Ende Juni hat der Landtag beschlossen, an den Hochschulen Baden-Württembergs die Verfasste Studierendenschaft (VS) wieder einzuführen, die 1977 vom Gesetzgeber abgeschafft worden war. Im Laufe dieses Wintersemesters sollen die Studierenden nun diskutieren, auf welchem Weg und mit welcher Satzung sie das neue Gremium und damit ihre Interessenvertretung wählen wollen.
„Wir schaffen die gesetzliche Grundlage dafür, dass sich eine demokratisch gewählte Vertretung nachhaltig für die Belange der Studierenden einsetzen kann und sich als starke Stimme der Hochschüler in die Debatte um die Bologna-Reform einmischt“, erklärte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer zur Einführung der VS. Zudem könne sich diese um das studentische Leben jenseits des rein akademischen Betriebs kümmern: Durch Beratungsleistungen, durch musikalische, kulturelle und sportliche Angebote werde sie das Leben an den Hochschulen bereichern. Auch die politische Bildung der Studierenden gehöre zu den Aufgaben der Verfassten Studierendenschaft.
Bei der Erarbeitung des Gesetzes wurde der Dialog mit den Studierenden und Hochschulen gesucht, um die verschiedenen Vorstellungen und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Laut Wissenschaftsministerium nahm man hierzu die erste Online-Beteiligung an einem Gesetzgebungsverfahren des Landes vor. Das Internet-Verfahren lieferte – neben den Gesprächen mit Hochschulen und Studierenden im Zuge des klassischen Anhörungsverfahrens – Anregungen für das Gesetzesvorhaben.
Alle immatrikulierten Studierenden einer Hochschule haben nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen das aktive (sie dürfen wählen) und passive Wahlrecht (sie dürfen gewählt werden). Das Gesetz sieht vor, dass jede Hochschule in Baden-Württemberg eine eigene Vertretungsstruktur haben kann. Diese soll von den Studierenden selbst entwickelt werden.
In Heidelberg kann sich jede Studentin und jeder Student bis zum kommenden Februar an der Erarbeitung einer entsprechenden Satzung beteiligen, über die im Frühjahr des nächsten Jahres abgestimmt werden soll. Spätestens bis zum 31. Dezember 2013, so die Gesetzesbestimmungen, muss sich das neue Organ auf zentraler Ebene konstituiert haben.
www.uni-heidelberg.de/einrichtungen/studium/vs
Siehe auch: Die Verfasste Studierendenschaft ist wieder da
Zu große Unterschiede bei der Zensurenvergabe und zugleich eine Inflation von Bestnoten beklagt das wichtigste wissenschaftspolitische Beratungsgremium von Bund und Ländern, der Wissenschaftsrat, in einem jetzt veröffentlichten Arbeitsbericht. „Mit welcher Note ein Studium (Foto: Universität) abgeschlossen wird, hängt in Deutschland nicht nur von der Prüfungsleistung ab, sondern auch davon, was und wo man studiert“, erklärte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Prof. Wolfgang Marquardt.
Im Diplomstudiengang Biologie schnitten 2010 beispielsweise 98 Prozent, im Diplomstudiengang Psychologie 97 Prozent, in der Ersten Juristischen Staatsprüfung dagegen nur sieben Prozent der Absolventinnen und Absolventen mit „gut“ oder „sehr gut“ ab. In den entsprechenden Bachelor-Studiengängen waren es 84 (Biologie), 95 (Psychologie) und 37 Prozent (Jura). Generell setze sich die Tendenz zur Vergabe besserer Noten fort: In den Bachelor-Prüfungen wurde in vier von fünf Fällen die Abschlussnote „sehr gut“ oder „gut“ vergeben. Zugleich sei das Risiko, so die Süddeutsche Zeitung, die schlechteste Note „ausreichend“ zu kassieren, stark gesunken – vor elf Jahren mussten noch gut vier Prozent diese Zensur hinnehmen, 2010 waren es lediglich 1,1 Prozent.
