Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

„Wir wollen weltweit die Nummer eins sein“

Zu den Gewinnern in der zweiten Runde des Exzellenzwettbewerbs zählt auch die „Heidelberg Graduate School of Mathematical and Computational Methods for the Sciences“, die am Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (Im Neuenheimer Feld 368) angesiedelt ist. Als Sprecher der Graduiertenschule gibt Prof. Hans Georg Bock im Interview Auskunft über die neuen Perspektiven:

Herr Prof. Bock, die Interdisziplinarität des Wissenschaftlichen Rechnens, mit dem sich die neue Graduiertenschule beschäftigt, geht schon aus ihrem Namen hervor. Welche Bedeutung hat sie für die Wissenschaften?

"Die Methoden des Wissenschaftlichen Rechnens haben sich inzwischen zu einer Schlüsseltechnologie für viele Bereiche in Wissenschaft und Technik entwickelt. Dazu gehören etwa Computersimulationen beim Entwurf von Autos oder die Steuerung von Chemieanlagen. An der Volluniversität Heidelberg hat das Wissenschaftliche Rechnen nun eine 20-jährige Tradition, solange gibt es auch das Interdisziplinäre Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR). Hier wurden die Verbindungen hergestellt zwischen Mathematik und Informatik sowie Chemie und Physik, später kamen auch Biowissenschaften und Medizin hinzu, in jüngster Zeit verstärkt zudem Geistes- und Sozialwissenschaften. Die insgesamt rund 35 Forschergruppen des IWR tragen die neue Graduiertenschule."

Können Sie noch einige konkrete Anwendungsgebiete des Wissenschaftlichen Rechnens nennen?

"Zum Beispiel erforschen wir am IWR gemeinsam mit Chemikern durch Simulation Verbrennungsvorgänge, um Dieselmotoren, Katalysatoren oder Brennstoffzellen zu optimieren. Hier arbeiten wir etwa mit den Firmen Daimler, Bosch und ABB zusammen. In der Astrophysik werden beispielsweise die Umgebung Schwarzer Löcher oder die Entstehung von Galaxien simuliert. Für die Graduiertenschule ist auch die BASF ein prominenter Partner. Im Hinblick auf Produktionsprozesse und chemische Reaktoren müssen zahlreiche Experimente vorgenommen werden. Und es ist eine der Spezialitäten des IWR, durch Simulation und Optimierung diese Experimente so anzulegen, dass die gewonnene Information maximal wird. Dies ist der BASF so wichtig, dass sie der Graduiertenschule eigens eine ganze Nachwuchsforschergruppe spendieren will. Mehrere Arbeitsgruppen des IWR arbeiten intensiv im Bereich der Biowissenschaften – zum Teil im neuen Bioquant-Gebäude –, vor allem auch in Kooperation mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum: Dort wird im Projekt ,SBCancer’ die Dynamik der Krankheitsentwicklung in der krebsbefallenen Zelle erforscht. Im Rahmen von Bioquant gibt es auch das Projekt Viroquant, in dem untersucht wird, wie Viren die Zellen befallen, um daraus schließlich Diagnose- und Therapie-Instrumente zu entwickeln. Eine enge Kooperation haben wir mit der Tropenmedizin auf dem Gebiet der Epidemiologie, wo wir etwa der Frage nachgehen: Wie entstehen in der Dritten Welt infolge unzureichender gesundheitlicher Versorgung Resistenzen gegen Medikamente?

Die neue Graduiertenschule wird hier spannende neue Gebiete für das Wissenschaftliche Rechnen erschließen. Sie soll eine eigene virtuelle Neckarquerung bilden, die die Naturwissenschaften im Neuenheimer Feld mit den Geisteswissenschaften in der Altstadt verbindet. Das ist auch in dem erfolgreichen Antrag in der dritten Säule des Exzellenzwettbewerbs – dem Zukunftskonzept der Universität Heidelberg – so konzipiert. Da gibt es eine reiche Palette an Vorhaben."

Den Nachwuchswissenschaftlern werden auch die Rechnerkapazitäten des IWR zur Verfügung stehen?

"Die Graduiertenschule umfasst den Großteil der insgesamt 250 Doktoranden der IWR-Forschergruppen. Im IWR wird jetzt die Zentrale der Graduiertenschule eingerichtet, aber Arbeitsgruppen wie Doktoranden sind über den ganzen Campus verteilt. Vor allem aber werden unsere Doktoranden massive Rechnerleistungen brauchen. Auch deshalb haben wir soeben unseren neuen Parallelrechner Helics II (Heidelberger Linux Cluster System) eingeweiht, der mit 640 Prozessorkernen 2,7 Tera-Flops (knapp drei Billionen Rechenoperationen in jeder Sekunde) leistet."

Ist das IWR mit diesem Rechner für die Zukunft gut gerüstet?

"Helics II stellt eine jetzt notwendige zusätzliche Rechenleistung dar, die wir durch spezielle Verfahren noch steigern können. Aber in spätestens drei Jahren brauchen wir einen noch sehr viel leistungsfähigeren Rechner, der auf etwa 20 Tera-Flops ausgelegt sein sollte und etwa zwei bis drei Millionen Euro kosten würde. Große Kapazitäten in Deutschland erreichen derzeit bis zu 60 Tera-Flops. Der Vorteil von Helics II liegt vor allem darin, dass seine Rechenkapazität – anders als bei Höchstleistungsrechenzentren wie in München oder Stuttgart – auf relativ wenige Nutzer aufgeteilt wird und mitunter sogar nur einer Person zur Verfügung stehen kann. Das ,Supercomputing’ am IWR steht für die optimale Ausnutzung von innovativen Rechnerstrukturen und für besonders effiziente Berechnungsverfahren für Parallelrechner."

Welche finanziellen Mittel fließen der neuen Graduiertenschule zu?

"In den nächsten fünf Jahren erhält die Graduiertenschule insgesamt etwa sechs Millionen Euro. Mit diesen Mitteln werden wir unseren Doktoranden vor allem eine hervorragende wissenschaftliche Infrastruktur bieten. Wir wollen international ein Spitzenplatz für die Doktorandenausbildung auf dem Gebiet des Wissenschaftlichen Rechnens sein. Die neue Förderung katapultiert uns in dieser Hinsicht weltweit ganz nach vorn, denn nun können wir verstärkt hochinnovative und risikofreudige Projekte starten."

Woher kommen die Doktoranden?

"Diese Graduiertenschule soll global operieren – alle Stellen werden international ausgeschrieben. Wir wollen die besten Köpfe aus der ganzen Welt holen. Über 30 Topinstitute in vielen Ländern zählen zu unseren Kooperationspartnern in der Doktorandenausbildung, darunter in den USA etwa Stanford, Princeton, das MIT oder die Columbia University, in Europa Oxford, Cambridge oder die ETH in Zürich. Wir wollen auf unserem Gebiet weltweit die Nummer eins sein: Denn es gibt nirgends sonst eine vergleichbare Graduiertenschule für Methoden des Wissenschaftlichen Rechnens.

Heribert Vogt, Copyright Rhein-Neckar-Zeitung

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