen und gerecht verteilen können. Allerdings brauchen wir einfach noch ein bisschen Zeit und bitten um Geduld.
Sie, Frau Nünning, sind gewissermaßen die Außenministerin der Universität Heidelberg. Welche strategischen Ziele verfolgt die Ruperto Carola ganz generell auf internationalem Parkett?
Nünning: Die beiden großen Ziele, die man nie aus dem Blick verlieren sollte, bestehen darin, die besten Wissenschaftler an die Universität Heidelberg zu holen oder den wissenschaftlichen Austausch auf Distanz mit ihnen zu pflegen – und mit Wissenschaftlern meine ich hier, ganz im Sinne des Diktums von Frau Leopold, dass Forschung im ersten Semester beginnt, auch die besten Studierenden. Um die Attraktivität der Universität für ausländische Wissenschaftler zu erhöhen, haben wir ganz unterschiedliche Bündel an Maßnahmen entwickelt. Dazu gehört beispielsweise, dass wir den ausländischen Gästen hier eine optimale Studienatmosphäre und ein optimales Forschungsumfeld bieten wollen. Zusätzlich geht es uns darum, ganz gezielt Forschungskooperationen aufzubauen. Wir bemühen uns, besonders gute Universitäten noch stärker in den Austausch mit einzubeziehen – Universitäten etwa, mit denen bereits vereinzelte Kooperationen existieren, die auf andere Bereiche ausgeweitet werden könnten.
Von wem geht dabei die Initiative aus, eher von den Wissenschaftlern oder vom Rektorat?
Nünning: Die Initiative der Wissenschaftler ist am wichtigsten. Man kann nicht von oben Partnerschaften verordnen. Was wir aber im Rektorat machen können, ist, diesen Austausch ein wenig zu steuern, indem wir ihn beispielsweise durch Kooperationsabkommen mit einzelnen Universitäten erleichtern oder gezielt auf Förderprogramme etwa des DAAD oder der Alexander-von-Humboldt Stiftung aufmerksam machen.
Als eine der Regionen, in denen man noch stärker als bislang aktiv werden möchte, wird im Strategiepapier die USA genannt. Welche konkreten Dinge passieren dort im Moment?
Nünning: Wir haben einige tausend Alumni in den USA. Die sind natürlich eine ganz wichtige Zielgruppe für uns, im Übrigen auch als potentielle Förderer der Heidelberger Universität.
Eine andere Region, die strategisch ins Visier genommen wurde, ist China.
Nünning: Auch da ist in letzter Zeit viel passiert. Die schon bestehenden Kontakte sind intensiviert und mit renommierten Universitäten neue Kooperationen aufgebaut worden, zum Beispiel mit der Tsinghua University, dann auch mit einer Universität in Shanghai, der Jiao Tong-Universität. Im Zusammenhang mit dem Aufbau des Konfuzius-Instituts hier vor Ort arbeiten wir jetzt insbesondere mit Peking noch enger zusammen. Und neu hinzugekommen ist auch Taiwan, ein ebenfalls attraktiver Partner.
Angedacht im Strategiepapier ist schließlich ein Ausbau der englischsprachigen Lehre. Wie ist hier der aktuelle Stand der Dinge?
Leopold: Prinzipiell muss man sagen, dass man nicht die gesamte Lehre über einen Kamm scheren kann. Es gibt Bereiche, in denen englischsprachige Lehre sinnvoll ist, und es gibt Bereiche, in denen sie weniger sinnvoll ist. In den Naturwissenschaften liegt die englische Lehre natürlich näher als in den Geisteswissenschaften, wo es ja oft auch gerade auf die besondere und individuelle Formulierung ankommt. Bei uns, also bei den Musikwissenschaftlern, wird jetzt gerade eine Veranstaltung über Jimi Hendrix gemacht, und zwar auf Englisch. Die Studierenden dürfen nur englisch reden und müssen auch ihre Referate in dieser Sprache halten. In diesem Fall eignet sich allerdings auch das Thema. Aber warum sollte ich in Heidelberg Beethoven auf Englisch unterrichten?
Mit dem Rektoratswechsel im Herbst endet zugleich die Laufzeit des Strategiepapiers. Alle darin verzeichneten Projekte werden dann aber noch nicht umgesetzt sein. Gibt es unvollendete Projekte?
