Kaum dass die Tour de France beendet war, die manchen Pedalisten nicht nur viel Schweiß sondern auch viel Blut fürs -doping gekostet hat, steht das Thema mit der Olympiade erneut auf der Tagesordnung. An der Universität Heidelberg nahm sich in diesem Sommersemester eine Ringvorlesung des Medikamentenmissbrauchs im Sport an.
Mit dem Vortrag von Prof. Wolfgang Knörzer (PH Heidelberg) ging die Veranstaltungsreihe von Universität und Pädagogischer Hochschule jetzt zu Ende. Der Anspruch der Vorlesungsreihe erstreckte sich auf die historische und soziologische Bearbeitung des Dopingthemas aus interdisziplinärer, sozialwissenschaftlicher Sicht als Grundlage für die Förderung von Dopingprävention im Sport.Im Verlauf des Semesters kristallisierten sich in der durch Prof. Rüdiger Heim (Universität Heidelberg) und Prof. Gerhard Treutlein (Pädagogische Hochschule Heidelberg) geleiteten Veranstaltung durch die Beiträge von Hölz (NADA), Franke (DKFZ Heidelberg), Bette (TU Darmstadt), Rössner (Universität Marburg), Lehner (Heidelberg), Digel (Universität Tübingen), Geipel (FH Berlin), Ludwig („Der Spiegel“) und Pabst (PWC) folgende Grundzüge heraus:
Moderne Präventionsansätze fordern das Zusammenspiel aller mit dem Leistungssport befassten Ebenen (Bette, Knörzer, Treutlein). Das Ansetzen nur am Individuum ist kaum Erfolg versprechend (Bette). Eine alle Ebenen umfassende Verhältnisprävention – Sportlerumfeld, Verein, Verband, Sportpolitik, internationale Gremien wie IOC, UNESCO oder UN – wird leichter möglich, wenn entsprechende gesetzliche Regelungen und internationale Vereinbarungen (Rössner, Lehner, Digel) vorliegen.
Letztlich entscheidend sind aber der politische und sportpolitische Wille, sauberen Leistungssport als Kulturgut zu erhalten und ihn vor Selbstzerstörungstendenzen zu schützen (Bette, Digel). Es geht um die Frage, wie viel Optimierungswahn und übertriebene Erfolgsorientierung die Gesellschaft (Geipel) aushält und ob man die Qualität einer Gesellschaft über Medaillen und Rekorde nachweisen kann, wie es in der DDR versucht wurde.
Wegen bisher nur geringer finanzieller, personeller und struktureller Voraussetzungen und wenig entwickeltem Problembewusstsein erfordert das Angehen der Prävention von Medikamentenmissbrauch und Doping erheblichen Mut und Risikobereitschaft. Hoffnung kann nur aus dem Bild des Zusammensetzens eines Mosaiks und im Bewusstsein des Mythos des Sisyphos bestehen. Nahziel sind Maßnahmen wie die Kampagne der Nationalen Antidoping-Agentur (NADA) bei den Eliteschulen des Sports wie die Produktion von Präventionsmaterialien und die Zusammenarbeit der deutschen Sportjugend (dsj) mit Partnern. Das Fernziel sollte in einer kompetenzorientierten Gesundheitsförderung bestehen (Knörzer, Amler, Bernatzky).
Im Sinne moderner Präventionsansätze muss Doping als Teilthema wesentlich weitergehender Themen wie Medikamentenmissbauch und Alltagsdoping verstanden werden. Prävention kann sowohl eine Krankheit vermeiden – Doping als Krankheit des Spitzensports – als auch die Gesundheit stärken wollen. Bei der ersten Ausrichtung stehen Aufklärung, Abschreckung und Repression im Mittelpunkt, bei der zweiten die Entwicklung von Lebenskompetenzen. Beide Ausrichtungen sollten miteinander kombiniert werden. Zunächst sollte die Entwicklung von Lebenskompetenzen im Mittelpunkt stehen; mit fortschreitender Leistungssportkarriere sollten dann Aufklärung, Abschreckung und Repression hinzu kommen. Eine unterstützende Rolle können Staat, Medien, Sponsoren und Zuschauer spielen, indem sie Erwartungen an einen sauberen Sport deutlich formulieren und Erwartungsdruck aufbauen.
Da die Schule Kinder und Jugendliche am umfassendsten erreicht, sollten Gesundheitsförderung und auch die Prävention von Medikamentenmissbrauch und Doping in den Kanon der Schule und damit auch in das Lehramtsstudium ebenso wie in die Übungsleiter- und Traineraus- und Weiterbildung gehören (Knörzer). Denn nur so besteht die Chance, alle Bereiche von Alltagsdoping, Medikamentenmissbrauch und Doping umfassend abzudecken.
Kontakt:
Prof. Dr. Gerhard Treutlein
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