„Die Gesamtuniversität hat die große Chance auf das Alleinstellungsmerkmal, im globalen Maßstab ‚area studies’ vorzunehmen“, sagt Prof. Detlef Junker. Junker ist Gründungsdirektor des 2003 gestarteten Heidelberg Center for American Studies (HCA) und seit dem vergangenen Jahr „distinguished senior professor“ der Ruperto Carola.
Im Hinblick auf solche interdisziplinären Untersuchungen von Regionen seien die Asienwissenschaften – auch durch den Elite-Cluster „Asia and Europe“ – in Heidelberg stark vertreten, und die Beziehungen nach Nordamerika würden ausgebaut. Wenn die Ruperto Carola noch in Südamerika und Osteuropa Flagge zeigt, ist Junker vom Erfolg überzeugt: „Ich wüsste von keiner anderen Universität in Deutschland, die dieses Spektrum hat.“Das HCA ist naturgemäß für die Beziehungen zu den USA zuständig. Und für den transatlantischen Dialog stehen in diesem Zentralinstitut der Universität alle Türen offen. So bilden unter den Studierenden die Amerikaner eine starke Gruppe, auch US-Gastwissenschaftler sind hier tätig. Und im Zuge des Baden-Württemberg-Seminars der American Academy in Berlin bringt das HCA 2008 etwa 20 multidisziplinäre Vorträge von Fellows dieser 1994 privat initiierten Einrichtung nicht nur nach Heidelberg sondern nach ganz Baden-Württemberg. Ein Glanzlicht wird die im Mai geplante Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Amerikaforschung sein, zu der 250 deutsche und internationale Wissenschaftler erwartet werden.
Aber auch in dem 2006 bezogenen Domizil, angesiedelt auf zwei Stockwerken des attraktiven Curt und Heidemarie Engelhorn Palais (Hauptstraße 120), stehen dem transatlantischen Dialog im direkten Sinn alle Türen offen. Rund ein Dutzend Räume kann das etwa zu zwei Dritteln aus privaten und öffentlichen Drittmitteln finanzierte HCA auf beiden Ebenen nutzen. Junker betont, dass "unser großer Förderer Curt Engelhorn" das Gebäude erworben und dann die beiden Etagen – edel renoviert und eingerichtet – "zunächst für zehn Jahre gratis zur Verfügung gestellt hat".
Jetzt sollen mit Engelhorns Hilfe sogar noch weitere Türen geöffnet werden. Denn für rund 1,5 Millionen Euro wird das HCA auf seiner Rückseite – nach Süden in Richtung Universitätsbibliothek – um einen Tagungstrakt erweitert. Angebaut wird zudem ein gläsernes Atrium, das durch einen Aufzug zu erreichen ist; und auch ein kleiner Dachgarten ist geplant. In diesem lichtvollen Ambiente geht der Blick dann auf einen grünen Innengarten mit einem schönen alten Pavillon.
Repräsentativ und mietfrei: die Bel Etage im Curt und Heidemarie Engelhorn Palais, dem Sitz des HCA. | Foto: HCA/Weinel |
Am wichtigsten sind Junker bei der Erweiterung allerdings der zweite große Konferenzraum und das Ziel, "ein interaktives Fernsehen zu den USA zu etablieren" – auf diese Weise kann etwa ein amerikanischer Professor interaktiv am HCA lehren. Junker: "So erhalten wir ein kleines Wissenschaftszentrum für die Geistes- und Sozialwissenschaften, das nur 50 Meter vom Universitätsplatz entfernt ist."
Der Gründungsdirektor hat sich das "innere Ziel" gesetzt, das HCA auf eine gewisse Größe zu bringen und auf Dauer zu etablieren. So strebt er einen Kapitalfonds an und möchte auch dahin kommen, dass sechs feste Vollwissenschaftler in Kooperation mit Amerikaforschern aus verschiedenen Fächern einen "Kompetenzkern mit ungefähr zwölf Mitgliedern" bilden.
Derzeit sind am HCA sechs Forscher mit zeitlicher Befristung tätig. In dieser Situation ist ein "Matching Fund" willkommen, bei dem Land, Universität und Private auf drei bis fünf Jahre insgesamt 450 000 Euro jährlich zur Verfügung stellen. Diese Mittel helfen, die drei Funktionen des HCA – Lehre, Forschung und Forum – zu stärken. Aber schon heute erhält das "Center for Advanced Studies" Bewerbungen aus aller Welt, neben den USA vor allem aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion wie Russland, Georgien oder Kirgisistan sowie besonders stark aus China.
5000 Euro Studiengebühren müssen die Teilnehmer am HCA-Zugpferd, dem englischsprachigen "Master of Arts in American Studies", in aller Regel schultern – nur wenige von ihnen erhalten ein Stipendium. An dem einjährigen Aufbaustudiengang, interdisziplinär getragen von zehn Fächern aus sechs Heidelberger Fakultäten, nehmen jeweils rund 20 ausgewählte Bewerber teil. Hinzu gekommen ist seit dem vergangenen Jahr das Promotionsprogramm "Ph.D. in American Studies", das auf ungefähr zehn Doktoranden ausgelegt ist.
Die Kompetenz des HCA erstreckt sich von der Welt der Wissenschaften bis hin zur Kommentierung der Tagespolitik. Im Hinblick auf Berlin als Sitz der Bundesregierung ist der Standort in Südwestdeutschland zunächst nicht besonders günstig, aber Junker zufolge wird dieser Nachteil in Heidelberg durch die ausgeprägte Interdisziplinarität wettgemacht. In der Hauptstadt hat Junker etwa einen "guten Draht" zu Karsten D. Voigt, dem Koordinator für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt. Eine weitere Tür zu den USA wird sicherlich mit dem derzeit entstehenden Verbindungsbüro der Universität Heidelberg im German House in New York aufgestoßen.
Und derartige Türen werden auch in Zukunft vonnöten sein. Denn unter Bundeskanzlerin Angela Merkel haben sich im Verhältnis zu den USA zwar die atmosphärischen Rahmenbedingungen verbessert, aber die großen Sachprobleme bleiben weiterhin ungelöst, wie insbesondere das Machtungleichgewicht zwischen den USA und der Europäischen Union, der eine gemeinsame Außenpolitik fehlt. Auch wenn die Demokraten im aktuellen US-Wahlkampf zu siegen und auf eine stärkere Zusammenarbeit mit Europa zu setzen scheinen, so bedeutet dies in erster Linie, dass von den Europäern ein stärkeres Engagement erwartet wird – etwa in Afghanistan.
In diesem globalen Szenario stellt Junker, der für einige Jahre Direktor am Deutschen Historischen Institut in Washington war, auch mit Blick auf die USA fest: "Die Universitäten und die Wissenschaften sind noch der Bereich, wo unabhängig von wahltaktischen Überlegungen systematisch nachgedacht werden kann." Zugleich verweist der Amerikahistoriker auf den dynamischen Wandel der Universität Heidelberg: "Wir sind in einem großen Umbruch, dem größten Umbruch seit Humboldt."
Heribert Vogt, Copyright Rhein-Neckar-Zeitung