Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

„Mit dem Cluster haben die Heidelberger Institute ein Ass auf der Hand“

Die Universität Heidelberg hat in der zweiten Runde des Exzellenzwettbewerbs auch den Zuschlag für das geisteswissenschaftliche Cluster „Asia and Europe in a Global Context: Shifting Asymmetries in Cultural Flows“ erhalten. Die interdisziplinäre Einrichtung beschäftigt sich mit historischen aber auch gegenwärtigen Fragen zum Verhältnis zwischen Asien und Europa. Dafür erhält sie in den kommenden fünf Jahren rund 35 Millionen Euro an Fördergeldern. Zu den drei Sprechern des Clusters zählt Prof. Axel Michaels. Er ist Professor für Klassische Indologie am Südasien-Institut der Universität Heidelberg. Hier ein Interview:

Herr Prof. Michaels, das von Ihnen mitgeplante Cluster "Asia and Europe" widmet sich den Beziehungen zwischen Asien und Europa. Was ist die zentrale Thematik dieses Clusters?

"Wir wollen die historischen und gegenwärtigen Austauschverhältnisse zwischen Asien und Europa auf breiter Fächerbasis untersuchen. Im Mittelpunkt stehen die Schieflagen, die zwischen den Kulturen entstehen. Sie können zu Wanderungen oder Konflikten führen, auch zu Transfers durch Menschen, Wirtschaftsgüter oder Ideen – zum Beispiel religiöse Anschauungen, politische Ideologien oder Gesundheitskonzepte."

Geht es auch um die historischen Begegnungen zwischen den beiden Kontinenten?

"Nicht in erster Linie. Wir wollen klären, was passiert, wenn verschiedene Kulturen aufeinanderstoßen. Denn es entsteht dann ein dritter Raum, der weder der einen noch der anderen Kultur angehört, sondern sich zwischen ihnen formiert. Asien ist heute sehr stark in Europa präsent wie auch umgekehrt, so dass eine eindeutige, etwa nationalstaatliche Zuordnung nicht mehr funktioniert. Schon in der Antike hat es im Vorderen Orient ein starkes Weltbürgertum und eine globale Welt mit Mehrsprachlichkeiten und Migrationen gegeben. Und von solchen Austauschprozessen können wir lernen."

Welche Heidelberger Einrichtungen sind an diesem Cluster beteiligt; und wie wird er koordiniert?

"Hier sind die Süd- und Ostasienwissenschaften zu nennen, dann die Altertums-, Geschichts- und Sozialwissenschaften, auch Kunstgeschichte und Philosophie. Die drei Direktoren, Frau Madeleine Herren-Oesch (Neuere Geschichte), Herr Rudolf G. Wagner (Sinologie) und ich, wechseln alle sechs Monate. Der Vorstand besteht aus Vertretern der vier Projektbereiche, zwei Angehörigen des Mittelbaus sowie dem Direktorium. Hinzu kommt die Mitgliederversammlung, die in allen wichtigen Fragen entscheidet."

Wie erfolgt die Themenwahl?

"Wir haben vier Projektbereiche: Politik und Verwaltung, Öffentlichkeit und Medien, Gesundheit und Umwelt sowie Geschichte und Kulturerbe. Anfang 2008 beginnt die Evaluierung der Themenvorschläge, so dass die ersten Forschungsprojekte etwa im Frühjahr starten können."

Wie ist das Cluster auf internationaler Ebene installiert?

"Wir haben eine ganze Reihe von Kooperationspartnern in den USA – etwa Harvard und Chicago University – oder in Paris das Centre National de la Recherche Scientifique, aber auch in Asien: in Delhi etwa das Indira Gandhi National Center for the Arts oder die Peking University; und in Japan sind Kyoto und Tokio mit im Boot. Denn wir wollen nicht über Asien sondern mit Asiaten forschen. Die im Cluster enthaltene Graduiertenschule mit rund 40 Stipendiaten soll zur Hälfte aus Asien besetzt werden."

Welches Grundziel wird verfolgt?

"Wir haben in Europa häufig eine Perspektive, die von unserer eigenen Geschichte oder einem nationalstaatlichen Interesse geprägt ist. Dabei wird der Blickwinkel einer sehr wachen und kulturell reichen Weltgegend oft nicht einbezogen. Geschichte etwa bedeutet bei uns im Wesentlichen europäische Geschichte. In unserer globalen Welt mit verschiedenen Kulturen muss deshalb auch eine globale Perspektive entwickelt werden. Die Kollegen in Indien oder China werden sich den Eurozentrismus in Zukunft nicht mehr gefallen lassen."

Wo ist das Cluster angesiedelt?

"Das Gebäude des Clusters mit etwa 2000 Quadratmetern ist in der Voßstraße 2. Diese zentrale Einrichtung ist wichtig, denn wir wollen quer zu den Fakultäten und Instituten forschen."

Wie werden die 35 Millionen Euro für das Cluster verwendet?

"Der größte Anteil wird für die ungefähr 100 neuen Stellen ausgegeben, zu denen fünf Professuren, außerdem Nachwuchsgruppen, wissenschaftliche Mitarbeiter und Stipendiaten zählen. Hinzu kommen die sechs Gastprofessuren und die Vertretungen für Heidelberger Wissenschaftler, die für das Karl-Jaspers-Kolleg des Clusters freigestellt werden. Weitere Mittel werden für Tagungen und die Infrastruktur mit Bibliothek und technischer Ausrüstung aufgewendet."

Was bedeutet dieses Cluster für Heidelberg?

"In erster Linie bedeutet es eine Stärkung und Bestätigung für die Geisteswissenschaften insgesamt. Mit dem Cluster werden die Heidelberger Institute ein Ass auf der Hand haben, ein neues Modell, das fächer- und fakultätsübergreifend arbeitet – und das war auch intendiert. Ich vermute, dass diese Einrichtung stimulierend wirkt. Es wird zu keiner Auflösung der traditionellen Fächer kommen, wohl aber zu neuen Impulsen in den Fragestellungen."

In welche Richtungen können diese gehen?

"Umweltprobleme etwa sind global und wirken sich lokal aus, das gilt auch für die neuen Medien. Diese Zusammenhänge wollen wir untersuchen. Oder das Prinzip der Gewaltlosigkeit: Warum gehört sie nicht zu den Menschenrechten? Weil dieses beispielsweise in Indien hochgehaltene Prinzip nicht im Westen entwickelt wurde? Auch mit dem oft politisch missbrauchten Kulturerbe der verschiedenen Staaten wollen wir uns befassen."

Erreicht das Cluster auch die Politik, im Falle des Kulturerbes etwa die Unesco?

"Auch die Unesco zählt zu unseren Partnern; und wir werden mit ihr zusammenarbeiten. Deshalb kommt es sicherlich zu Kontakten mit der Politik. Aber in erster Linie wollen wir die eingangs angesprochene Grundlagenforschung betreiben, um in Zukunft für die kulturelle, politische und wirtschaftliche Auseinandersetzung mit dem besonders dynamischen Kontinent Asien gerüstet zu sein. Das sind wir besonders den Studierenden schuldig."

Heribert Vogt, Copyright Rhein-Neckar-Zeitung

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