Von Sakina Wagner
Es gab eine Zeit, in der es nach Einbruch der Dunkelheit so mancher Studentin auf dem Weg nach Hause in eines der Wohnheime im Neuenheimer Feld schon Angst und Bange werden konnte. Die Laternen beleuchteten schummrig den Weg. Und was tags noch vor herumeilenden Menschen nur so gewimmelt hatte, lag plötzlich wie ausgestorben da.
Groß war damals die Furcht vor dem Unbekannten hinter den Sträuchern und Ecken, der Frauen aus dem Dunkeln heraus beobachtete, um sich sein Opfer zu suchen – sein Vergewaltigungsopfer. In den Jahren 2000/2001 kam es im Neuenheimer Feld an einem Tag zu einer versuchten und einer Vergewaltigung, bei der es leider nicht bei dem Versuch blieb. Diese Zeiten sind gottlob vorbei, vielfältiger Anstrengungen sei Dank.Die Heidelberger Polizei bekam das Übel rasch in den Griff. "Damals wurden offene und verdeckte Streifen stark in die Höhe gefahren", erklärt Harald Kurzer, Pressesprecher der Polizeidirektion Heidelberg. Beamte des Reviers Nord und die Bereitschaftspolizei wurden fast hauptsächlich im Feld eingesetzt; und die Kriminalpolizei nahm im großen Rahmen verdeckte Ermittlungen vor.
Das wirkte: Zu sexuellen Übergriffen auf Frauen ist es seither im Neuenheimer Feld nicht mehr gekommen. Es wurde viel getan, um den Frauen die Angst zu nehmen und ihre Sicherheit zu gewährleisten.
Neben dem großen Polizeiaufgebot liegen die Gründe hierfür auch in den zahlreichen Kooperationsmaßnahmen mit anderen Stellen. So initiierte die Universität in Zusammenarbeit mit den Kliniken und dem Universitätsbauamt einen so genannten runden Tisch, um gemeinsam die Sicherheit der Frauen zu verbessern. "Die Kliniken veränderten ganz schnell die schlechte Beleuchtungssituation an den Wegen, und die Büsche wurden vom Unibauamt radikal zurückgeschnitten", macht Harald Kurzer deutlich. "Es ging darum, weniger dunkle Ecken zu schaffen."
"Außerdem wurden Selbsthilfegruppen gebildet", so der Polizeipressesprecher weiter: "Pflegerinnen und Pfleger der Kliniken sollten darauf achten, insbesondere bei Dunkelheit in größeren Gruppen gemeinsam zur Arbeit zu kommen und zu gehen. Und es sollte eine gute Parkplatzsituation geschaffen werden." Ein Ziel war auch, dass "jeder selbst etwas dazu beitragen soll", eine Verbesserung der Situation zu erreichen. "Das heißt, dass die Freundin sich jetzt direkt von ihrem Freund abholen ließ und er nicht wie sonst in seiner Wohnung auf sie wartete."
Überdies trafen Heidelberger Polizei und Stadtverwaltung eine Vereinbarung mit der HSB. "Die Studentinnen waren nicht mehr nur auf die INF-Bushaltestellen angewiesen sondern konnten ,Stopp!’ sagen, wenn sie direkt zehn Meter vor ihrer Haustür aussteigen wollten", führt Kurzer aus.
Das Neuenheimer Feld: Viel wurde getan, um dem früheren „Angstraum“ seinen Schrecken zu nehmen. | Foto: Uniklinikum Heidelberg |
Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Maßnahmen, die den Schutz der Frauen im Neuenheimer Feld sicherstellen sollen. So bietet die Universität Heidelberg unter der Telefonnummer 06221/545555 einen kostenlosen Begleitservice an. Studentinnen und weibliche Bedienstete können sich im Feld von Einbruch der Dunkelheit bis zwei Uhr nachts von einer Sicherheitskraft des Wachdienstes abholen und zum Parkplatz, zur Bushaltestelle oder zum Wohnheim bringen lassen. Auch die Kliniken halten abends und nachts einen kostenlosen Begleitservice für Bedienstete, Besucher und Studentinnen bereit. Frauen können direkt an den Pforten der Chirurgischen Klinik, der Kinderklinik, der Kopfklinik, der Inneren Medizin und des DKFZ nachfragen oder unter der Nummer 06221/566999 anrufen. Sie werden dann von einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes oder des Wachdienstes eskortiert.
Im Übrigen gibt es noch die Möglichkeit des Frauennachttaxischeins. Damit können Frauen, deren Hauptwohnsitz Heidelberg ist, nachts günstiger nach Hause fahren. Die Frauennachttaxischeine, die innerhalb der Stadtgrenzen zwischen 22 und 6 Uhr gültig sind, können bei den Bürgerämtern für sechs Euro erworben werden – sie gelten für alle Taxen, Rufnummer: 06221/302030.
"Mittlerweile hat sich die Situation im Neuenheimer Feld beruhigt", weiß Harald Kurzer. Damit das auch so bleibt, legen die Beamten von Revier Nord und Bereitschaftspolizei noch immer einen ihrer Einsatzschwerpunkte auf das Feld.
Dennoch sollte auch jede einzelne Frau etwas tun, um bei einem Angriff gewappnet zu sein. Die Heidelberger Polizei bietet dafür kostenlose "Selbstbehauptungskurse" an: Im Revier Mitte können sich Frauen unter der Telefonnummer 06221/9917100 erkundigen und anmelden. Das Revier Nord nimmt ebenfalls Anmeldungen entgegen und steht für Fragen unter der Rufnummer 06221/45690 bereit.
"Ich kann jeder Frau nur empfehlen, an einem solchen Kurs teilzunehmen", betont der Sprecher der Heidelberger Polizei. Die Kurse erstrecken sich über einen Zeitraum von zwei Tagen zu je drei Stunden. "Dort lernt man auch, dass sich Frauen oftmals – unbewusst – ,opfertypisch’ verhalten; dass man aber auch erlernen kann, sich eben nicht so zu verhalten", so Kurzer. "Frauen erwerben im Zuge der Selbstbehauptungskurse zudem die Fähigkeit, Übergriffssituationen besser einzuschätzen."
Und was sollte eine Frau beachten, die sich dem Angriff eines Mannes ausgesetzt sieht? "Ganz wichtig ist es, sofort Öffentlichkeit herzustellen und die Leute laut anzusprechen", rät Harald Kurzer. "Da sagt man zum Beispiel: ,Sie mit dem roten Pullover, helfen Sie mir, der Typ hier will mir ans Leder’". Kurzer weiter: "Man muss sich einem Gegner gegenüber aufbauen, laut und deutlich sprechen, das heißt sich wehrhaft, groß und stark zeigen. Und es muss ein Abstand zum Angreifer hergestellt werden, mindestens drei bis vier Meter. Laute und deutliche Anweisungen sollte man geben und vor allem keine Scheu davor haben zu agieren – aktiv zu sein, dem Gegenüber verbal laut zu zeigen, dass man die Situation im Griff hat."
Natürlich ist all das beileibe keine Garantie einem Angriff zu entgehen. "Denn bei sexuellen Übergriffen kann das Eine richtig und das Andere falsch sein", weiß auch Harald Kurzer. Doch laut einer polizeiinternen Studie "hat ein solches Verhalten gegenüber Angreifern – in den meisten Fällen jedenfalls – eine abschreckende Wirkung".