Die fast epochalen Umwälzungen an der Ruperto Carola haben Auswirkungen auf ganz Heidelberg. So führt der Umzug der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in die frühere Krehl-Klinik in Bergheim zu einem Domino-Effekt in der Altstadt: Die Universitätsbibliothek dehnt sich in den Triplex-Bereich aus; und in der Marstallstraße 6 werden die Sammlungen der Ägyptologie, der Assyriologie und der Papyrologie in einer Lehrsammlung zusammengeführt. Noch gravierender fällt der Ausbau des Neuenheimer Feldes aus, wo über die neuen Gebäude hinaus die Infrastruktur verbessert wird. Zudem zeichnen sich erste Konturen des Universitätsjubiläums im Jahr 2011 ab. Ein Interview mit dem Rektor der Ruperto Carola, Prof. Bernhard Eitel (Foto: privat), zu den aktuellen Entwicklungen an der Universität:
Herr Rektor, auf welchem Weg sehen Sie die Universität Heidelberg nach Ihrem ersten vollen Amtsjahr 2008?Wir sind auf einem guten Weg. Allerdings rücken bereits die nächsten Hürden ins Blickfeld, die uns in Atem halten.
Wie steht es um die Heidelberger Exzellenzprojekte?
Wir arbeiten daran, dass die laufenden Cluster und Graduiertenschulen 2011/12 in eine zweite Phase übergehen können. Hinzu kommen Initiativen zu neuen Projekten und zum Zukunftskonzept der Universität. Bei den gegenwärtigen Projekten wurden die Voraussetzungen für eine bereits erfolgreiche Arbeit geschaffen. Vor allem der schon 2006 bewilligte molekularbiologische Cluster läuft auf vollen Touren.
Wie wird es mit dem Exzellenzstatus der Universität weitergehen, der wie die Projekte auf fünf Jahre befristet ist?
Dass die Exzellenzinitiative fortgesetzt wird, ist entschieden. Aber die Durchführung ist noch offen. Nach dem derzeitigen Stand gehen wir 2011/12 in die neue Runde. Wenn dann Graduiertenschulen und Cluster in Verbindung mit dem Zukunftskonzept bewilligt werden, bleibt es wohl bei dem Exzellenzstatus. Das ist auch durch die Verlängerung der laufenden Projekte möglich. Die zusätzlich geplanten Vorhaben betreffen sowohl Medizin und Naturwissenschaften als auch die Geisteswissenschaften. Über ihre Antragstellung entscheiden wir jedoch erst 2010.
Was geschieht im Neuenheimer Feld?
Wir haben jetzt grünes Licht aus Stuttgart für den zweiten Bauabschnitt Physik. Ansonsten arbeiten wir an der weiteren Sanierung von Zoologie, Theoretikum, Biochemie-Zentrum und Zentrum für Molekulare Biologie (ZMBH). Zum Abschluss gelangen könnte der Chemie-Neubau, der durch ein neues Forschungsgebäude ergänzt werden soll. Auch für die zusätzlich erforderliche Laborfläche in der Molekularbiologie benötigen wir ein Gebäude, eventuell in Kombination mit der Allianz von ZMBH und DKFZ. Direkt neben der Mikroskopie-Einheit in der Umweltphysik wird im Bioquant-Gebäude ein Zentrallabor für Mikroskopie mit einem Gerätepool von der Lichtmikroskopie bis zur Kryoelektronenmikroskopie eingerichtet. Fachlich flankiert werden diese Umbaumaßnahmen von einer neuen Professur.
Was geschieht auf dem Hubschrauberlandeplatz?
Das ist noch nicht entschieden. Wir wollen dort den Bau für die Allianz von ZMBH und DKFZ errichten. Denkbar ist auch, dass beide Einrichtungen jeweils einen Bau erhalten. Außerdem will auch das Klinikum an diesem Filetstück des Campus partizipieren. Dann soll das Marsilius-Kolleg vom Haus Buhl in der Hauptstraße ins Neuenheimer Feld 130 übersiedeln, wo drei Türme entstehen sollen. Einer von ihnen wird das Marsilius-Kolleg aufnehmen, ein weiterer könnte von der Medizin genutzt werden. Mit der Tschira Stiftung sind wir im Gespräch über das Mathematikon an der Berliner Straße, zwischen der Mönchhofstraße und der nördlich gelegenen Einfahrt ins Neuenheimer Feld. Im Bereich Mönchhofstraße ist ein Campushotel angedacht. Hinzu kommen die Klinikbauten: Nach dem kürzlich erfolgten Spatenstich für die Frauen- und Hautklinik ist auch die neue Chirurgie in der Planung.
