Eine kleine Weltreise zu den internationalen Verbindungen der Universität Heidelberg: „Durch unsere Erfolge in der Exzellenzinitiative sehe ich stark gestiegene Chancen für eine noch bessere Positionierung auf internationaler Ebene“, sagt Prof. Vera Nünning, Prorektorin für Internationale Beziehungen, im nachfolgenden Interview, das die Ruperto Carola im besten Sinne als Global Player zeigt, der auf allen Kontinenten aktiv ist.
Frau Prof. Nünning, wie wirkt sich der Elite-Status der Universität Heidelberg auf die internationalen Beziehungen aus?"Im Ausland ist ein sehr großes Interesse am Ergebnis der Exzellenzinitiative zu spüren. Und obwohl Heidelberg schon gut positioniert war, ist die Kooperationsbereitschaft noch einmal angestiegen."
In New York wird gerade ein Verbindungsbüro der Ruperto Carola etabliert.
"Das Büro im German House in New York ist vorhanden; gerade finden Auswahlgespräche für die Besetzung der dortigen Geschäftsleitung statt. Auch infolge des Exzellenzerfolgs sind wir hier auf eine große Resonanz gestoßen: Sämtliche Bewerber aus den USA wussten über den Status der Universität Bescheid. Außerdem haben wir eine gemeinnützige Gesellschaft ,Friends of Heidelberg University’ gegründet, die es uns erlaubt, Spendengelder aus den USA einzunehmen."
Welche Aufgaben hat das neue Büro?
"Für uns ist es ein Tor nach Nordamerika. Zunächst soll das Büro bei Unterstützung und Aufbau von Kooperationen behilflich sein. Auch sollen dort Studierende und Doktoranden über Heidelberg informiert und ihr Interesse an einem Studium oder an Forschungsprojekten geweckt werden. Denn wir wollen die besten Studierenden und Forscher an den Neckar holen. Zu dieser Marketing-Funktion kommt eine Mitarbeit beim Netzwerk der Alumni – unserer Ehemaligen – hinzu. Im Oktober werden wir den ersten amerikanischen Alumni-Club gründen: In den USA gibt es rund 5700 Heidelberger Alumni. Schließlich soll das Büro in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft möglichst auch Sponsorengelder erschließen."
Wie sehen die bisherigen Verbindungen in die USA aus?
"Es gibt Kooperationen Heidelberger Wissenschaftler mit mehr als 100 Institutionen in den USA – davon allein 15 mit Harvard und neun mit Berkeley. Dazu kommen Austauschprogramme für Studierende mit mehr als 60 Hochschulen."
In Südamerika wurde schon 2002 das Heidelberg Center Lateinamerika in Santiago de Chile gegründet. Und im vergangenen Jahr hat die Ruperto Carola dort ein größeres Domizil angekauft.
"Wir hören von allen Seiten, dass diese Dependance eine Erfolgsgeschichte darstellt. Beteiligt ist auch das Land Baden-Württemberg, das die Einrichtung mitbenutzt, um die Beziehungen nach Südamerika zu pflegen. In Santiago ist eine wissenschaftliche Plattform gelungen, die auch in die Nachbarländer ausstrahlt. Mittlerweile kommen die Teilnehmer an den kostenpflichtigen Studiengängen aus ganz Lateinamerika; und auch die kooperierenden Universitäten stammen aus mehreren lateinamerikanischen Staaten."
Das Center bietet vor allem Programme aus dem medizinischen und juristischen Spektrum an.
"Damit orientieren wir uns am Bedarf in diesen Ländern mit ihren teilweise boomenden Industrien. Und gerade an den beiden genannten Bereichen ist das Interesse sehr groß. Aber es besteht die Möglichkeit, auch Politische Wissenschaften oder Kultur- und Geisteswissenschaften anzubieten."
In China gibt es gleich eine ganze Reihe von Partnerschaften.
