Von Stefan Zeeh
Die im Herbst 2007 bei der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder ausgezeichnete Graduiertenschule „Mathematical and Computational Methods for the Science“ spiegelt auch das Zukunftskonzept der Heidelberger Universität, das auf einem interdisziplinären Dialog – national wie international – über traditionelle Fächergrenzen hinweg beruht.
„Wir wollen neben den klassischen Anwendungsfeldern des Wissenschaftlichen Rechnens wie Chemie und Physik neue Gebiete erschließen“, erklärt Prof. Hans Georg Bock vom Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR), Sprecher der Graduiertenschule.Dabei liegen die Anfänge der Zusammenarbeit von Mathematikern und Informatikern mit Wissenschaftlern anderer Fächer in Heidelberg etwas mehr als 20 Jahre zurück. 1987 nämlich wurde das IWR als eine zentrale Einrichtung der Universität gegründet mit dem Ziel, die Aktivitäten in der Forschung mit spezieller Ausrichtung auf das Wissenschaftliche Rechnen zu bündeln.
Dahinter stand die Idee der interdisziplinären Kooperation von Fachleuten aus Naturwissenschaft und Technik in Bezug auf Modellierung, Simulation und experimenteller Verifikation von verschiedensten wissenschaftlichen Problemen. Anfangs betrafen die Arbeiten des IWR fast ausschließlich Fragestellungen aus den klassischen naturwissenschaftlichen Fächern wie Physik und Chemie, doch schon bald ergaben sich zahlreiche Verknüpfungen zu anderen Disziplinen. Speziell in Kooperation mit den Geisteswissenschaften hat das Wissenschaftliche Rechnen in den letzten Jahren vollkommen neue Aufgabenfelder erschlossen.
"Es gibt beispielsweise ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Kunstgeschichte", gibt Hans Georg Bock (Foto: privat) einen Einblick in derart ungewöhnlich scheinende Kooperationen. Bei diesem Projekt handelt es sich um die Rekonstruktion mittelalterlicher Fresken, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Von diesen Fresken sind nur noch etwa 20 Prozent in Form kleiner Bruchstücke vorhanden. Dazu gibt es alte Schwarz-Weiß-Fotos der Kunstwerke. Mithilfe mathematischer Methoden gelingt die Zuordnung der Bruchstücke zu den Bildern nun wesentlich schneller und effektiver; und zusätzlich wird eine farbliche Rekonstruktion der Fresken möglich.
Eine andere Anwendungsmöglichkeit mathematischer Methoden in geisteswissenschaftlichen Disziplinen zeigt sich etwa an der Rekonstruktion historischer Gebäude wie etwa der Tempel im kambodschanischen Angkor oder von römischen Amphitheatern. "Die Amphitheater waren früher mit großen Tüchern versehen, um den Zuschauern Schatten zu spenden", weiß Hans Georg Bock. Welche Form aber diese segelartigen Tücher hatten und wo sie genau angebracht waren, dass lässt sich mit mathematischen Methoden herausfinden.
Mathematische Methoden spielen auch längst im Bereich der Lebenswissenschaften eine wichtige Rolle. "Aus dem Vergleich der Simulation des menschlichen Ganges mit dem eines Patienten lassen sich Fehlstellungen im Gangapparat erkennen", schildert Mathematiker Bock ein anderes Forschungsprojekt. Bei der Erkennung von Tumoren kann eine entsprechende Bildverarbeitung ebenso hilfreich sein; und die Simulation der Dynamik von Blutströmungen kommt zum Einsatz bei bestimmten Operationstechniken wie beispielsweise der künstlichen Verbindung von Arterien.
"Viele Methoden des Wissenschaftlichen Rechnens sind erst in den vergangenen zehn Jahren entstanden, und so wissen oft Mathematiker und Wissenschaftler anderer Forschungsrichtungen nichts von deren Anwendungsmöglichkeiten", zeigt Hans Georg Bock eine gewisse Problematik in der Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen auf. Diese Wissenslücke zu schließen wird auch eine Aufgabe der neu gegründeten Graduiertenschule "Mathematical and Computational Methods for the Science" sein.
In dieser werden 150 Doktoranden, von denen 15 aus den Geldern der Graduiertenschule finanziert werden, durch ein spezielles auf ihr Projekt ausgerichtetes Ausbildungsprogramm geschult. Denn die Fragestellungen der unterschiedlichen Projekte sind äußerst anspruchsvoll und verlangen von dem jeweiligen Kandidaten Kenntnisse in Mathematik sowie in dem Fach, aus dem die zu bearbeitende Problematik stammt. So können die Doktoranden in der Graduiertenschule Kenntnisse aus dem entsprechenden Nachbargebiet erwerben, die ihnen bisher fehlten. Hinzu kommt eine intensive Betreuung durch jeweils zwei Professoren und zwei Mentoren. Zusätzlich werden drei Nachwuchsgruppen an der Graduiertenschule neu geschaffen, von denen eine von der BASF finanziert wird.
Wichtig ist Hans Georg Bock ebenso die internationale Ausrichtung der Graduiertenschule. Das bedeutet nicht nur, dass die Doktoranden aus den unterschiedlichsten Ländern kommen, sondern auch eine enge Zusammenarbeit mit international renommierten Universitäten wie Stanford, Princeton, Oxford, Cambridge oder Zürich.
Es sind aber nicht nur die renommierten Hochschulen, die mit der Graduiertenschule kooperieren werden, sondern auch Universitäten in der Dritten Welt. So unterhält Hans Georg Bock seit längerer Zeit Kontakte zu Universitäten in Kambodscha und Vietnam; und auch die dortigen Studierenden werden von der internationalen Ausrichtung der Graduiertenschule profitieren.
Kontakt:
Prof. Hans Georg Bock
Interdisziplinäres Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR)
Im Neuenheimer Feld 368, 69120 Heidelberg
Tel. 06221/548237
E-Mail: bock@iwr.uni-heidelberg.de