In der Altstadt ist ebenfalls einiges in Bewegung.
Die Politik- und Wirtschaftswissenschaftler sind jetzt in die alte Krehl-Klinik nach Bergheim umgezogen, wo auch der Exzellenzcluster „Asien und Europa“ in der Voßstraße angesiedelt ist. Die Universitätsbibliothek wird sich in die frei werdenden Räumlichkeiten im Triplex-Bereich ausdehnen. Und im bisherigen Gebäude der Politikwissenschaftler in der Marstallstraße 6 sollen die Sammlungen der Ägyptologie, der Assyriologie und der Papyrologie in einer Lehrsammlung zusammengeführt werden, um die Verzettelung in der Altstadt aufzuheben. Hinzu kommen Gruppen von der Speyerer Straße, wo sich ein eigener Klein-Campus gebildet hat.
Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Dort befindet sich mit dem HCI (Heidelberg Collaboratory for Image Processing) auch ein Projekt aus dem Zukunftskonzept der Universität. Mit seinen über 60 Mitarbeitern ist es eine der größten Einrichtungen der Bilderkennung in Deutschland. Zudem ist dort der Spitzencluster „Organische Elektronik“ mit Laborflächen präsent. An diesem Standort ist auch die Stadt in Bezug auf die Entwicklung der Bahnstadt besonders interessiert.
Dieses Gesamtszenario hat Folgen für die Altstadt.
Auf sie kommen erhebliche Veränderungen zu. Jetzt gehen 3000 Studierende der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften nach Bergheim, was sich auf das studentische Leben auswirken wird. In der Altstadt verbleiben die Geisteswissenschaften.
Die Medizinische Fakultät Mannheim scheint sich gut zu entwickeln.
Sie wurde jetzt erfolgreich mit dem Mannheimer Klinikum verbunden. Zudem entsteht dort das neue Institut für Medizintechnik mit Ausstrahlung über Mannheim hinaus. Deshalb wird das Gewicht der Universität Heidelberg in der Metropolregion immer größer. In der Medizinerausbildung sind Heidelberg und Mannheim auf nationaler Ebene spitze, und beide Standorte richten sich komplementär aus. Auf diese Weise wird die Sichtbarkeit der Universität Heidelberg in Deutschland wie in der Welt erhöht.
Die einen Wandel durchlaufende Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften schnitt im Times Higher Education Index weniger gut ab, während sie im späteren CHE-Ranking sehr gut bewertet wurde.
Das CHE-Ranking ist im Hinblick auf die Datenbasis aktueller. Besonders macht sich hier die Ausstrahlung des Clusters „Asien und Europa“ bemerkbar. Auch der fortgeschrittene Umbau in den Wirtschaftswissenschaften, die in ein ruhigeres Fahrwasser gelangt sind, schlägt sich hier nieder. Vor allem in den Politikwissenschaften verbessern die Studiengebühren die Arbeitsbedingungen.
Und Mittellatein ist nun beendet?
Der Studiengang Mittellatein ist geschlossen. Die jetzigen Studierenden können jedoch ihr Studium zu Ende bringen. Erhalten bleibt die wertvolle Bibliothek, die an das Historische Seminar verlagert wird, wo sie praktisch an die benachbarte Universitätsbibliothek angeschlossen ist.
Jetzt rückt auch das Universitätsjubiläum 2011 ins Blickfeld.
Die Ruperto Carola wird dann 625 Jahre alt. Der frühere Prorektor Jochen Tröger hat die Koordination für dieses Jubiläum übernommen. Damit verbunden ist die Kampagne „Dem lebendigen Geist“, die den Schwung des Jubiläumsjahres weitertragen soll. Insbesondere soll die Neue Universität renoviert werden. Dem Jubiläum wird ein ganzes akademisches Jahr gewidmet, das im Herbst 2010 beginnt. Im Sommer 2011 wird es dann den Höhepunkt einer Festwoche mit zentralen Veranstaltungen geben, die auch den internationalen Charakter der Universität nach außen tragen sollen.
Heribert Vogt, Copyright Rhein-Neckar-Zeitung