Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Wenn zellulärer Stress entsteht

Einen bislang unbekannten Weg zum Abbau beschädigter Zellproteine haben Wissenschaftler des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH) entschlüsselt. Proteine werden als lange Ketten von Aminosäuren gebildet, die sich korrekt in eine dreidimensionale Struktur falten müssen, damit sie ihre Funktion erfüllen können. Falsch gefaltete Proteine können, insbesondere wenn sie sich anhäufen, Zellen stark beschädigen und sind beispielsweise verantwortlich für die Entstehung von Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson.

Im Mittelpunkt der Forschungen am ZMBH stand eine spezielle Protease, also ein Enzym, das Bindungen innerhalb von Proteinen spaltet. Diese Protease arbeitet an einem besonderen Ort – in der Zellmembran, in der Reaktionen, die Wasser benötigen, eigentlich nicht ablaufen können. Das Team von Dr. Marius Lemberg konnte zeigen, dass diese ungewöhnliche Protease bereits innerhalb der Membran beschädigte Proteine erkennt und abbaut. Die Forschungsergebnisse wurden als Online-Artikel in „Molecular Cell“ veröffentlicht.

Zu Beginn ihrer Untersuchungen an der besonderen Protease hatten die Forscher um Dr. Lemberg mithilfe von computergestützten Analysen vorhergesagt, dass dieses Enzym aktiv sein würde. Es war jedoch vollkommen unklar, welche Moleküle von der Protease gespalten werden. „Das vorhandene Wissen über Verwandte aus der sogenannten Rhomboid-Protease-Familie konnte uns bei dieser Frage nicht weiterhelfen“, erläutert Lemberg. Anders als alle anderen Rhomboid-Proteasen, die bisher untersucht wurden, befindet sich die neu entdeckte im Endoplasmatischen Retikulum (ER), das heißt an dem Ort der Zelle, an dem neue Membranproteine hergestellt werden.

Die Rhomboid-Protease, die im ER vorkommt (blau), spaltet das fehlgefaltete Membranprotein (grün) innerhalb der Membran. Anschließend werden die Bestandteile ins flüssige Zytosol transportiert und dort durch das sogenannte Ubiquitin-Proteasom-System weiter abgebaut.
Abbildung: ZMBH

Der Durchbruch gelang den Wissenschaftlern durch die Beobachtung, dass die Rhomboid-Protease im ER zunehmend dann benötigt wird, wenn zellulärer Stress durch die Fehlfaltung von Proteinen entsteht. Proteine werden als lange Ketten von Aminosäuren hergestellt, die sich korrekt in eine dreidimensionale Struktur falten müssen, damit sie ihre Funktion erfüllen können. Insbesondere bei einer Anhäufung können falsch gefaltete Proteine Zellen stark beschädigen und sind so verantwortlich für die Entstehung von Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson.

„Wir konnten mit unseren Untersuchungen nachweisen, dass die Rhomboid-Protease im Endoplasmatischen Retikulum fehlerhafte Membranproteine innerhalb ihres Membranankers spaltet“, sagt Dr. Lemberg. Zudem konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die Protease direkt mit Molekülen des nachgeschalteten ERAD-Abbauweges (ER-assoziierte Proteindegradation) zusammenarbeitet, um das fehlerhafte Protein zu beseitigen. Diese neuen Erkenntnisse schaffen nach den Worten des Heidelberger Forschers die Grundlage für ein molekulares Verständnis davon, wie für Membranproteine – die einen Großteil der zellulären Proteine ausmachen – der Abbau eingeleitet werden kann, ohne dass es zu wechselseitigen Behinderungen durch benachbarte Proteine kommt.

Die Nachwuchsgruppe von Dr. Lemberg ist Teil der DKFZ-ZMBH-Allianz – der strategischen Zusammenarbeit des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Zentrums für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg – und gehört auch dem interdisziplinären Netzwerk AlternsfoRschung (NAR) der Ruperto Carola an. Die Gruppe wird von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert.

www.zmbh.uni-heidelberg.de/lemberg/default.shtml

Kontakt:

Dr. Marius Lemberg
Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg
DKFZ-ZMBH-Allianz
Telefon: 0 62 21/54-58 89
E-Mail: m.lemberg@zmbh-heidelberg.de

Lina Fleig, Nina Bergbold, Priyanka Sahasrabudhe, Beate Geiger, Lejla Kaltak, Marius K. Lemberg: Ubiquitin-Dependent Intramembrane Rhomboid Protease Promotes ERAD of Membrane Proteins. Mol. Cell (July 12, 2012), doi: 10.1016/j.molcel.2012.06.008