"Diese Beziehungen sind in den letzten Jahren deutlich intensiviert worden. Wichtig sind die Nankai University, die Tsinghua University und das Tongji Medical College in Wuhan. Mit Letzterem kooperieren wir nun schon seit hundert Jahren – es ist eine der ältesten deutschen Wissenschaftsbeziehungen mit China überhaupt. Dann arbeiten wir produktiv mit den besten chinesischen Fremdsprachenuniversitäten in Shanghai und in Peking zusammen. Die Lebens- und Naturwissenschaften spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Langfristig planen wir auch in China ein Verbindungsbüro, aber gegenwärtig sind wir durch das Sino-German Center der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Peking sehr gut vertreten."
Spielt die aktuelle politische Lage in China eine Rolle?
"Bei den intensiven Kontakten, die die Universität Heidelberg zu den Partneruniversitäten unterhält, spüren wir keine Beeinträchtigung durch die derzeitigen Schlagzeilen. Und wir versuchen alles zu tun, um auch in unseren Kooperationen Freiheit von Forschung und Lehre zu gewährleisten. Das ist nicht immer einfach, aber gelingt doch ganz gut. Außerdem haben wir in jüngster Zeit Beziehungen zu Taiwan aufgebaut."
In einem ruhigeren Fahrwasser ist die Partnerschaft mit Montpellier, die schon seit mehr als 40 Jahren besteht.
"Diese Partnerschaft ist besonders lebendig – Wissenschaftler beider Seiten treffen sich in regelmäßigem Turnus abwechselnd in Montpellier und Heidelberg. Dabei werden auch neue Forschungsprojekte geplant. Auch das Heidelberg-Haus in Montpellier nimmt ein sehr breites Spektrum von Aufgaben wahr."
Dann ist Osteuropa für die Ruperto Carola wichtig. In Budapest existieren Partnerschaften zur Eötvös-Lorand- und zur Semmelweis-Universität sowie eine Beteiligung an der deutschsprachigen Andrassy-Universität, an welcher der Heidelberger Rechtswissenschaftler Ulrich Hufeld Prorektor ist.
"Unsere Beziehung zur Andrassy-Universität wird von den Rechtswissenschaften getragen. Die Ruperto Carola ist dort neben anderen Partnern beteiligt. Das Verhältnis zu den Budapester Universitäten ist auf einem guten Wege. Generell sind uns die Partnerschaften mit Universitäten im Osten sehr wichtig: Wir schauen eben nicht wie viele englische und amerikanische Universitäten nur darauf, wer in Top-Rankings vertreten ist und wie man selbst profitieren kann. Denn wir haben auch eine gesellschaftliche und wissenschaftliche Verantwortung gegenüber Universitäten, die nicht in der gleichen Liga spielen wie wir. Dennoch ergeben sich hier häufig interessante Forschungskooperationen."
Es gibt eine Reihe weiterer osteuropäischer Kooperationen.
"Die schon älteren Verbindungen nach Polen zeigen den Forschungswert solcher gewachsener Beziehungen. Mit der Universität Warschau gibt es ein gemeinsames Graduiertenkolleg auf dem Gebiet des Wissenschaftlichen Rechnens, ein weiteres in den Rechtswissenschaften mit unserer Partneruniversität in Krakau. In Prag und St. Petersburg werden auch starke geisteswissenschaftliche Kooperationen betrieben. Im kommenden Mai findet in St. Petersburg wieder ein interdisziplinäres Symposium mit Heidelberger Wissenschaftlern aus ganz verschiedenen Bereichen statt. Schon 2005 wurde dort ein Zentrum für deutschsprachige Kultur eingerichtet. Auch nach Prag unterhalten wir vielfältige Beziehungen."
Über China hinaus scheint ganz Asien besonders wichtig zu sein. Es gibt etwa das Heidelberger Südasien-Institut (SAI) mit seinen Außenstellen in Indien (Neu-Delhi), Nepal (Kathmandu) und Sri Lanka (Colombo) und jetzt auch den Exzellenz-Cluster "Asia and Europe".
