Von Werner Moritz
Im Mai 1900 durften sich erstmals vier Frauen an der Ruperto Carola einschreiben – im 19. Jahrhundert noch waren lediglich „Hörerinnen“ toleriert. Ein gesellschaftlich und bildungspolitisch grundlegender Wandel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der mit dem traditionellen Rollenverständnis der Geschlechter brach, ebnete schließlich Frauen den Weg in die Universitäten.
Bis dahin blieben Persönlichkeiten wie beispielsweise die in Halle promovierte Ärztin Dorothea Erxleben (1715 bis 1762) oder die als erste Frau in Deutschland von der Universität Göttingen zum Doktor der Philosophie graduierte Dorothea Schlözer (1770 bis 1825) Ausnahmeerscheinungen in einer gelehrten Männerwelt. Zum Sommersemester des Jahres 1869 erwarb die angehende russische Mathematikerin Sofja Kovalevskaja (1850 bis 1891) als Erste die Zulassung als Hörerin an der Heidelberger Universität.
Der Präzedenzfall sorgte dafür, dass in den folgenden drei Jahrzehnten auch weiterhin vereinzelt weibliche Studierende zugelassen wurden, allerdings unter noch recht wechselhaften Voraussetzungen und stets gebunden an die besondere Erlaubnis des Dozenten. Anfangs gegen eine ablehnende Mehrheit im Senat kämpfend, sprachen sich schließlich namhafte Vertreter der 1890 neu eingerichteten Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät für das auch in anderen Ländern Europas damals bereits mögliche Frauenstudium aus.
Die Entwicklung wurde in Baden durch die Begründung des ersten deutschen Mädchengymnasiums in Karlsruhe (1893) besonders begünstigt. Nicht ohne ministeriellen Druck fasste der Senat der Universität Heidelberg dann endlich am 19. Januar 1900 den Beschluss, „Frauen, welche [...] das Reifezeugnis eines deutschen staatlichen Gymnasiums [...] vorlegen und im übrigen die erforderlichen Nachweisungen für eine Immatrikulation erbringen [...], zum Studium“ zuzulassen. Ende April, Anfang Mai 1900 wurden vier erste weibliche Studierende für das Sommersemester immatrikuliert: Georgine Sexauer und Rahel Goitein vom Karlsruher Gymnasium sowie Irma Klausner und Else von der Leyen vom kgl. Luisengymnasium in Berlin.
Schon in den Jahren zuvor waren (noch als „Hörerinnen“) die ersten Frauen in Heidelberg promoviert worden – im Februar 1895 als Erste Katharina Windscheid mit einer Arbeit über „die englische Hirtendichtung 1579-1625“. Ihr folgten Marie Gernet (später Lehrerin an „ihrem alten“ Karlsruher Gymnasium) im Oktober 1895 sowie die Amerikanerin Ida Hyde im Februar 1896, beide mit Promotionen an der Naturwissenschaftlich-Mathematischen Fakultät. Irma Klausner und Else von der Leyen waren lebenslang eng befreundet, wurden 1901 am selben Tag in Halle promoviert und entschieden sich – wie auch Rahel Goitein (Dr. med. München 1907) – für den Arztberuf. Am 3. März 1905 wurde Martha Kannegießer als erste Frau von der Heidelberger Medizinischen Fakultät „summa cum laude“ promoviert.
Bis Ende Mai 1909 gab es in Heidelberg insgesamt 239 Immatrikulationen weiblicher Studierender, wobei Medizin (91), klassische und neuere Philologie (75) und die naturwissenschaftlich-mathematischen Fächer (27) das größte Interesse fanden. Die beruflichen Wege dieser Frauen sind noch weitgehend unerforscht. Die Erste, der sich 1923 in Heidelberg mit einer Habilitation der Weg zu Lehre und Forschung an der Ruperto Carola öffnete, war Gertrud („Gerta“) von Ubisch (1882 bis 1965, Foto: Universitätsarchiv Heidelberg). Sie erhielt 1929 ihre Ernennung zur außerordentlichen Professorin für Botanik.