Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Für Studierende gilt im Schnitt die 44-Stunden-Woche

Wie leben die rund zwei Millionen Studierenden in Deutschland heute? Aus welchen sozialen Schichten kommen sie? Wie finanzieren sie ihr Studium? Wie viele jobben nebenbei und wie viel Zeit wenden sie für das Studium auf? Dies sind nur einige aus einer Vielzahl von Fragen, auf die auch die aktuelle 19. Sozialerhebung eine Antwort geben kann. Die Ergebnisse basieren auf mehr als 16 000 Fragebögen, die Studierende aus 210 Hochschulen im Sommersemester 2009 ausgefüllt haben.

Seit 1951 zeichnen die Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks (DSW) ein repräsentatives Bild der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden in Deutschland. Die HIS Hochschul-Informations-System GmbH nimmt die Untersuchung seit 1982 im Auftrag des DSW alle drei Jahre vor.

Aus welchen sozialen Schichten rekrutiert sich die aktuelle Studierendengeneration? Ein Ergebnis der Bildungsexpansion vergangener Jahrzehnte ist, dass der Anteil von Akademikerkindern unter den Studierenden in den letzten gut 20 Jahren von 36 Prozent (1985) auf 51 Prozent (2006) zugenommen hat. Dieser Trend hat sich zwischen 2006 und 2009 nicht weiter fortgesetzt. Bei der Zusammensetzung der Studierenden nach sozialen Herkunftsgruppen, die durch berufliche Stellung und Bildungsstatus der Eltern konstituiert werden, hat es sogar eine leichte Trendumkehr gegeben: Waren die Anteile der „mittleren“ und „niedrigen“ Herkunftsgruppe unter den Studierenden seit 1982 immer weiter gesunken, sind sie 2009 erstmals wieder leicht gestiegen – und zwar um drei Prozentpunkte. Dagegen ging der Anteil der Herkunftsgruppe „hoch“ um zwei Prozentpunkte zurück, nachdem er sich zwischen 1982 und 2006 von 17 auf 38 Prozent mehr als verdoppelt hatte.

Sozial I

Studierende bestreiten der Sozialerhebung zufolge ihren Lebensunterhalt mit monatlichen Einnahmen, die im Durchschnitt 812 Euro betragen; das sind nominal gut fünf Prozent mehr als 2006. Die individuellen Einnahmehöhen weichen davon erheblich ab: Einem Fünftel der Studierenden stehen weniger als 600 Euro im Monat zur Verfügung, 17 Prozent mehr als 1000 Euro. Gemessen am BAföG-Höchstsatz von 648 Euro muss ein Viertel der Hochschüler mit einem niedrigeren monatlichen Einkommen leben. Die Spannbreite ist indes kaum in der sozialen Herkunft begründet. Gravierend sind hingegen die Unterschiede bei der Herkunft der Mittel: Während zu den Einnahmen der Studierenden der Herkunftsgruppe „niedrig“ die Eltern, BAföG-Gelder und der eigene Verdienst jeweils in ähnlicher Größenordnung beitragen, verringert sich mit steigender sozialer Herkunft und damit auch höherer finanzieller Leistungsfähigkeit der Eltern die Abhängigkeit vom BAföG und auch vom eigenen Verdienst erheblich.

Insgesamt fällt der Beitrag der Eltern zu den monatlichen Einkünften der Studierenden mit 48 Prozent geringer aus als 2006 mit 52 Prozent. Erstmals seit 1991 ist damit zu beobachten, dass sich das Engagement der Eltern zur Finanzierung des Lebensunterhalts ihrer studierenden Kinder verringert. Als eine mögliche Erklärung kommt in Betracht, dass die Eltern in den beiden unteren sozialen Herkunftsgruppen, aus denen sich erstmalig wieder mehr Studierende rekrutieren, über ein geringeres finanzielles Vermögen verfügen. Dies wird durch den Befund bestätigt, dass nur bei den potenziell BAföG-Berechtigten die elterliche Unterstützung geringer geworden ist.

Grundsätzlich trägt das BAföG mit 15 um einen Prozentpunkt mehr zu den monatlichen Einnahmen der Studierenden bei, was wohl vor allem auf die im Durchschnitt deutlich höheren Förderungsbeiträge nach der 22. BAföG-Novelle zurückzuführen ist (2009 im Schnitt 413 Euro gegenüber 363 Euro in 2006). Nach wie vor wird nur ein vergleichsweise geringer Anteil der Studierenden (rund drei Prozent) durch ein Stipendium gefördert. Mit fünf Prozent ebenfalls relativ klein fällt die Gruppe der Hochschüler aus, die zur (teilweisen) Finanzierung ihres Lebensunterhalts einen Kredit aufgenommen hat – dennoch hat sich diese Zahl gegenüber 2006 verdoppelt.

Treten die angehenden Akademiker die Flucht vor den Studiengebühren an? Von jenen, die ihre Hochschulzugangsberechtigung in einem der Länder erworben haben, die 2009 allgemeine Studiengebühren erhoben, absolvierten wie bereits drei Jahre zuvor 86 Prozent ihr Studium auch in einem dieser Länder. Elf Prozent wechselten zum Studium in eines der alten Länder ohne Gebührenpflicht, drei Prozent in eines der neuen Länder – auch dies hat sich seit 2006 (also vor Einführung der Studiengebühren) nicht verändert. Die häufig geäußerte Erwartung einer Gebührenflucht bestätigt sich laut Sozialerhebung insofern nicht. Allerdings ist eine leichte Tendenz zur „Immobilität“ bei Hochschülern festzustellen, die ihre Studienberechtigung in einem gebührenfreien Land erworben haben.

Und wie sehen die zeitlichen Strukturen im studentischen Alltag aus? Bei einem Teil der Hochschüler klaffen der vorgesehene Zeitplan des Studiums (als Vollzeitstudium) und das tatsächliche Studienverhalten weit auseinander: 2009 betrieben 79 Prozent ein Vollzeitstudium, 21 Prozent jedoch de facto ein Teilzeitstudium. Dabei hat der Anteil der Vollzeitstudierenden erstmalig wieder um vier Prozentpunkte zugenommen, womit ein langfristiger Trend (von 89 Prozent 1988 auf 75 Prozent in 2006) durchbrochen wurde – möglicherweise auch eine Auswirkung der Studienstrukturreform.

Die Erwerbstätigenquote unter Studierenden im Erststudium ist im Jahr 2009 gegenüber 2006 um drei Prozentpunkte auf 66 Prozent gestiegen und liegt damit auf hohem Niveau. Im Schnitt arbeiten Hochschüler acht Stunden in der Woche, um Geld zu verdienen; bei den tatsächlich Erwerbstätigen fällt die zeitliche Belastung durch Jobben mit gemittelten 13,5 Stunden in der Woche deutlich höher aus. Während 29 Prozent der Studierenden für akademische Ausbildung und Job zusammen maximal 35 Stunden pro Woche aufwenden, fallen andererseits bei 31 Prozent mehr als 50 Stunden in der Woche für Studium und Erwerbstätigkeit an. Im Vergleich zu 2006 ist der zeitliche Gesamtaufwand damit im Durchschnitt um drei auf nunmehr 44 Wochenstunden angewachsen, also auf das Niveau, das schon Ende der 90er Jahre beobachtet wurde. Die zeitliche Studienbelastung wird von 15 Prozent aller Hochschüler als zu hoch eingestuft; unter den Bachelor-Studierenden liegt dieser Anteil bei 19 Prozent.

www.sozialerhebung.de

Download: Kurzbericht der 19. Sozialerhebung (pdf)

Siehe auch: Studieren heute