Verstärkter Medienkonsum, zunehmender Straßenverkehr, Schwund an freien Spielflächen – Bewegungsmangel bei Kindern hat viele Gründe und wird zunehmend zum Problem mit weitreichenden Folgen für die Gesamtentwicklung. Denn frühe Defizite bei der Bewegungs- und Koordinationsfähigkeit beeinträchtigen nicht nur die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, sie können sich auch negativ gerade auf die Sprachentwicklung auswirken.
Sportwissenschaftler der Universität Heidelberg haben deshalb mit Unterstützung der BASF SE und der Manfred Lautenschläger-Stiftung eine breit angelegte Initiative zur Entwicklungsförderung von Klein- und Vorschulkindern im motorischen und sprachlichen Bereich gestartet. Das Großprojekt „Motorik ABC“ (Foto: Institut für Sport und Sportwissenschaft) soll die motorischen Basisfähigkeiten und die sprachlichen Kompetenzen von Kindern frühzeitig, systematisch und nachhaltig fördern. Zielgruppe sind vor allem Kinder aus bildungsfernen Schichten und Migrantenfamilien.„Bewegung und Sprache gelten als wesentliche Dimensionen der kindlichen Entwicklung, die sich abhängig voneinander entfalten und gegenseitig beeinflussen“, erklärt Prof. Dr. Klaus Roth vom Institut für Sport und Sportwissenschaft (ISSW) der Ruperto Carola. „Gerade das Kindergartenalter ist ein ‚goldenes Lernalter‘, in dem sich das Bewegungs-Repertoire und auch die Sprachfähigkeiten enorm erweitern.“
Das neue Förderprogramm, das im Herbst 2011 zunächst in 15 Kindertageseinrichtungen erprobt wurde, beruht auf Studien von Prof. Roth und Prof. Dr. Renate Zimmer, Bewegungspädagogin für das Kleinkind- und Vorschulalter an der Universität Osnabrück. Es soll von jetzt an bis ins Jahr 2014 an 120 weiteren Einrichtungen in der Metropolregion Rhein-Neckar eingeführt werden.
Roth, der auch Initiator der international bekannten Ballschule Heidelberg ist, macht deutlich: „Da Heranwachsende aus sozial schwachen, bildungsfernen Schichten und aus Migrantenfamilien einen besonderen Förderbedarf haben, werden vor allem Einrichtungen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an solchen Kindern einbezogen. Vor allem für diese Kinder lassen altersgerechte und wissenschaftlich fundierte Förderprogramme deutliche Effekte erwarten, die zu einer Art ‚Vorsprung fürs Leben‘ werden können.“
Das Förderprojekt setzt sich aus zwei Teilprogrammen zusammen: dem Modul „Motorik ABC“ und dem Aufbaumodul „Bewegte Sprache“. „Das erste Modul legt den Schwerpunkt auf Bewegungsförderung mit sprachlichen Lerngelegenheiten“, erläutert Projektkoordinatorin Dr. Ulrike Hegar. „Zunächst geht es um die Aneignung und Vervollkommnung grundlegender Bewegungsformen wie Springen, Werfen, Rollen und Balancieren. Erst auf dieser Grundlage können einfache sportliche Fertigkeiten und die koordinativen Basisfähigkeiten, die als eine Art motorische Intelligenz gelten, geschult werden.“
Das Aufbaumodul „Bewegte Sprache“ bietet konkrete Maßnahmen für eine bewegungsorientierte und alltagsbezogene Förderung sprachlicher Kompetenzen. Ulrike Hegar: „Von der Lust der Kinder an der Bewegung ausgehend wird die Lust an der Sprache geweckt, wobei es um verschiedene Bereiche der Sprachentwicklung geht: Erschließen von Wörtern, Ausbau des Wortschatzes oder Bilden von Begriffskategorien.“
Die beiden Projekt-Sponsoren BASF SE und Manfred Lautenschläger-Stiftung finanzieren die Aus- und Fortbildung der beteiligten Erzieherinnen und Erzieher sowie begleitende Hospitationen zur fachlichen Unterstützung vor Ort und bezahlen die Spiel- und Lernmaterialien. Zu den Projektangeboten gehören auch ergänzende Informationsveranstaltungen für die Erzieher zum kultursensiblen Umgang mit Kindern und für die Unterstützung einer inter- und transkulturellen Elternarbeit.
Außerdem ist eine zweisprachige Beratung von Migranteneltern und ihren Kindern zu gesunder Ernährung, ausreichender Bewegung und nachhaltiger Alltagsmobilität geplant. Diese Angebote werden von Prof. Dr. Havva Engin an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg mit ihrer Arbeitsgruppe entwickelt und realisiert.
Kontakt:
Prof. Dr. Klaus Roth und Dr. Ulrike Hegar
Institut für Sport und Sportwissenschaft (ISSW)
Telefon: 0 62 21/54-46 42 oder -46 43 (Roth) und -43 38 (Hegar)
E-Mail: klaus.roth@issw.uni-heidelberg.de und ulrike.hegar@issw.uni-heidelberg.de