Die lange Zeit diskutierte Föderalismusreform brachte das Thema – gerade auch an den Hochschulen – wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein. Dabei wurde aber ebenfalls deutlich, dass es sich bei diesem Phänomen nicht um ein starres sondern mitunter sehr dynamisches Prinzip der Gewaltenteilung handelt, das sich in der gesamten westlichen Welt äußerst unterschiedlich präsentiert.
Der renommierte Emeritus der Ruperto Carola Klaus von Beyme zog nun eine Bilanz der föderalen demokratischen Systeme der westlichen Welt – Titel: „Föderalismus und regionales Bewusstsein. Ein internationaler Vergleich“. Unser politisches System unter die Lupe nimmt auch der Heidelberger Politologe Manfred G. Schmidt in seinem neu erschienenen Werk „Das politische System Deutschlands. Institutionen – Willensbildung – Politikfelder“.Dass sein 250 Seiten umfassendes Werk "Föderalismus und regionales Bewusstsein. Ein internationaler Vergleich" nicht unbedingt eine leichte Lesekost darstellt, wird bereits im Titel deutlich. Es richtet sich folglich vor allem an das Fachpublikum sowie interessierte Laien, die jedoch durchaus über ein gewisses Grundwissen im Bereich der politischen Strukturen verfügen sollten. Gleichwohl wäre es verfehlt, von einem trockenen Fachbuch zu sprechen, gelingt es Beyme doch, beim Leser immer wieder für ein Schmunzeln zu sorgen, wie das Beispiel des Nationenbegriffs beweist: "Wenn man nach einer spöttischen Definition (…) davon ausgeht, dass eine Nation darstellt, wer eine Fußball-Nationalmannschaft in internationale Kämpfe führen kann, dann sind Schottland und Wales eigene Nationen – Bayern hingegen nicht, auch wenn der Verein ‚Bayern München’ sich manchmal wie die deutsche Nationalmannschaft aufspielt."
"Die Schwächen des politischen Systems in Deutschland müssen allerdings mit seinen Erfolgen verrechnet werden"
Der am Institut für Politische Wissenschaft der Ruperto Carola lehrende Wissenschaftler bemühte sich um eine möglichst umfassende Darstellung – die auch durch ein Forschungssemester unterstützt wurde. Dabei begnügt sich der Autor glücklicherweise nicht nur mit einer theoretischen Analyse der Strukturen sondern bewertet auch den politischen Alltag seit der Gründung der Bundesrepublik. Sehr genau geht Schmidt auf die Leistungen und Mängel ein, bilanziert Erfolge wie Misserfolge und erklärt dem Leser somit nicht nur die Licht- und Schattenseiten sondern auch die zahlreichen Grautöne dazwischen. Die Klassifizierung der Personen – vom autoritär denkenden Adenauer über den Steuermann Schmidt bis zur "cool" und überlegt agierenden Angela Merkel – beschert ein beinahe pointiertes Lesevergnügen.
Schlussendlich zieht Schmidt ein differenziertes Fazit: "Die Schwächen des politischen Systems in Deutschland müssen allerdings mit seinen Erfolgen verrechnet werden", meint er, auch wenn er die These der "Erfolgsgeschichte" nicht rückhaltlos unterstützt. Stattdessen gibt er den einzelnen Bereichen des Systems Schulnoten, die von einer "mangelhaft" schwankenden politischen Steuerung bis zu einer "sehr guten" Machtaufteilung und Machtfesselung reichen.
So ist denn das Buch "Das politische System Deutschlands. Institutionen – Willensbildung – Politikfelder" mehr als nur ein Wegweiser durch das politische System der Bundesrepublik zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Dabei richtet es sich nicht nur an das Fachpublikum sondern auch an all jene, die lieber etwas über unsere Demokratie wissen möchten als nur über sie herzuziehen.
Heiko P. Wacker, Copyright Rhein-Neckar-Zeitung