Die Ruperto Carola war in allen drei Förderlinien des deutschen Exzellenzwettbewerbs erfolgreich: Insgesamt 30 Millionen Euro pro Jahr fließen nun über fünf Jahre nach Heidelberg. In der ersten Säule setzten sich drei Graduiertenschulen in den Bereichen Physik, Wissenschaftliches Rechnen und Molekularbiologie durch; und in der zweiten Säule waren der geisteswissenschaftliche Cluster „Asien und Europa“ sowie der naturwissenschaftliche Cluster „Zelluläre Netzwerke“ erfolgreich. In der dritten Säule schließlich erhielt die Ruperto Carola den Zuschlag für ihr gesamtuniversitäres Zukunftskonzept der Volluniversität, auf das jährlich etwa 13,5 Millionen Euro entfallen. Seine Umsetzung wie die aktuellen Zukunftsausgaben sind die Themen des nachfolgenden Gesprächs mit dem Rektor der Universität, Prof. Bernhard Eitel:
Herr Eitel, kurz nach Ihrem Amtsantritt wurde die Ruperto Carola am 19. Oktober Eliteuniversität. Inzwischen sind die ersten 100 Tage vergangen. Wie haben Sie die Anfangsphase Ihres Rektorats erlebt?"Man hat für viele Dinge einfach zu wenig Zeit, denn die Termine kommen Schlag auf Schlag. Und seit dem 19. Oktober stürmt noch mehr auf mich ein."
Welche Reaktionen gab es nach Erlangung des Elitestatus?
"Alle Welt gratuliert uns: Es melden sich nicht nur die Partneruniversitäten sondern Hochschulen aus vielen Ländern. Wir bekommen Einladungen zu Treffen der exzellenten Universitäten dieser Erde. Die Kehrseite dieses Echos besteht darin, dass man uns nun für versorgt hält. Und das stimmt ja nicht: Denn wir haben neben den Projekten des Exzellenzwettbewerbs eine Vielzahl weiterer Zukunftsaufgaben, für die wir noch Geld benötigen."
Der Elitewettbewerb hat also starke internationale Resonanz?
"Er wird im Ausland fast noch stärker wahrgenommen als im Inland, wo sich die öffentliche Aufmerksamkeit inzwischen etwas beruhigt. Aber in der Außenperspektive stehen nun die deutschen Eliteuniversitäten im Blickpunkt."
Wie hat die Universität die neue Situation aufgenommen?
"In den Exzellenzprojekten sind schon viele Kollegen mit der Umsetzung beschäftigt. Aber es gibt strukturelle Probleme, die man mit den neuen Fördermitteln nicht aus der Welt schaffen kann. So herrscht in einigen Bereichen nach wie vor Finanzknappheit. Und die Universität als Ganzes hat noch nicht den gesetzlichen Rahmen, der für die Konkurrenz mit den weltweit führenden Universitäten nötig ist – etwa bei der Besoldung in Berufungsverfahren."
Immerhin betrifft die Förderung aus der dritten Säule des Exzellenzwettbewerbs die Gesamtuniversität. Hier war die Ruperto Carola mit dem Zukunftskonzept der Volluniversität erfolgreich.
"Ein Bereich des Konzepts steht unter dem Motto ,Die Stärken stärken’. Es fließen etwa Mittel in die Disziplinen Physik, Mathematik und Informatik sowie die Lebenswissenschaften – hier besonders in die Allianz unseres Zentrums für Molekularbiologie (ZMBH) mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). In einem weiteren Teil geht es um die Verstärkung der neu ausgerichteten Wirtschaftswissenschaften mit Fokus auf die Politische Ökonomik. Dann werden bei den ,Transcultural Studies’ zwischen Geistes- und Sozialwissenschaften übergreifende Vorhaben durchgeführt, und zwar jenseits des Clusters ,Asia and Europe’. Vor allem im Marsilius-Kolleg wird die Grundintention deutlich: Mit interdisziplinärer Forschung wollen wir die Potenziale der Volluniversität realisieren – das Kolleg soll unter anderem entsprechende Projektanstöße geben."
In welche Richtung zielt die Allianz von ZMBH und DKFZ?
"Zellbiologie und Krebsforschung sollen gestärkt werden. Durch einige Vakanzen am ZMBH sind wir in der Lage, neue Kollegen zu berufen. Dies geschieht gemeinsam mit dem DKFZ. Diese Berufungen sind sowohl mit Mitteln aus der Exzellenzinitiative als auch der Helmholtzgemeinschaft ausgestattet, zu der das DKFZ gehört. Mit dieser Allianz wollen wir Spitzenforscher gewinnen. Durch Verknüpfung der Grundlagenforschung am DKFZ und an der Universität soll die große Strahlkraft der Heidelberger Lebenswissenschaften weiter erhöht werden."
Die starke Physik konnte ihren Cluster nicht zum Erfolg führen.
"In unserem Zukunftskonzept sind auch Mittel für die Physik enthalten, um hier hochkarätige Professuren auszustatten. Hinzu kommt jetzt der Neubau Physik II im Anschluss an das Kirchhoff-Institut. Auch sollen die Sparten stärker vernetzt werden; die Physik selbst hat Schwerpunkte definiert. Es gibt daneben aber weitere erfolgreiche Bereiche wie die Chemie, die europaweit mit an der Spitze steht, und nicht zuletzt die Geistes- und Sozialwissenschaften."
