Die Weltmaschine stößt in nie gekannte Energiebereiche vor – und Heidelberg ist dabei
Die Ruperto Carola ist als einzige Hochschule weltweit maßgeblich an drei der vier großen Experimente des Teilchenbeschleunigers LHC am Europäischen Forschungszentrum CERN beteiligt. Rund 100 Heidelberger Wissenschaftler bringen ihre Expertise ein in die internationalen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Teilchenphysik, der Astrophysik und der Kosmologie, um fundamentale Erkenntnisse über die Entstehung des Universums nach dem Urknall zu gewinnen.
Bekanntlich musste der fast 27 Kilometer lange Beschleuniger kurz nach den ersten Tests über ein Jahr lang Reparaturarbeiten unterzogen werden und lief vergangenen Spätherbst wieder an. Jetzt haben die Untersuchungen eine neue Phase erreicht, nachdem es am Large Hadron Collider (LHC) – der durchaus passend nicht selten als Weltmaschine bezeichnet wird – erste Teilchenkollisionen mit einer bislang noch nie erreichten Energie von sieben Tera-Elektronenvolt gegeben hat.
Am LHC werden bei höchsten Energien Proton-Proton- und Blei-Blei-Kollisionen erzeugt. Die dabei ablaufenden physikalischen Prozesse ähneln denen, die kurz nach dem Urknall stattgefunden haben. In diesem Zusammenhang wollen Wissenschaftler-Teams weltweit die Ursache für die Asymmetrie von Materie und Antimaterie erforschen. Sie fragen nach der Entstehung von Masse und untersuchen den extrem kurzlebigen Materiezustand des so genannten Quark-Gluon-Plasmas. Die Forscher erhoffen sich darüber hinaus konkrete Hinweise auf die „Neue Physik“, die über das Standardmodell der Teilchenphysik hinaus das Rätsel der Dunklen Materie lösen könnte.
Im Mittelpunkt der weiteren Forschungsarbeiten an der Universität Heidelberg und am Max-Planck-Institut für Kernphysik steht nun die Mitwirkung an der Analyse der gewaltigen Datenmengen, die bei den Experimenten ALICE, ATLAS und LHCb anfallen. Verknüpft werden dabei zentrale Fragestellungen der Astrophysik, der Kosmologie, der Teilchenphysik und der Physik komplexer Quantensysteme, die auch zu den Forschungsschwerpunkten in Heidelberg gehören und unter anderem Gegenstand der in der Exzellenzinitiative geförderten Graduiertenschule für Fundamentale Physik sind. Für die Arbeiten am LHC stehen bis 2012 Fördermittel in Höhe von sieben Millionen Euro bereit.
Der Large Hadron Collider hat nach der einjährigen Reparaturpause während einer dreiwöchigen Anlaufphase im November vergangenen Jahres erste Proton-Proton-Kollisionen erzeugt, die von allen vier Experimenten erfolgreich aufgezeichnet wurden. Erstmals ist es nun gelungen, mit der Beschleunigerenergie in einen neuen, zuvor noch nicht untersuchten Energiebereich von sieben Tera-Elektronenvolt vorzustoßen und die zur Verfügung stehende Energie im Vergleich zu vorherigen Experimenten mehr als zu verdreifachen. In den kommenden Jahren soll die Energie noch einmal verdoppelt werden.
Kontakt:
Prof. Andre Schöning
Physikalisches Institut der Universität Heidelberg
E-Mail: schoening@physi.uni-heidelberg.de
In die weltweiten LHC-Netzwerke sind Forschergruppen des Kirchhoff-Instituts für Physik (Prof. K. Meier, Prof. H.-C. Schultz-Coulon und Prof. U. Kebschull) sowie des Physikalischen Instituts (Prof. S. Hansmann-Menzemer, Prof. N. Herrmann, Prof. A. Schöning, Prof. J. Stachel und Prof. U. Uwer) eingebunden. Am Institut für Technische Informatik ist das Team von Prof. R. Männer beteiligt. Ebenfalls am LHC wirkt das Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik mit, das eng mit den Wissenschaftlern der Ruperto Carola zusammenarbeitet. Die Heidelberger Experten haben vor dem Start bereits wichtige Beiträge zum Bau verschiedener Forschungsinstrumente geleistet.