Von Tina Schäfer
Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod verstärkt bei Atheisten ihre kritische Haltung in Bezug auf die Existenz Gottes, unbewusst werden sie jedoch offener für Glaubensinhalte. Zu diesem Ergebnis kommt eine sozialpsychologische Studie, die in Kooperation von Dr. Matthias Blümke vom Psychologischen Institut der Ruperto Carola mit Wissenschaftlern der University of Otago in Dunedin (Neuseeland) entstanden ist. Die Befunde tragen zu einer Erklärung dafür bei, warum Religion auch in säkularen Gesellschaften eine bleibend wichtige Rolle zukommt.
Für ihre Studie haben die Psychologen eine Reihe von Experimenten mit insgesamt 256 studentischen Teilnehmern vorgenommen. Ein Teil der Hochschüler, unter denen sich sowohl Gläubige als auch Atheisten befanden, war zunächst aufgefordert, sich schriftlich mit dem eigenen Tod auseinander zu setzen. Der andere Teil bildete die Kontrollgruppe und verfasste Texte zum Thema Fernsehen.Bei einer anschließenden Befragung der Personen, die sich mit dem Tod befasst hatten, zeigte sich, dass die religiösen Teilnehmer in ihrem Gottesglauben weiter gefestigt waren, während die Atheisten eine größere Skepsis im Hinblick auf die Existenz Gottes erkennen ließen. Dieses Resultat war für die Forscher zu erwarten: „Bei einer Konfrontation mit Todesangst neigen Menschen dazu, ihre explizit geäußerte Weltsicht – sei sie religiös oder nicht – zu verteidigen“, erläutert Sozialpsychologe Matthias Blümke.
Spätere Computertests, mit denen die unbewussten Einstellungen der Probanden überprüft wurden, erwiesen jedoch, dass die nicht-religiösen Personen in ihrer impliziten Glaubensvorstellung von ihrer ungläubigen Position abrückten. Die Wissenschaftler maßen dazu unter anderem die Reaktionszeit, mit der die Teilnehmer per Knopfdruck die Existenz Gottes bestätigten oder verneinten. Religiöse Probanden drückten die entsprechende Taste deutlich schneller als Atheisten, die infolge der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod länger zögerten, die Existenz Gottes abzustreiten. Unbewusst zeigten sich die Atheisten damit weniger überzeugt von ihrer areligiösen Haltung als Gläubige von ihrer Position, so die Folgerung der Wissenschaftler.
„Glaube spielt eine wichtige Rolle, um dem Menschen die Angst vor dem Tod zu nehmen“, sagt Dr. Blümke. „Der explizit geäußerte Glaube hilft, sich selbst und andere von einer Weltsicht zu überzeugen. Die Forschung der vergangenen Jahre zeigt allerdings nachdrücklich die Bedeutung implizit gemessener Gedanken und Gefühle, derer sich Menschen häufig gar nicht erst bewusst werden. Anscheinend profitieren ausgesprochene Atheisten unbewusst von der Vorstellung einer Existenz Gottes.“ Dieses Ergebnis trägt zu einer Erklärung bei, warum religiöses Gedankengut auch in der zunehmend weltlich orientierten Gesellschaft weiterhin ein weit verbreitetes Element ist.
Kontakt:
Dr. Matthias Blümke
Psychologisches Institut
Telefon: 0 62 21/54-76 26
E-Mail: matthias.bluemke@psychologie.uni-heidelberg.de
http://crisp.psi.uni-heidelberg.de/staff/Matthias-Bluemke