"In dieser Hinsicht ist Heidelberg mit seinen verschiedenen Disziplinen wie beispielsweise Sinologie – aber auch etwa der Kunstgeschichte – und ausgezeichneten Professoren ein wichtiger Standort in Deutschland. Das Südasien-Institut wurde gerade wieder positiv evaluiert. Es ist uns gelungen, wichtige Wissenschaftler dafür zu gewinnen, teilweise sogar aus Universitäten wie Harvard. Natürlich ist das SAI stark in den Exzellenz-Cluster involviert und die angesprochenen Außenstellen des SAI werden durch den Cluster eine neue Bedeutung erfahren."
Auch mit Israel pflegt die Ruperto Carola lebhaften Austausch.
"In Israel haben wir zu acht Universitäten sehr gute und breit gestreute Kontakte. Zur 60. Wiederkehr der Gründung Israels in diesem Jahr engagieren wir uns stark. Gerade hatten wir in Heidelberg die 11. Deutsch-Israelische Administratoren-Konferenz. Und im Juli wird es hier unter Beteiligung des Deutschen Krebsforschungszentrums, der Hochschule für Jüdische Studien und der Stadt Heidelberg eine große Veranstaltung geben, zu der auch hochrangige Gäste aus Berlin erwartet werden."
Weniger stark sind die Beziehungen nach Afrika und Australien/Ozeanien ausgeprägt.
"Es gibt einige Projekte in Afrika, so etwa durch unsere Botanik in Madagaskar. In der Medizin ist die Malariaforschung zu nennen, damit auch das ,Centre de Recherche en Santé de Nouna’ in Burkina Faso. Zudem führt die Geographie in Afrika Vorhaben durch. In Papua-Neuguinea ist unsere Ethnologie aktiv; und in Australien gibt es acht ausgezeichnete Universitäten."
In Europa ist die Ruperto Carola Mitglied der "League of European Research Universities".
"Diese 2003 gegründete Vereinigung von führenden Forschungsuniversitäten zählt inzwischen 20 Mitglieder. Eine Evaluation hat gerade bestätigt, dass die LERU eine wichtige Rolle in der europäischen Wissenschaftspolitik spielt. Die Rektoren der beteiligten Universitäten beraten zweimal jährlich die Fragen, die auch in Brüssel aktuell sind. Im Mittelpunkt steht die Stärkung der Grundlagenforschung an den europäischen Volluniversitäten."
Auch der hohe Ausländeranteil unter den Heidelberger Studierenden und Doktoranden sowie die große Zahl von Gastwissenschaftlern unterstreichen die Internationalität der Ruperto Carola.
"Darin zeigt sich, dass Heidelberg vor allem als Forschungsuniversität wahrgenommen wird. Bei den Studierenden – mit rund 20 Prozent Ausländeranteil – wie den Doktoranden – hier sind es 35 Prozent – befinden wir uns auch im nationalen Vergleich in einer führenden Position; der durchschnittliche Ausländeranteil bei Studierenden liegt an deutschen Universitäten bei gut neun Prozent. Ähnliche Verhältnisse finden sich hinsichtlich der Heidelberger Gastwissenschaftler. Und deshalb werden auch unsere englischsprachigen Studienangebote weiter zunehmen."
Welche Perspektiven sehen Sie für die internationale Universität Heidelberg?
"Durch unsere Erfolge in der Exzellenzinitiative sehe ich stark gestiegene Chancen für eine noch bessere Positionierung auf internationaler Ebene. Die zusätzlichen Mittel eröffnen uns die Möglichkeit, internationale Ausschreibungen durchzuführen und die besten Forscher aus allen Kontinenten auszuwählen – und damit die Zukunftsträchtigkeit der Ruperto Carola weiter zu steigern."
Heribert Vogt, Copyright Rhein-Neckar-Zeitung