Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

„Der Todesstrafe fehlt die generalpräventive Rechtfertigung“

Der Einsatz der Todesstrafe lässt sich nicht mit einer angeblichen Abschreckungswirkung auf potenzielle andere Täter legitimieren. Während zahlreiche empirische Studien der finalen Bestrafung eine solche Wirkung zuschreiben, kommen andere Forschungsarbeiten zum gegenteiligen Schluss.

Das lässt sich dadurch erklären, dass die Resultate dieser Untersuchungen in erster Linie vom Forschungskontext der Wissenschaftler abhängig sind. Zu diesem Ergebnis kommt ein Projekt am Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg. „Wir wissen nicht, welche der gegenteiligen Ergebnisse zuverlässiger sind; somit fehlt der Todesstrafe die generalpräventive Rechtfertigung“, erklärt der Heidelberger Forscher Prof. Dieter Hermann.

Im vergangenen Jahr wurde die Todesstrafe noch in 57 Staaten angewandt. Legitimiert wird diese stark umstrittene staatliche Sanktionsform in erster Linie mit einer angenommenen Abschreckungswirkung. Zur Frage, ob diese Wirkung tatsächlich existiert, gibt es zahlreiche Untersuchungen, die diese Annahme entweder bestätigen oder widerlegen. Wissenschaftler am Institut für Kriminologie der Ruperto Carola und an der Technischen Universität Darmstadt haben in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt 82 dieser empirischen Abschreckungsstudien untersucht.

In ihrer sogenannten Metaanalyse kommen sie zu dem Ergebnis, dass der Forschungskontext einen maßgeblichen Einfluss auf das Untersuchungsergebnis hat – dass die Resultate also davon abhängen, ob die Studie beispielsweise von Ökonomen oder von Soziologen vorgenommen wurde. „Die jeweiligen Fachrichtungen unterscheiden sich dabei in bevorzugten Handlungstheorien und Menschenbildern“, betont Prof. Hermann. „Diese Vorstellungen können die Ergebnisse publizierter Forschungsarbeiten beeinflussen, sei es durch die Konzeption einer Studie, durch selektive Wahrnehmung und Interpretation von Ergebnissen oder durch die Wahl von Methoden und Daten.“

Die Analyse der Heidelberger Wissenschaftler zeigt, dass zwischen kriminologisch-soziologisch-juristisch ausgerichteten Studien einerseits und ökonomisch ausgerichteten Untersuchungen andererseits unterschieden werden kann. „Aufgrund der empirischen Untersuchungen von Kriminologen, Soziologen oder Rechtswissenschaftlern wäre die Hypothese von der Abschreckungswirkung der Todesstrafe nicht tragbar“, erläutert Dieter Hermann, „während Untersuchungsergebnisse, die von Ökonomen in wirtschaftswissenschaftlichen Zeitschriften publiziert wurden, den umgekehrten Schluss nahelegen.“ Das theoretische Vorverständnis des Forschers und die Tatsache, dass in Fachzeitschriften bevorzugt Studienergebnisse veröffentlicht werden, welche die jeweiligen Theorien bestätigen, beeinflussen daher die veröffentlichten Ergebnisse.

An dem Forschungsprojekt „Metaanalyse empirischer Abschreckungsstudien“ wirken neben Prof. Hermann auch Prof. Dieter Dölling von der Universität Heidelberg sowie Prof. Horst Entorf von der Technischen Universität Darmstadt mit.

www.soz.uni-heidelberg.de/projektdetails/835,42,0,0,1.html

Kontakt:

Prof. Dr. Dieter Hermann
Institut für Kriminologie
Telefon: 0 62 21/54-74 49
E-Mail: hermann@krimi.uni-heidelberg.de

Prof. Dieter Hermann im Campus-Report-Interview (mp3)

D. Hermann: Die Abschreckungswirkung der Todesstrafe – ein Artefakt der Forschung? In: D. Dölling, u.a. (Hg.): Festschrift für Heinz Schöch zum 70. Geburtstag am 20. August 2010. Verbrechen – Strafe – Resozialisierung. Berlin, New York (De Gruyter) 2010, S. 791-808.