Von Till Seemann
Genau 444 Tage dauerte die Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft von Teheran in den Jahren 1979 bis 1981, auf die die USA nicht nur mit dem Abbruch aller diplomatischen Beziehungen zum Iran reagierten sondern auch mit Maßnahmen wie dem Einfrieren von iranischem Vermögen in den Vereinigten Staaten. Mit den juristischen Folgen dieses Konflikts beschäftigt sich seit nunmehr 30 Jahren das Iran-United States Claims Tribunal (IUSCT): ein Schiedsgericht mit Sitz in Den Haag, an das der Heidelberger Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Herbert Kronke (Foto: privat) im vergangenen Jahr als Richter berufen wurde.
Insgesamt neun Richter, von denen jeweils drei aus den USA und dem Iran stammen, bearbeiten dort Klagen, die im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern eingereicht wurden. Herbert Kronke vom Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Ruperto Carola ist als einer von drei Third-Party-Members am IUSCT tätig. Derzeit ist Kronke in Heidelberg beurlaubt – die Berufung an das Gericht in Den Haag erfolgte ohne zeitliche Befristung.Erfahrungen bringt Herbert Kronke, der die Geiselnahme von Teheran kurz nach seiner Promotion 1979 mit großem privaten und beruflichen Interesse verfolgte, nicht nur durch seine langjährige Tätigkeit in Forschung und Lehre sowie in wissenschaftlichen Gremien und Fachgesellschaften mit. Von 1998 bis 2008 war er bereits Generalsekretär von UNIDROIT, einer internationalen Organisation zur Vereinheitlichung des Privatrechts mit Sitz in Rom.
Die Arbeit am IUSCT unterscheidet sich Kronke zufolge zunächst nicht sonderlich von der an anderen Gerichten: Es werden Klageschriften, Erwiderungen, ergänzende Schriftsätze und Beweisangebote studiert, Beschlüsse getroffen und gegnerische Parteien aufgefordert, Beweise vorzulegen. Einen großen Unterschied stellt allerdings die Verfahrensdauer dar: Die noch laufenden Verfahren sind bereits seit über 30 Jahren anhängig. Denn nach den Statuten des Gerichts konnten Klagen ausschließlich in einem sehr kleinen Zeitfenster – zwischen Januar 1981 und Januar 1982 – eingereicht werden.
Zu den Klägern zählten auf beiden Seiten Privatpersonen und Banken sowie Rüstungskonzerne, deren Waffenlieferungen undurchführbar geworden waren. Fast 4000 Streitfälle sind bis heute abgearbeitet worden. Anhängig sind noch ein gutes Dutzend Klagen, in denen der Iran und die USA die Akteure sind. Angesichts von Verfahrensakten, die teilweise mehrere hundert Regalmeter einnehmen, dürften die Fälle das Tribunal nach Einschätzung Kronkes noch viele Jahre beschäftigen.
Dass die Atmosphäre zwischen den neun Richtern am IUSCT trotz der bis heute anhaltenden Spannungen zwischen beiden Ländern von Herbert Kronke als gut wahrgenommen wird, hängt möglicherweise auch mit dem überschaubaren Interesse der Öffentlichkeit zusammen – im Gegensatz etwa zu dem ebenfalls in Den Haag ansässigen Internationalen Strafgerichtshof. Die Tätigkeit des IUSCT, an dem in den vergangenen 30 Jahren mehrere bekannte Richter gearbeitet haben, wird vor allem in der Fachwelt beobachtet; sein Wirken hat für die Entwicklung der internationalen Handels- und Völkerrechtsschiedsgerichtsbarkeit auf Grund der Kontinuität und Masse der Entscheidungen große Bedeutung.
Besonders gefreut hat Professor Kronke der Anruf einer ehemaligen Doktorandin nach seiner Berufung ans IUSCT. Er habe ihr, teilte sie ihm mit, nicht nur das internationale Recht beigebracht, sondern diesem auch ein Gesicht gegeben. Von den Erfahrungen Kronkes am IUSCT sollen auch die Heidelberger Studierenden profitieren, so im Zuge der Sommerakademie zur internationalen Streitbeilegung, die seit 2004 regelmäßig am Heidelberg Center for International Dispute Resolution angeboten wird. An weitere Lehrveranstaltungen ist gedacht.