„Die Astronomie ist eine Wissenschaft, mit der jeder Mensch etwas anfangen kann“, meint der Heidelberger Astronom Prof. Joachim Wambsganß, wenn man ihn nach der Faszination seines Berufs fragt. „Wir sehen hoch zu den Sternen und fragen uns: Wo kommen wir her? Wie sieht die Zukunft aus?“ Das große öffentliche Interesse an den aktuellen Weltraummissionen, an der Reparatur des „Hubble“-Teleskops und dem Start von „Herschel“ und „Planck“, unterstreicht das.
„Die Welt im Großen ist nicht starr und unbelebt, sie macht eine starke Entwicklung durch“, betont Dr. Jakob Staude, der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit am Max-Planck-Institut für Astronomie auf dem Heidelberger Königstuhl. Er findet es spannend zu sehen, wie die Astronomen immer mehr Bilder aus der Biologie benutzen, wie sie von Tod und Geburt von Sternen, von Entwicklung und Population sprechen.Heidelberg ist, bezogen auf die Einwohnerzahl, die Hauptstadt der Astronomie in Deutschland. Forschung findet in den Max-Planck-Instituten für Astronomie (MPIA) und Kernphysik (MPIK) sowie am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) statt. Seine Kompetenz unterstreicht der Standort mit zahlreichen Veranstaltungen zum „Jahr der Astronomie“. Bereits das „Studium Generale“ im vergangenen Wintersemester befasste sich mit Galileis Blick durchs Fernrohr und den Folgen heute.
Joachim Wambsganß, Geschäftsführender Direktor des ZAH, verweist auf die revolutionären technologischen Entwicklungen, die es möglich gemacht haben, heute extrem große Teleskop-Spiegel zu bauen. So wurden mit dem „Very Large Telescope“ (VLT) in Chile vor zehn Jahren vier über acht Meter große Spiegel in Betrieb genommen – die europäische Astronomie war damit wieder führend in der Welt geworden. Eine dort betriebene hochauflösende Infrarotkamera und ein interferometrisches Messgerät, das beispielsweise die turbulente Umgebung massereicher Schwarzer Löcher in den Zentren ferner Galaxien untersucht, stammen aus dem MPIA. Am Bau des „Large Binocular Telescope“ (LBT), das in Arizona in den Vereinigten Staaten entsteht, sind sowohl die Universität als auch das Max-Planck-Institut beteiligt. Es wird voraussichtlich zehn Jahre lang das größte Einzelteleskop der Welt bleiben. „Heidelberg ist hier an vorderster wissenschaftlicher Front“, meint Prof. Wambsganß.
Prof. Joachim Wambsganß: „Heidelberg ist hier an vorderster wissenschaftlicher Front.“ | Foto: Hentschel |
Die Verzahnung von Forschung und Technik ist im Max-Planck-Institut für Astronomie beheimatet. Dort stellen die Wissenschaftler den Technikern Aufgaben, die eigentlich nicht zu lösen sind, wie Dr. Jakob Staude berichtet. „Die sagen dann erst mal, das geht nicht, das hat es noch nie gegeben.“ Aber dann legt die High-Tech-Industrie los. So entwickelten etwa die Glaswerke Schott in Mainz vor 25 Jahren eine gegen Temperaturschwankungen unempfindliche Glaskeramik. Damals wurden die Spiegel für die Teleskope des Calar-Alto-Observatoriums in Spanien daraus gegossen. Heute ist die Glaskeramik auf jedem moderneren Küchenherd zu finden. Auch einer der jüngsten Forschungsaufträge könnte viele praktische Anwendungen nach sich ziehen. Dr. Staude: „Die Astronomie braucht ein ganz leichtes und gleichzeitig ganz steifes Material für die neuen Groß-Teleskope.“ Kohlefaserverbundwerkstoffe scheinen hier die Lösung zu sein.
Technologie-Entwicklung und die Leistung von Weltraumteleskopen wie „Hubble“ haben einen außergewöhnlichen Schub an neuen Erkenntnissen gebracht. Der Mensch kann weiter und schärfer ins All schauen. „Sieht er erst die Objekte am Rande des Universums, wächst sein Verständnis von der Entstehung und Entwicklung von Galaxien, von der Ausdehnung des Weltalls und den Bestandteilen des Universums wie Dunkler Materie und Dunkler Energie“, unterstreicht Prof. Wambsganß. Die neuen Weltraumteleskope „Herschel“, das gerade im All ausgesetzt wurde, und das „James Webb Space Telescope“, das 2014 starten soll, werden die ersten Galaxien entdecken, die sich kurz nach dem Urknall gebildet haben; und die Fragen nach der Entstehung aller kosmischen Objekte klären helfen. Das „Goldene Zeitalter“ der Astronomie ist eingeläutet.
In Heidelberg entsteht derweil ein sichtbarer Ausdruck für die Aufbruchstimmung: das „Haus der Astronomie“ (Titelfoto: Bernhard+Partner, Darmstadt) von ZAH und MPIA, das bis 2011 in Form einer Galaxie auf dem Königstuhl errichtet wird – für Öffentlichkeitsarbeit, Schulprojekte, Tagungen, Vorträge und die Redaktion der Zeitschrift „Sterne und Weltraum“. Den Bau und teilweise auch den Betrieb finanziert die Klaus Tschira Stiftung.
Birgit Sommer, Copyright Rhein-Neckar-Zeitung
Siehe auch: Hier sitzen auch die Kalender-Macher
Siehe auch: Haus der Astronomie gegründet – einmaliger Brennpunkt astronomischer Kommunikation