Siegel der Universität Heidelberg
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Ordnung ist das ganze Leben

Eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek Heidelberg über Ritualpraktiken

Rituale bestimmten und ordneten in der europäischen Vormoderne das ­Leben jedes Menschen von der Wiege bis zu Bahre. Ihre Bedeutung wird nicht erst von der modernen Forschung erkannt. Auch Zeitgenossen nahmen sie bereits wahr: In Schrift und Bild erinnerten sie detailliert den zeremoniellen Ablauf politischer Großereignisse und schrieben zugleich ihre Idealvorstellung von Ritualen und ihrer Bedeutung fest.

Die ordnende Kraft der Rituale im Bild ist daher das Thema einer Ausstellung, die als Kooperation der Universitätsbibliothek Heidelberg, des SFB 619 „Ritualdynamik“ und des Instituts für fränkisch-pfälzische Geschichte und Landeskunde im Rahmen der September-Tagung „Ritual Dynamics and the Science of Ritual“ eröffnet wurde. Maßgeblich konzipiert wurde sie von einer studentischen Projektgruppe aus dem Historischen Seminar.

Die Ausstellungsmacher konnten aus dem reichen Bestand der Universitätsbibliothek schöpfen: Die Exponate, die aus dem 12. bis 18. Jahrhundert stammen, umfassen sowohl Handschriften als auch Drucke. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt an der Wende zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. Unter den Exponaten finden sich auch einige der kostbarsten Stücke der Universitätsbibliothek, die nur selten der Öffentlichkeit präsentiert werden. Eines der Prunkstücke ist der Sachsenspiegel, der als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Rechtsquellen des Mittel­alters gilt. Der Heidelberger Codex ist die älteste erhaltene Handschrift dieses Textes, die Absatz für Absatz ­illustriert wurde.

Die Kurfürsten dienen dem frisch gewählten König. Darstellung aus dem „Heidelberger Sachsenspiegel“, Anfang 14. Jahrhundert.  
Die Kurfürsten dienen dem frisch gewählten König. Darstellung aus dem „Heidelberger Sachsenspiegel“, Anfang 14. Jahrhundert.
Foto: UB HD

Dass Rituale das ganze Leben hindurch begleiteten, spiegelt die Gliederung in vier Sektionen wider. Der erste Komplex Ritual und Herrschaft nimmt die Erhebung des römisch-deutschen Königs zum Oberhaupt des Reichsverbandes in den Blick. Die zweite Sektion macht deutlich, wie sehr die politische und soziale Ordnung durch liturgisch-religiöse Rituale geprägt war. Besonders in der Sektion Ritual und Gesellschaftsordnung wird klar, dass ­Rituale diese Ordnung nicht nur abbilden. Stattdessen stellen sie Rang und Status durch Sitz- und Prozessionsordnungen überhaupt erst her. Im letzten Teil Ritual und Recht zeigen die Darstellungen schließlich, dass Rituale und Symbole gerade im Rechtsleben von essentieller Bedeutung waren. Die Selbstverständlichkeit geschriebenen Rechts war der Vormoderne hingegen noch weitgehend fremd.
Michael Roth

Die Ausstellung ist noch bis zum 25. Januar 2009 im Manesse-Raum der Universitätsbibliothek täglich von 10 bis 18 Uhr, außer feiertags, geöffnet. Jeden Sonntag wird um 11 Uhr eine Führung angeboten. Weitere Infos: http://rituale-ordnen-die-welt.uni-hd.de.

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