Der Rektor der Ruperto Carola, Prof. Bernhard Eitel. | Foto: privat |
Von den insgesamt 30 Millionen Euro, die aus der Exzellenzförderung pro Jahr nach Heidelberg fließen, entfallen auf das Zukunftskonzept etwa 13,5 Millionen. Wofür werden diese Gelder hauptsächlich ausgegeben?
"Die DKFZ-ZMBH-Allianz etwa ist mit rund 1,5 Millionen Euro jährlich ausgestattet. Ähnlich hoch liegen die Ausgaben für das Marsilius-Kolleg."
Ist es schwierig, in der gegenwärtigen Konkurrenzsituation Spitzenforscher für Heidelberg zu gewinnen?
"Der Wettbewerb treibt bei den Berufungen die Preise hoch. Und hier haben wir durch den gesetzlichen Vergaberahmen für die Gehälter eines unserer Hauptprobleme: Denn an anderen Forschungseinrichtungen können Top-Leute ein Mehrfaches verdienen."
Die jetzige Eliteförderung ist auf fünf Jahre begrenzt.
"Gedanklich rückt bereits die nächste Exzellenzrunde ins Blickfeld. Schon in drei Jahren wird wohl die neue Ausschreibung kommen, denn die erste Runde fand schon 2006 statt. Dann müssen unsere ersten Eliteprojekte wieder ins Rennen um die Verlängerung."
Der Universitätsratsvorsitzende Peter Bettermann hat von dem "Kernziel" gesprochen, in der globalen Liga der Universitäten weiter voranzurücken.
"Nach dem aktuellen Ranking in ,The Times Higher Education Supplement’ belegen wir Rang 60 in der Welt und Rang eins in Deutschland. Aber je weiter man nach vorn kommen will, desto dünner wird die Luft. Deshalb wollen wir unsere Leistungen durchgehend optimieren. Die Erfolge müssen allerdings auch wahrgenommen werden: So gehört das Klappern zum Geschäft. Derzeit verkaufen wir unser Niveau noch unter Wert. Wir müssen unsere exzellenten Leistungen auch gut vermarkten."
Was kann noch konkret getan werden?
"Um zur Spitze vorzustoßen, brauchen wir mehr Geld aber auch mehr Möglichkeiten: zum Beispiel mehr Gebäude. Hier sind wir in Heidelberg überall am äußersten Limit. Deshalb mahne ich dringend ein großes Universitätsbauprogramm an – von der Erneuerung der vorhandenen Substanz bis hin zu Neubauten. Die derzeitige Überlastung hat damit zu tun, dass wir fast schon zu gut sind: Denn es werden immer mehr Fördermittel eingeworben und dadurch mehr Personal eingestellt und neue Apparaturen aufgebaut."
Erst kürzlich wurde das Bioquant-Gebäude eröffnet.
"Aber dieses Haus ist schon ausgebucht. Derzeit entsteht der Neubau für die Chemie, und dann werden wir Physik II errichten – der Spatenstich erfolgt noch 2008. Aber beim Schwergewicht der Lebenswissenschaften tut sich momentan wenig. Auch die Geisteswissenschaften in der Altstadt platzen aus allen Nähten."
Würden mit einem Ausbau der Universität die Studierendenzahlen wachsen?
"An der gegenwärtigen Größenordnung von etwa 25 000 bis 27 000 Studierenden halten wir fest. Wir wollen nur dann größer werden, wenn die Kapazität durch zusätzliche Professuren mitwächst. Vor allem brauchen wir mehr Räume für die zunehmende Zahl der Mitarbeiter. Und wenn wir besser und forschungsintensiver werden sollen, brauchen wir auch weiteren Platz. Im Neuenheimer Feld wie auch in der Altstadt haben wir zudem vielfach akuten Sanierungsbedarf."
Wie sehen die Möglichkeiten im Neuenheimer Feld aus?
"Es gibt dort zwar noch Freiflächen, aber keine konkreten Planungen. Wir prüfen derzeit Baumaßnahmen für Mathematik und Informatik, zum anderen für die Lebenswissenschaften. Diese beiden Projekte würden sich jeweils auf etwa 50 bis 100 Millionen Euro belaufen. Dann halten wir neben dem angesprochenen Neubau Physik II Flächen für ein Gebäude Physik III vor, denn langfristig sollen die Institute vom Philosophenweg ins Neuenheimer Feld wechseln. Außerdem gibt es noch Ausbaupläne bei ZMBH und DKFZ im Bereich des derzeitigen Hubschrauberlandeplatzes."
Zuletzt zum Klinikum Mannheim: Ihr Amtsvorgänger Hommelhoff hat eine Aberkennung des Qualitätsmerkmals "Universitätsklinikum" in Erwägung gezogen.
"Gegenwärtig läuft ja ein vom Land in Auftrag gegebenes Gutachten. Wichtig ist vor allem, dass sich auch die Mannheimer Medizin-Kollegen künftig in den Entscheidungsprozessen ihres Klinikums repräsentiert sehen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die wissenschaftlichen Aspekte im klinischen Betrieb nicht genügend berücksichtigt werden. Im Gegensatz zu meinem Vorgänger halte ich grundsätzlich an der Medizinfakultät Mannheim fest. Die Kollegen gehören – wie auch jene des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit und der Technischen Informatik in Mannheim – zur Universität Heidelberg."
Heribert Vogt, Copyright Rhein-Neckar-Zeitung