Von Daniel Hund
Das Herz pocht, schneller und schneller. Versagensangst macht sich breit. Einen Elfmeter zu schießen ist definitiv nicht jedermanns Sache. Vor allem in einem rappelvollen Stadion, in dem sich die Masse grölend Luft verschafft, schlottern auch manchem erfahrenen Fußballer gehörig die Knie, wie die vergangene Endrunde der Europameisterschaft einmal mehr gezeigt hat. Das Tor scheint plötzlich immer kleiner.
In solchen Fällen ist mentale Stärke das A und O. Doch lässt sich diese „Glückslotterie“, wie die Entscheidung vom Punkt gerne genannt wird, tatsächlich trainieren? Gute Frage! Dies dachten sich auch Dr. Daniel Memmert, Dr. Christian Unkelbach und Prof. Henning Plessner von der Universität Heidelberg. Das Trio ging dem Phänomen Elfmeterschießen auf die Spur und förderte überraschende Ergebnisse zu Tage.20 Fußballer – mittlerer Spielstärke – dienten als Versuchsobjekte. Sportwissenschaftler Memmert: „Unsere Ausgangsfrage war: Wie kann man es schaffen, dass man beim Elfmeterschießen besser wird?“ Das Zauberwort heißt Motivation und zwar in verbaler Form. Klare Anweisungen sollten die Trefferquote erhöhen. Abgedroschene Phrasen wie „triff mal“ oder „streng Dich mal an“ waren tabu.
Nicht jeder Mensch lässt sich indes in gleicher Weise motivieren. In der Forschung werden diesbezüglich zwei Menschentypen unterschieden: die einen, die eher die Hoffnung haben etwas zu erreichen (Promotion-Typen), und die anderen, die es als ihre Pflicht ansehen eine Aufgabe zu lösen (Prevention-Typen).
Dieser Theorie folgend wurde zehn Spielern mitgeteilt, dass sie die Hoffnung haben sollen drei Mal zu treffen, den anderen, dass sie die Pflicht hätten nur zwei zu verschießen. Zwei Ansätze – ein Ziel: Der Ball soll mindestens drei Mal im Netz zappeln. Letztlich wurde jeder Fußballer mit beiden Vorgaben konfrontiert. Und die Moral von der Geschicht’: Wenn die Persönlichkeit und die motivationale Anweisung zusammen passen, wirkt sich dies positiv auf die Trefferquote aus. „Man muss die Leute eben genau so ansprechen, wie sie ticken, dann erzielt man einen motivationalen Fit“, betont Memmert (Foto: privat).
Eine weitere Erkenntnis: Der pflichtgesteuerte Fußballer ist für den Nervenkitzel am Elfmeterpunkt geeigneter; wenn er dann noch passend motiviert wird, lässt sich das Ganze weiter optimieren. Überraschend ist dies kaum: „Prevention-Leute sind besser im Ausführen von analytischen Aufgaben – das ist wissenschaftlich belegt“, weiß Memmert.
Folglich scheint England eine Insel der Hoffenden zu sein. Denn dort hat man definitiv die Elfer-Seuche. Aus Sicht von Memmert existieren dafür zwei mögliche Ursachen. Zum einen könnten die Trainer kein motivationales Fingerspitzengefühl haben oder es tummeln sich im Königreich tatsächlich zu viele Promotion-Fußballer. „Dies könnte man durch gezielte Fragebögen ganz schnell herausbekommen“, erklärt er. Doch sind wir mal ehrlich: Muss den EM-Verpassern in Zukunft wirklich geholfen werden?
Spaß beiseite: Wer nun meint, die Untersuchung der drei Heidelberger Wissenschaftler wäre an den Haaren herbeigezogen, der befindet sich auf dem Holzweg. Der Forschungsbericht wird in einer der weltweit bedeutsamsten sportwissenschaftlichen Fachzeitschriften („Psychology of Sport & Exercise“) veröffentlicht.
Daniel Memmert ist in der Fußballszene ohnehin kein Unbekannter. Er schreibt Fußball-Bücher („Optimales Taktiktraining im Leistungsfußball“). Und auch 1899 Hoffenheim beansprucht seine Dienste: Für den frisch gekürten Erstligisten hat er in der letzten Spielzeit statistische Scouting-Analysen angefertigt.