Leopold: Nun ja, viele der Baustellen, von denen wir anfangs sprachen, sind mir ja von außen verordnet und zum großen Teil abgearbeitet worden. Es gibt allerdings auch persönliche Projekte, die ich leider nicht durchsetzen konnte. Das finde ich in manchen Fällen traurig, aber man muss hier die Mehrheitsmeinung akzeptieren.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Leopold: Ja, kann ich. Ich habe innerhalb der Bachelor-Studiengänge von einem propädeutischen Jahr geträumt, in dem die Studierenden rumschnüffeln, Lehrveranstaltungen hier und dort machen und sich dann nach einem Jahr genau entscheiden können, was sie studieren möchten – mit der Möglichkeit, in dem Fach, für das sie sich entschieden haben, die Scheine, die sie zuvor schon gemacht haben, anrechnen zu lassen, damit auch keine Zeit verloren geht. Innerhalb der Universität ist dies aber leider weitgehend abgelehnt worden. Ich bedaure das immer noch sehr, zumal ich sehe, dass andere Universitäten genau dieses Modell jetzt einführen.
Und bei Ihnen, Frau Nünning?
Nünning: In der ‚Außenpolitik‘ würde ich nicht von unvollendeten Projekten sprechen, sondern von dynamischer Weiterentwicklung. Uns waren zum Beispiel die Rückmeldungen der Gutachter im Rahmen der Exzellenzinitiative, aber auch die Einschätzungen von Heidelberger Kollegen sehr wichtig; das hat teilweise zu einem Überdenken der anfangs gesetzten Ziele geführt. Zudem ist der Bereich Internationales grundsätzlich sehr dynamisch. Selbst die formale Besiegelung etwa einer Partnerschaft nützt gar nichts, wenn sich nicht individuelle Wissenschaftler dafür engagieren und sie mit Leben erfüllen. Bei internationalen Beziehungen ist daher die Verzahnung zwischen Rektorat und Wissenschaftlern besonders eng.
Leopold: Wir sehen die Probleme und sind dabei, uns Maßnahmen zu überlegen, mit Stipendien und anderen Unterstützungsleistungen hier Hilfe anzubieten, gegenzusteuern. Aber: Das Thema Studiengebühren ist noch sehr frisch. Wir wissen ja noch nicht einmal, wie viel Geld bei uns ankommen wird. Bislang haben wir nur mit Ungefähr-Zahlen gerechnet.
Nünning: Dennoch haben wir gerade ein erstes Konzept entwickelt und auch schon mögliche Förderer angesprochen. Wir stehen hier mitten in einem Prozess und prüfen verschiedene Ideen, wie
wir Stipendien für Studierende, insbesondere aus nicht europäischen Staaten, aufbringen und gerecht verteilen können. Allerdings brauchen wir einfach noch ein bisschen Zeit und bitten um Geduld.
Sie, Frau Nünning, sind gewissermaßen die Außenministerin der Universität Heidelberg. Welche strategischen Ziele verfolgt die Ruperto Carola ganz generell auf internationalem Parkett?
Nünning: Die beiden großen Ziele, die man nie aus dem Blick verlieren sollte, bestehen darin, die besten Wissenschaftler an die Universität Heidelberg zu holen oder den wissenschaftlichen Austausch auf Distanz mit ihnen zu pflegen – und mit Wissenschaftlern meine ich hier, ganz im Sinne des Diktums von Frau Leopold, dass Forschung im ersten Semester beginnt, auch die besten Studierenden. Um die Attraktivität der Universität für ausländische Wissenschaftler zu erhöhen, haben wir ganz unterschiedliche Bündel an Maßnahmen entwickelt. Dazu gehört beispielsweise, dass wir den ausländischen Gästen hier eine optimale Studienatmosphäre und ein optimales Forschungsumfeld bieten wollen. Zusätzlich geht es uns darum, ganz gezielt Forschungskooperationen aufzubauen. Wir bemühen uns, besonders gute Universitäten noch stärker in den Austausch mit einzubeziehen – Universitäten etwa, mit denen bereits vereinzelte Kooperationen existieren, die auf andere Bereiche ausgeweitet werden könnten.
Von wem geht dabei die Initiative aus, eher von den Wissenschaftlern oder vom Rektorat?
Nünning: Die Initiative der Wissenschaftler ist am wichtigsten. Man kann nicht von oben Partnerschaften verordnen. Was wir aber im Rektorat machen können, ist, diesen Austausch ein wenig zu steuern, indem wir ihn beispielsweise durch Kooperationsabkommen mit einzelnen Universitäten erleichtern oder gezielt auf Förderprogramme etwa des DAAD oder der Alexander-von-Humboldt Stiftung aufmerksam machen.
Als eine der Regionen, in denen man noch stärker als bislang aktiv werden möchte, wird im Strategiepapier die USA genannt. Welche konkreten Dinge passieren dort im Moment?
Nünning: Wir haben einige tausend Alumni in den USA. Die sind natürlich eine ganz wichtige Zielgruppe für uns, im Übrigen auch als potentielle Förderer der Heidelberger Universität.
Eine andere Region, die strategisch ins Visier genommen wurde, ist China.