Prof. Marquardt zeigte sich alarmiert und erklärte gegenüber der Süddeutschen: „Der Trend zu besseren Noten darf so nicht weitergehen.“ Der Bericht des Wissenschaftsrates stelle Anzeichen für eine „Aufweichung der Bewertungsstandards“ und eine „schleichende Noteninflation“ fest. In den meisten Fächern werde die Notenskala kaum noch ausgeschöpft. „Unterschiede werden häufig nur noch hinter dem Komma gemacht.“
Auch innerhalb der einzelnen Fachbereiche ergeben sich von Hochschule zu Hochschule erhebliche Unterschiede. So können die durchschnittlichen Abschlussnoten je nach Standort um mehr als einen ganzen Schritt voneinander abweichen. Langfristig müsse, mahnte Marquardt, auf Bewertungsmaßstäbe hingewirkt werden, die eine weitgehende Vergleichbarkeit der Bachelor-Prüfungsnoten zumindest im gleichen Fach oder in verwandten Fächern gewährleisteten.
Erstmals hat der Wissenschaftsrat dem Report einen wissenschaftspolitischen Kommentar hinzugefügt, in dem er Empfehlungen zur Verwendung der Berichtsinhalte – etwa an die Hochschulen, Studierenden und Arbeitgeber – ausspricht. Die Wissenschaftler fordern, wieder mehr unterschiedliche Zensuren zu vergeben und diese so aussagekräftiger zu machen. Zudem müssten die Bewertungsmaßstäbe vereinheitlicht werden. Durch die starken Unterschiede in der Notengebung zwischen einzelnen Fächern und zwischen einzelnen Hochschulstandorten werde die Aussagekraft erheblich geschwächt. Von diesem Problem seien mit der Stufung der Studiengänge und der Zulassungspraxis zum Master nicht mehr nur die Arbeitgeber sondern auch die Hochschulen selbst betroffen.
HIS
Siehe auch: Arbeitsbericht „Prüfungsnoten an Hochschulen im Prüfungsjahr 2010“ (pdf)
Der Wärmetransport im Atlantischen Ozean war während der letzten Eiszeit nicht etwa schwächer, wie lange angenommen, sondern tatsächlich stärker als heutzutage. Das hat ein internationales Forscher-Team unter Leitung Heidelberger Umweltphysiker herausgefunden. Die Forschungsergebnisse zur Zirkulationsstärke des Ozeans (Foto: Brisbane, CC BY-SA 3.0) und zur Vergangenheit der „Atlantischen Wärmepumpe“ sind auch für korrekte Vorhersagen künftiger Klimaentwicklungen von Bedeutung. Publiziert wurden sie in „Nature Geoscience“; das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.
„Dank des Golfstroms und seiner nördlichen Ausläufer ist es hierzulande weit wärmer als auf denselben Breitengraden in Nordamerika. Ohne den Wärmetransport des Meeres mit einer vergleichbaren Leistung von einer Million Großkraftwerken würden in Nord- und Westeuropa deutlich kühlere Temperaturen herrschen“, weiß Erstautor Dr. Jörg Lippold vom Institut für Umweltphysik der Ruperto Carola. Die „Fernheizung Europas“ entspringt im Golf von Mexiko, wo sich das Meer aufheizt und dann gelenkt durch Winde und die Erddrehung warmes Wasser nach Nord-Ost strömen lässt. Dabei kühlt das Oberflächenwasser ab, wird dadurch immer dichter und sinkt in den Nordatlantik, um schließlich in der Tiefe wieder zurück nach Süden zu fließen.
„Diesen Rückfluss konnten wir nun mit Hilfe zweier exotischer Vertreter des Periodensystems aus Bohrproben im Tiefseesediment des Atlantiks erstmals quantitativ bestimmen“, erläutert Lippold. Die beiden untersuchten Isotope – 231-Protactinium und 230-Thorium – entstehen durch radioaktiven Zerfall des im Meerwasser natürlich vorkommenden Urans. Während Thorium ohne Umwege am Meeresboden eingelagert wird, folgt das Protactinium der Zirkulation und wird mit der Strömung der Tiefsee aus dem Nordatlantik befördert.
Das Mengenverhältnis der beiden Stoffe im Sediment spiegelt daher die Strömungsstärke wider. Um die Zeit der größten globalen Eisbedeckung vor rund 20 000 Jahren wurde im Verhältnis weniger 231-Protactinium gemessen. Dies kann – unterstützt von Modellrechnungen – als eine Verstärkung der Atlantischen Zirkulation gedeutet werden.
