Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Räuberskelette und Embryonenorgane

Von Tina Schäfer

Bis ins frühe 19. Jahrhundert lassen sich die Anfänge der Sammlung des Instituts für Anatomie und Zellbiologie zurückverfolgen. Sie gibt nicht nur Einblicke in den menschlichen Körper sondern verdeutlicht auch die Forschungsleistungen und wissenschaftlichen Traditionen der Heidelberger Anatomie.

So stellt die anatomische Sammlung zum einen Methoden der Fertigung anatomischer Modelle und Präparate anhand von Beispielobjekten vor, darunter Plastination, Korrosion, Mazeration oder Wachsplattenrekonstruktion. Die Exponate im zweiten, dem topographischen Bereich verdeutlichen Bau und Funktionen des menschlichen Körpers vom Gehirn über den Bewegungsapparat bis zum Fortpflanzungssystem; auch Fehlbildungen und krankhaft veränderte Organe sind hier zu sehen. Im dritten, historischen Teil finden sich neben optischen Instrumenten und Aufzeichnungen vor allem Serien von Wachsplattenrekonstruktionsmodellen zur Embryonalentwicklung (Foto: Anatomische Sammlung) sowie die Skelette der Räuber Schwarzer Jonas und Schinderhannes.

„Ich möchte die Sammlung in diesem Jahr thematisch neu strukturieren, um die Objekte mit einer noch besseren Schwerpunktsetzung zu präsentieren“, erklärt Sara Doll, die die Sammlung betreut. Insgesamt umfasst der Bestand nahezu 640 Präparate und etwa 300 Modelle größtenteils aus dem 19. Jahrhundert; die jüngsten Exponate sind seit den 1960er-Jahren hinzugekommen. Der Hauptteil der Sammlung im Erdgeschoss und ersten Stock des Instituts für Anatomie und Zellbiologie ist zu den Gebäudeöffnungszeiten jederzeit zu besichtigen. Zahlreiche Exponate sind auch ab Mittwoch, 24. April, in der Ausstellung „Hier freut sich der Tod, dem Leben zu helfen. Anatomie in Heidelberg gestern und heute“ zu sehen, die das Institut gemeinsam mit der Universitätsbibliothek gestaltet.

Das hier gezeigte Modell zur Entwicklung der menschlichen Schilddrüse gehört zu den einzigartigen Wachsplattenrekonstruktionsmodellen aus dem wissenschaftlichen Nachlass des Anatomen Erich Kallius (1867 bis 1935). Die fast 40 Unikate illustrieren einzelne Details der Embryonalentwicklung, vor allem die Herausbildung des Hals-Kopf-Bereichs.

Die Herstellung eines Wachsplattenrekonstruktionsmodells ist außerordentlich arbeitsintensiv: Das Modellobjekt – hier Organe eines Embryos – wird mit einem Mikrotom, einem präzisen Schneidegerät, in Scheibchen von wenigen Mikrometern zerteilt. Diese histologischen Schnitte werden zunächst abgezeichnet und vergrößert. Die Zeichnungen der Gewebequerschnitte werden dann auf Wachsplatten übertragen und die einzelnen Platten schließlich übereinander gelegt und miteinander verschmolzen. So lässt sich das ursprüngliche Objekt in einem vergrößerten Wachsmodell aus mehreren hundert Schichten rekonstruieren: ein langwieriges Handwerk, das besondere Feinarbeit erfordert.

Die Modelle in der Sammlung hat Erich Kallius gemeinsam mit seinem „Oberzeichner“ August Vierling (1872 bis 1938) angefertigt. Da es zahlreiche Hintergrundinformationen zu ihrer Entstehung gibt – Zeichnungen von Vierling, Fotos von Gynäkologen oder erklärende Briefe – sind die Modelle neben ihrem künstlerischen Wert auch für die Wissenschaftsgeschichte des Instituts für Anatomie und Zellbiologie von großer Bedeutung.

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