Nünning: Auch da ist in letzter Zeit viel passiert. Die schon bestehenden Kontakte sind intensiviert und mit renommierten Universitäten neue Kooperationen aufgebaut worden, zum Beispiel mit der Tsinghua University, dann auch mit einer Universität in Shanghai, der Jiao Tong-Universität. Im Zusammenhang mit dem Aufbau des Konfuzius-Instituts hier vor Ort arbeiten wir jetzt insbesondere mit Peking noch enger zusammen. Und neu hinzugekommen ist auch Taiwan, ein ebenfalls attraktiver Partner.
Angedacht im Strategiepapier ist schließlich ein Ausbau der englischsprachigen Lehre. Wie ist hier der aktuelle Stand der Dinge?
Leopold: Prinzipiell muss man sagen, dass man nicht die gesamte Lehre über einen Kamm scheren kann. Es gibt Bereiche, in denen englischsprachige Lehre sinnvoll ist, und es gibt Bereiche, in denen sie weniger sinnvoll ist. In den Naturwissenschaften liegt die englische Lehre natürlich näher als in den Geisteswissenschaften, wo es ja oft auch gerade auf die besondere und individuelle Formulierung ankommt. Bei uns, also bei den Musikwissenschaftlern, wird jetzt gerade eine Veranstaltung über Jimi Hendrix gemacht, und zwar auf Englisch. Die Studierenden dürfen nur englisch reden und müssen auch ihre Referate in dieser Sprache halten. In diesem Fall eignet sich allerdings auch das Thema. Aber warum sollte ich in Heidelberg Beethoven auf Englisch unterrichten?
Mit dem Rektoratswechsel im Herbst endet zugleich die Laufzeit des Strategiepapiers. Alle darin verzeichneten Projekte werden dann aber noch nicht umgesetzt sein. Gibt es unvollendete Projekte?
Leopold: Nun ja, viele der Baustellen, von denen wir anfangs sprachen, sind mir ja von außen verordnet und zum großen Teil abgearbeitet worden. Es gibt allerdings auch persönliche Projekte, die ich leider nicht durchsetzen konnte. Das finde ich in manchen Fällen traurig, aber man muss hier die Mehrheitsmeinung akzeptieren.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Leopold: Ja, kann ich. Ich habe innerhalb der Bachelor-Studiengänge von einem propädeutischen Jahr geträumt, in dem die Studierenden rumschnüffeln, Lehrveranstaltungen hier und dort machen und sich dann nach einem Jahr genau entscheiden können, was sie studieren möchten – mit der Möglichkeit, in dem Fach, für das sie sich entschieden haben, die Scheine, die sie zuvor schon gemacht haben, anrechnen zu lassen, damit auch keine Zeit verloren geht. Innerhalb der Universität ist dies aber leider weitgehend abgelehnt worden. Ich bedaure das immer noch sehr, zumal ich sehe, dass andere Universitäten genau dieses Modell jetzt einführen.
Und bei Ihnen, Frau Nünning?
Nünning: In der ‚Außenpolitik‘ würde ich nicht von unvollendeten Projekten sprechen, sondern von dynamischer Weiterentwicklung. Uns waren zum Beispiel die Rückmeldungen der Gutachter im Rahmen der Exzellenzinitiative, aber auch die Einschätzungen von Heidelberger Kollegen sehr wichtig; das hat teilweise zu einem Überdenken der anfangs gesetzten Ziele geführt. Zudem ist der Bereich Internationales grundsätzlich sehr dynamisch. Selbst die formale Besiegelung etwa einer Partnerschaft nützt gar nichts, wenn sich nicht individuelle Wissenschaftler dafür engagieren und sie mit Leben erfüllen. Bei internationalen Beziehungen ist daher die Verzahnung zwischen Rektorat und Wissenschaftlern besonders eng.
Die Fragen stellte Oliver Fink
Zur Person
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Silke Leopold, Jahrgang 1948, ist seit 1996 Ordinaria des Musikwissenschaftlichen Seminars in Heidelberg und seit 2001 Prorektorin. Zuvor lehrte und forschte sie u.a. an den Universitäten in Rom, Berlin, Harvard, Regensburg, Paderborn sowie an der Musikhochschule in Detmold. Zu ihren wissenschaftlichen Schwerpunkten zählen u.a. die Geschichte der Oper, Italienische Musik vom 16.–18. Jahrhundert oder auch das Thema Historische Aufführungspraxis.
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Vera Nünning, Jahrgang 1961, ist seit 2002 Professorin für Englische Philologie an der Ruprecht-Karls-Universität, zwei Jahre zuvor war sie nach ihrer Habilitation einem Ruf an die TU Braunschweig gefolgt; das Amt der Prorektorin übernahm sie letztes Jahr. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören: Britische Literatur und Kultur von der Renaissance bis zur Gegenwart, Schnittstellen zwischen Literatur und Kultur, Erzähltheorie sowie gender studies.
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