Molekulare Maschinen im Tausendstel-Sekunden-Takt
Dank einer neuen Methode ist es Heidelberger Wissenschaftlern gelungen, im Zellkern Wechselwirkungen zwischen Proteinen und DNA (Desoxyribonukleinsäure) mit einer Zeitauflösung von einer tausendstel Sekunde zu messen (Abbildung: Fabian Erdel und Karsten Rippe). Verfolgt wurden damit in lebenden Zellen die Bindungsprozesse hochspezialisierter Proteinkomplexe, welche die räumliche Struktur der Erbinformation gezielt verändern und so das Auslesen der DNA-Information kontrollieren.
Die Arbeiten von Privatdozent Dr. Karsten Rippe und seinem Team am BioQuant-Zentrum der Ruperto Carola sowie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben gezeigt, dass die Positionierung von Nukleosomen – Komplexe aus DNA-Strängen und speziellen Proteinen – ein genau geregelter molekularer Vorgang ist. Eine Fehlregulation kann mit verschiedenen Krebsarten in Verbindung gebracht werden. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.
Im menschlichen Genom sind die DNA-Stränge um bestimmte Verpackungsproteine – die Histone – gewickelt. Zwischen diesen als Nukleosomen bezeichneten Komplexen befinden sich DNA-Bereiche, die frei von Histonen sind und die Nukleosomen wie auf einer Perlenkette verbinden. Karsten Rippe erklärt: „Die Aktivierung eines Gens erfordert frei zugängliche DNA. Wird die entsprechende DNA im Nukleosom verdeckt, ist das Gen oft abgeschaltet. So geben die Positionen der Nukleosomen das Auslesemuster der DNA-Sequenz vor – die freie DNA zwischen zwei Nukleosomen ist leichter zugänglich als Bereiche in einem Nukleosom.“ Molekulare Maschinen, sogenannte Chromatin Remodeler, können unter Energieverbrauch Nukleosomen entlang der DNA-Kette verschieben. Dadurch etablieren sie Auslesemuster, die zusammen mit anderen Faktoren das aktive DNA-Programm der Zelle bestimmen.
Die Wissenschaftler um Dr. Rippe untersuchten mittels Fluoreszenzmikroskopie, wie die Chromatin Remodeler das Auslesen der Erbinformation steuern. Dabei konnten sie feststellen, dass in einer menschlichen Zelle die meisten der rund eine Million Chromatin Remodeler immer wieder nur kurz an ein Nukleosom binden, um zu testen, ob alle etwa 30 Millionen Nukleosomen in der richtigen Position sind.
Um die Arbeitsweise der molekularen Maschinen verstehen zu können, war eine neue Messmethode erforderlich. „Wir mussten kurze Bindungsereignisse mit einer Auflösung von einer tausendstel Sekunde aufzeichnen und gleichzeitig auch die selten auftretenden Reaktionen mit einer Bindungszeit von mehreren Sekunden oder gar Minuten nachweisen“, erläutert Karsten Rippe. Auf Basis einer Idee des Doktoranden Fabian Erdel wurde dafür die Methode 3PEA (Pixel-wise Photobleaching Profile Evolution Analysis) entwickelt, die für Messungen in lebenden Zellen eingesetzt werden kann.
In seinen Experimenten brachte Erdel die künstliche Fluoreszenzmarkierung der Chromatin Remodeler durch Laserbestrahlung zum Erlöschen. Dabei beobachtete er, dass durch die so gebleichten Proteine ein Schatten entstand, wenn sie sich während der Aufzeichnung des Bildes bewegten. Die Form des Schattens hing davon ab, wie stark die Bewegung der Chromatin Remodeler durch Bindung an Nukleosomen verlangsamt wurde. „Es war nicht einfach, das Schattenbild in die Bindungsdauer umzurechnen, aber die Mühe hat sich gelohnt: Unsere Methode hat neue vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten, weil wir damit die Bindung von Proteinen in lebenden Zellen sehr schnell und sehr genau messen können“, so Fabian Erdel.
Mithilfe der 3PEA-Messungen haben die Forscher gezeigt, dass sich ein einzelner Chromatin Remodeler innerhalb von nur einer Sekunde fast durch den gesamten Zellkern bewegt und dabei über 300 Nukleosomen testet – meistens ohne aktiv zu werden. Nur manchmal bindet die molekulare Maschine für einige Sekunden oder sogar Minuten an ein Nukleosom, um es dann auf der DNA zu verschieben. In einem nächsten Schritt will die Forschungsgruppe von Dr. Rippe die Signale entziffern, die die Chromatin Remodeler an bestimmten Stellen des Genoms aktivieren.
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Kontakt:
Privatdozent Dr. Karsten Rippe
BioQuant
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