Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

„Europa hat nicht nur eine Telefonnummer“

„Wen rufe ich an, wenn ich mit Europa sprechen will?“ Über diese, dem früheren US-Außenminister Henry Kissinger zugeschriebene Frage diskutierten im Heidelberger Prinz Carl Palais hochrangige Vertreter aus Politik, Diplomatie und Wissenschaft. Es ging darum, ob die Implementierung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) – entstanden durch den Lissabon-Vertrag – mehr Kohärenz in der europäischen Außenpolitik garantieren könne. Organisiert hatten den EU-Roundtable drei Studierende des Instituts für Politische Wissenschaft (IPW) unter der Leitung von Prof. Dr. Frank R. Pfetsch.

Das Kernproblem „One Europe! One Voice?“ wurde den gesamten Tag über auf der Konferenz erörtert (Foto: privat), die Prorektorin Prof. Dr. Friederike Nüssel eröffnet hatte. In der Frage nach einer gemeinsamen europäischen Stimme blieben die diplomatischen Vertreter aus Berlin, Pristina und Brüssel, darunter zwei Referatsleiter des EAD, zurückhaltend.

Eine positive Bilanz zog der ehemalige deutsche Botschafter in Tirana und jetzige Personalkoordinator der Bundesregierung im Auswärtigen Amt, Bernd Borchardt: „Europa hat nicht nur eine Telefonnummer. Aber jeder Desk Manager im Auswärtigen Amt hat jetzt die Möglichkeit, einen für sein Problem zuständigen Ansprechpartner im EAD anzurufen.“

Grundsätzlich befinde sich der EAD aber noch in seiner Implementierungsphase, betonte Alfredo Conte, Leiter der Abteilung für die Strategische Planung. Der Dienst, der der Hohen Vertreterin der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik Catherine Ashton zuarbeiten soll, müsse sich erst noch einarbeiten.

Wie sich die Koordination der europäischen Außenpolitik, auch im Zusammenwirken mit anderen internationalen Akteuren, seit der Schaffung des EAD zum 1. Dezember 2010 verändert hat, war das Thema eines zweiten Konferenzteils mit dem Fallbeispiel des EU-Engagements im Kosovo. Als Redner trug der dortige Internationale Zivile Repräsentant (ICR), der Niederländer Pieter Feith, zu einer regen und konstruktiven Debatte bei.

Feith, der bis ins vergangene Jahr in Personalunion die Ämter des ICR und des Sonderbeauftragten der EU für das Kosovo innehatte, hob das Dilemma der EU hervor, mit ihrer personell und finanziell größten Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX zwar zu den wichtigsten internationalen Akteuren zu gehören, die für die Sicherheit auf dem Westbalkan zu sorgen versuchen. Andererseits sei aber die Uneinigkeit der EU-Mitgliedstaaten in der Frage nach der Unabhängigkeit des Kosovo ein Grund dafür, warum die Mission selbst einen negativen Ruf besitze.

In seinem Schlusswort stellte Prof. Dr. Sebastian Harnisch, Institutsdirektor des IPW, die mehrfach geäußerte Empfehlung heraus, einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik mit realistischen Erwartungen zu begegnen. Anderenfalls entstehe eine sogenannte „expectations-reality-gap“.

Rund 85 Studierende und Hochschulmitarbeiter nutzten die Gelegenheit des vom IPW, dem Heidelberg Center for American Studies, dem Institut für deutsches und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht sowie von der Reinhold-Maier-Stiftung unterstützten EU-Roundtables, um innerhalb eines Dialoges zwischen Wissenschaft und Praxis einen vertiefenden Eindruck in den Entwicklungsstand der europäischen Außenpolitik zu erhalten. Ins Leben gerufen wurde der EU-Roundtable von Studierenden des Instituts für Politische Wissenschaft, die vor rund einem Jahr die Idee hatten, eine internationale Konferenz zur europäischen Außenpolitik nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags zu organisieren.

Ziel sollte es sein, einen Austausch zwischen Vertretern aus Wissenschaft und Praxis zu ermöglichen und zugleich eine Informationsplattform für Hochschüler zu schaffen, die sich für eine Karriere im diplomatischen Dienst oder den EU-Institutionen allgemein interessieren. Konkretisiert wurde diese Idee in der Zusammenarbeit mit Prof. Pfetsch, der als Vorbereitung auf die Konferenz zwei Lehrveranstaltungen zur europäischen Außenpolitik angeboten hatte.

Kontakt:

Kathrin Bolz, Isabelle Daniel, Andreas Isensee
EU-Roundtable Organisationsteam
Telefon: 01 76/71 60 60 17
E-Mail: EURoundtable2012@urz.uni-heidelberg.de

Siehe auch: Europäische Außenpolitik seit dem Lissabon-Vertrag