„Ein entscheidender Faktor im Klimasystem der Erde sind die Ozeane. Im Meerwasser ist ungefähr 50-mal mehr Kohlendioxid (CO2) gebunden als in der Atmosphäre, und es besitzt deren 1000-fache Wärmespeicherkapazität“, macht Dr. Lippold deutlich. „Wenn der Ozean damals schneller zirkulierte, konnte er auch mehr CO2 aufnehmen und der Atmosphäre entziehen.“ Das Verstehen dieser Zusammenhänge hat für weite Teile Europas eine besondere Bedeutung, betont der Umweltphysiker: „Sollte sich im Zuge des Klimawandels das Meer erwärmen und sich durch Schmelzwasser oder vermehrte Niederschläge die Dichte des Wassers im Nordatlantik verringern, könnte die Wärmepumpe ins Stocken geraten. Das würde paradoxerweise in Europa zu einer Abkühlung führen, während sich der übrige Globus aufheizt.“
www.iup.uni-heidelberg.de/institut/forschung/groups/fa/marine
Kontakt:
Dr. Jörg Lippold
Institut für Umweltphysik
Telefon: 0 62 21/54-63 85
E-Mail: joerg.lippold@iup.uni-heidelberg.de
Von vielen heiß ersehnt (Foto: Hoffleit): Nach dreijähriger Bauzeit wird das Heidelberger Theater wiedereröffnet. Möglich wurden Um- und Neubau auch durch ein enormes finanzielles Engagement der Bürgerschaft. Geplant hatte die Sanierung das Darmstädter Architekturbüro „Waechter + Waechter“. Sie umfasste den gesamten Komplex des ehemaligen Theaters: Der denkmalgeschützte Zuschauerraum in der Theaterstraße 8 und die historischen Gebäude Theaterstraße 4, 6 und 10 sowie das denkmalgeschützte Haus in der Friedrichstraße 5 wurden in einen modernen Theaterbau integriert. Alle Werkstätten, ein Orchester- und Chorprobensaal sowie vier Probebühnen befinden sich nun unter einem Dach. Die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter aller Sparten haben sich damit erheblich verbessert. Dank moderner Bühnentechnik, Beleuchtung und einer sehr guten Akustik sollen künstlerisch-technische Ideen in hoher Qualität umgesetzt werden.
Das Theater verfügt jetzt über eine außergewöhnliche und für Theatermacher sehr reizvolle Architektur, welche die alten und neuen Bühnenbereiche kombiniert – es wurde nämlich um einen zweiten Saal erweitert. Beide Bühnen haben unabhängige Zugänge für das Publikum und sind akustisch voneinander getrennt. Im Alten Saal sind die Zuschauerplätze im Parkett mittels Podien ansteigend staffelbar, wodurch Sichtbehinderungen vermieden werden. Und durch die Baumaßnahme ist auch in energetischer Hinsicht ein zukunftsweisendes Gebäude-Ensemble entstanden: Als erstes Theater überhaupt wird das Heidelberger mit einem innovativen Heizsystem arbeiten, das Erdwärme, Abwärmenutzung und Fernwärme kombiniert.
Das Theater Heidelberg wurde von Stadtbaumeister Friedrich Lendorf im spätklassizistischen Stil erbaut und am 31. Oktober 1853 mit einer Aufführung von Friedrich Schillers „Die Braut von Messina“ eröffnet. Im 19. Jahrhundert erweiterte man das Gebäude und baute es mehrmals um. 1924 wurde es innen und außen umgestaltet und 1925 mit Johann Wolfgang von Goethes „Egmont“ wiedereröffnet. In den Jahren 1978 und 1979 folgte eine weitere Restaurierung und 1990 eine Foyer-Erweiterung, wobei der Zustand von 1924 wiederhergestellt wurde.
2006 dann musste das Theater wegen erheblicher baulicher Mängel geschlossen werden. Im August 2009 begann die Sanierung – ermöglicht auch durch ein großes bürgerschaftliches Engagement. Bereits die Gründung des Heidelberger Stadttheaters war auf eine Bürgerinitiative zurückgegangen; Jahre später übernahm die Stadt die Trägerschaft. Geblieben ist das so bis heute, was mittlerweile alles andere als selbstverständlich ist.
Am Freitag, 23. November, gibt die festliche Einweihungsfeier (geschlossene Veranstaltung) das Startsignal zur Wiedereröffnung; am Samstag, 24. November, erklingt in den Straßen der Altstadt John Cages „Musicircus“ und am Abend präsentiert sich die neue Bühne erstmals mit der Premiere von Tschaikowskys „Mazeppa“. Ein „Tag der offenen Tür“ macht schließlich am Sonntag, 25. November, auch noch die verborgensten Winkel des neuen alten Hauses zugänglich.
www.theaterheidelberg.de/unser-haus/wir-eroeffnen-ein-theater