Von Stefan Zeeh
Jetzt am 27. März hat ein US-Berufungsgericht das Todesurteil gegen den Journalisten Mumia Abu-Jamal aufgehoben; die Verurteilung wegen Mordes hielten die Bundesrichter in Philadelphia aber aufrecht. Abu-Jamal, ein früheres Mitglied der radikalen „Black Panthers“, war 1982 wegen Polizistenmordes verurteilt worden – der inzwischen 53-Jährige beteuert seither seine Unschuld.
Und was hat das mit der Uni Heidelberg zu tun? Dr. Michael Schiffmann, Dozent am Anglistischen Seminar der Ruperto Carola, befasste sich nicht nur während seiner Dissertation mit dem Fall des in den USA zum Tode Verurteilten. Bei Recherchen zu einem Buch über Abu-Jamal stieß er auf Fotografien vom Tatort, die nicht mit der offiziellen Version des Tathergangs übereinstimmen.Es war Mitte der 90er Jahre, als Michael Schiffmann während seines Studiums das erste Mal mit dem Fall des in den USA zum Tode verurteilten Mumia Abu-Jamal konfrontiert wurde. Und irgendwie ließ ihn die Problematik nicht mehr los. Auch in seiner Dissertation beschäftigte sich Michael Schiffmann mit der Frage, warum der Fall Abu-Jamal weltweit so viel Aufmerksamkeit erregt. Abu-Jamal-Biograf Terry Bisson bezeichnete ihn als "einen der berühmtesten Gefangenen der Welt seit Nelson Mandela".
In den frühen Morgenstunden des 9. Dezember 1981 war der Polizist Daniel Faulkner im Zentrum von Philadelphia zunächst angeschossen und durch einen zweiten Schuss getötet worden. In unmittelbarer Nähe fanden die zum Tatort gerufenen Polizeibeamten den ebenfalls durch einen Schuss lebensgefährlich verletzten Mumia Abu-Jamal, einen bekannt radikalen Radiojournalisten. Er wurde festgenommen und im folgenden Jahr in einem Verfahren, das von der Staatsanwältin Arlene Fisk als einer der berühmtesten Mordprozesse in der Geschichte Philadelphias bezeichnet wurde, zum Tode verurteilt.
Dr. Michael Schiffmann, Dozent am Anglistischen Seminar der Ruperto Carola. | Foto: privat |
"Bei Abu-Jamal vereinen sich alle Punkte, welche die Todesstrafe so fragwürdig erscheinen lassen", fasst Michael Schiffmann das Ergebnis seiner 2004 angenommenen Doktorarbeit zusammen, auf der auch das von ihm verfasste Buch "Wettlauf gegen den Tod" beruht. Kurz vor Fertigstellung des Buches, genauer gesagt im Mai 2006, machte Schiffmann dann eine sensationelle Entdeckung: Bei Recherchen stieß er im Internet auf zwei bisher unbekannte Fotos des Mordfalls, welche zusammen mit weiteren Aufnahmen die Ermittlungen von vor mehr als 20 Jahren wenigstens zweifelhaft erscheinen lassen.
Die Fotos waren auf einer Internetseite erschienen, die Propaganda gegen Abu-Jamal machte. Michael Schiffmann konnte den Fotografen Pedro P. Polakoff III leicht ausfindig machen, denn dessen Name war auf den Aufnahmen verzeichnet. Er rief ihn an – und Polakoff erinnerte sich durchaus an den Fall. Er war damals als freier Fotograf unterwegs, der seine Bilder an Zeitungen verkaufte, und hörte im Autoradio von dem Mord. Bereits zehn bis zwölf Minuten nach der Tat, noch vor dem Eintreffen der Polizeibeamten von der Spurensicherung, war er vor Ort und machte insgesamt 26 Aufnahmen. Drei der Bilder erschienen in der Presse. Und Polakoff, der übrigens keinerlei Zweifel an der Täterschaft Abu-Jamals hegte, bot seine Fotos auch der Staatsanwaltschaft an, die diese aber nicht verwendete.
Jahrelang in der Todeszelle: Mumia Abu-Jamal. | Repro: privat |
"Die Fotos von Polakoff stimmen nicht mit der von der Staatsanwaltschaft beim Prozess vorgebrachten Version des Tathergangs überein", erläutert Michael Schiffmann die Bedeutung der Aufnahmen, die er auch den Verteidigern Abu-Jamals zur Verfügung stellte. Da ist beispielsweise die Polizeimütze des ermordeten Beamten Faulkner, die sich auf dem Dach des Fahrzeugs von Abu-Jamals Bruder befindet, auf den offiziellen Polizeifotos aber auf dem Bürgersteig neben der Beifahrertür des Wagens liegt. Oder die Bilder, die zeigen, dass der Polizeibeamte James Forbes die beiden sichergestellten Waffen, darunter die angebliche Tatwaffe, in der bloßen Hand hält und somit Spuren verwischt.
"Ich bin der Ansicht, dass Mumia Abu-Jamal freigelassen werden muss", betont Michael Schiffmann nicht nur aufgrund der neuen Beweise. Unterdessen ist der Fall auch Thema des Dokumentarfilms "In Prison My Whole Life", der jüngst beim berühmten Sundance-Filmfestival gezeigt wurde und für den Schiffmann als Berater fungierte.