13,2 Milliarden Jahre vor unserer Zeit
Eine Galaxie aus der Kinderstube des Universums hat ein internationales Forscher-Team mit maßgeblicher Beteiligung von Astrophysikern der Ruperto Carola entdeckt. Die Galaxie mit dem Namen MACS1149-JD1 hat sich bereits weniger als 500 Millionen Jahre nach dem Urknall gebildet. Sie ist damit die am weitesten entfernte Galaxie, die Wissenschaftler bisher beobachten konnten. Möglich wurde die Entdeckung durch den natürlichen Leuchtkraftverstärker des Universums, „Gravitationslinse“ genannt (Abbildung: NASA). Die Forschungsergebnisse wurden in „Nature“ veröffentlicht.
Das Universum entstand vor rund 13,7 Milliarden Jahren durch den Urknall. Rund 400 bis 500 Millionen Jahre später ließen die Bedingungen im Kosmos die Bildung der ersten Sterne zu. „Eigentlich bestand kaum Hoffnung, Signale irgendeines Objekts aus dieser Epoche zu erhalten“, so Prof. Dr. Matthias Bartelmann vom Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH), „denn sollte es damals schon Galaxien gegeben haben, so wäre ihr Schein noch sehr viel schwächer als das Leuchten einer Kerze auf dem Mond. Kein Teleskop der Welt wäre derzeit in der Lage, ein solches Objekt zu entdecken.“
Der natürliche Leuchtkraftverstärker, mit dessen Hilfe die Galaxie jetzt ausgemacht wurde, besteht aus einer Materieform, die als Dunkle Materie bezeichnet wird, da sie sich nur indirekt verrät zum Beispiel durch ihre anziehende Wirkung auf Licht. Besonders viel dieser Dunklen Materie steckt in Galaxienhaufen, in denen sich hunderte oder tausende Galaxien auf astronomisch gesehen engstem Raum bewegen. Befindet sich ein solcher Galaxienhaufen mit seiner Dunklen Materie in einem bestimmten Abstand zur Erde, wirkt er wie ein Lupenglas: Er vergrößert hinter ihm liegende Objekte und bündelt ihr Licht, sodass sie heller erscheinen. Genau dieser Effekt der Gravitationslinse ermöglichte die Entdeckung von MACS1149-JD1.
„Galaxien, die sich gerade in einer intensiven Phase der Sternentstehung befinden, weisen in ihrer spektralen Energieverteilung bestimmte unverwechselbare und charakteristische Abstufungen auf. Diese lassen sich aufspüren, indem eine Galaxie mit einem Teleskop durch verschiedene Filter beobachtet wird“, erläutert Dr. Adi Zitrin aus der Arbeitsgruppe von Prof. Bartelmann. Weil das Universum expandiert, verschieben sich die Abstufungen im Spektrum dabei gemäß dem Doppler-Effekt auf ebenso charakteristische Weise abhängig davon, welche Entfernung eine Galaxie von der Erde hat. Im Fall von MACS1149-JD1 hat diese Rotverschiebung einen Wert von 9,6 – das entspricht nach Angaben der Heidelberger Wissenschaftler einer Entfernung, die Licht in 13,2 Milliarden Jahren zurücklegt.
Entscheidende Hinweise, die zur Entdeckung von MACS1149-JD1 führten, lieferte eine am ZAH mit entwickelte Analysemethode. Dabei messen die Wissenschaftler die Verformung der Teleskop-Bilder von weit hinter den Galaxienhaufen liegenden Sternsystemen, die durch die in den Haufen selbst geballt, aber unsichtbar vorhandene Dunkle Materie hervorgerufen wird. Im Fall des Galaxienhaufen MACS1149+22 konnten die Forscher insgesamt sieben Hintergrundgalaxien aufspüren, deren Bild durch die Gravitationskraft des Haufens verstärkt, verzerrt und in 23 Mehrfachbilder aufgespaltet wurde. Daraus ließ sich vorhersagen, wo sich eine leuchtkraftverstärkte Galaxie bei einer Rotverschiebung von 9,6 befinden muss. Die Wissenschaftler konnten so schlussfolgern, dass MACS1149-JD1 bereits 490 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden ist.
Grundlage für die Forschungsarbeiten bildeten Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble, das seit 2010 bestimmte Galaxienhaufen intensiv beobachtet. An den Untersuchungen unter Leitung von Prof. Dr. Wei Zheng von der Johns Hopkins University in Baltimore (USA) haben Forscher-Teams aus Chile, China, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Spanien, Taiwan und den USA mitgewirkt. Von deutscher Seite wird das Projekt durch die Baden-Württemberg Stiftung unterstützt, die Mittel für den Austausch beteiligter Spitzenwissenschaftler zur Verfügung stellt.
Kontakt:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann, Dr. Adi Zitrin
Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH)
Telefon: 0 62 21/54-48 17 und -89 87
E-Mail: bartelmann@uni-heidelberg.de
W. Zheng, M. Postman, A. Zitrin, J. Moustakas, X. Shu, S. Jouvel, O. Host, A. Molino, L. Bradley, D. Coe, L. A. Moustakas, M. Carrasco, H. Ford, N. Benitez, T. R. Lauer, S. Seitz, R. Bouwens, A. Koekemoer, E. Medezinski, M. Bartelmann, T. Broadhurst, M. Donahue, C. Grillo, L. Infante, S. W. Jha, D. D. Kelson, O. Lahav, D. Lemze, P. Melchior, M. Meneghetti, J. Merten, M. Nonino, S. Ogaz, P. Rosati, K. Umetsu, A. van der Wel: A highly magnified candidate for a young galaxy seen when the Universe was about 500 Myr old, Nature (20 September 2012), doi10.1038/nature11446