Der mit Abstand größte Bromausstoß auf unserem Globus
Das chemische Element Brom, dessen Verbindungen wesentlich zum Abbau von Ozon in der unteren Atmosphäre beitragen, wird in polaren Gebieten in einem erheblichen Umfang auch aus dem Schnee auf dem Festland freigesetzt. Bisher war die Wissenschaft davon ausgegangen, dass nur Meereis die Quelle ist, aus der Brom emittiert wird. Die genauen Prozesse bei der Freisetzung sind komplex und Gegenstand der aktuellen Forschung.
Die überraschende Entdeckung gelang einem internationalen Forscherteam mit Wissenschaftlern des Instituts für Umweltphysik der Universität Heidelberg, die gemeinsam mit Fachkollegen aus den USA in Alaska Messungen anstellten und Proben entnahmen. Bei den Untersuchungen kam ein in Heidelberg entwickeltes, neuartiges spektroskopisches Messgerät auf einem amerikanischen Forschungsflugzeug zum Einsatz. Die Ergebnisse wurden jetzt in „Nature Geoscience“ veröffentlicht.
Ozon spielt nicht nur in der Stratosphäre sondern auch am Boden eine bedeutende Rolle. Hier ist es nicht so sehr für den Schutz vor ultravioletter Strahlung relevant sondern wichtig für chemische Prozesse, die die Selbstreinigung der Atmosphäre von Schadstoffen bewirken. Bereits in den 1990er-Jahren fanden Heidelberger Forscher um Prof. Dr. Ulrich Platt heraus, dass ein ausgedehnter Ozonabbau in der bodennahen Atmosphäre der Arktis und Antarktis durch Brom verursacht wird, das mit Ozon zu Bromoxid reagiert.
Das amerikanische Forschungsflugzeug mit Messgeräten des Instituts für Umweltphysik bei Flügen in Alaska im Frühjahr 2012. Das Flugzeug wurde von Prof. Dr. Paul B. Shepson von der Purdue University geflogen, die Instrumente bediente eine Begleitperson.
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Foto: Stephan General
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Dieses Brom wird in autokatalytischen Prozessen freigesetzt. Die entstehenden Bromoxidwolken können sich im polaren Frühling auf mehrere Tausend Quadratkilometer ausdehnen. „Es handelt sich dabei um die mit Abstand größte Bromfreisetzung auf unserem Globus“, so Professor Platt vom Institut für Umweltphysik der Ruperto Carola.
Nun hat das internationale Wissenschaftlerteam in Alaska neue Erkenntnisse zu der Freisetzung von Brom aus Eis und Schnee gewonnen. Es hat sich gezeigt, dass die Vorgänge an das Tageslicht gebunden und daher photochemische Prozesse involviert sind. Vor allem aber konnte nachgewiesen werden, dass die Bromemission stark vom pH-Wert der Schnee- oder Eisprobe abhängig ist. „Je ,saurer‘ die jeweilige Probe ausfiel, desto größer war die Freisetzung von Brom“, erläutert Dr. Denis Pöhler, der dem Team von Ulrich Platt angehört, „daraus ergab sich das überraschende Ergebnis, dass Schnee auf dem Festland, der typischerweise ,sauer‘ ist, mehr Brom freisetzt als alkalisches Meereis, obwohl Meereis deutlich mehr Brom enthält.“
Die Wissenschaftler der Universität Heidelberg konnten diese Erkenntnisse vor allem durch gleichzeitige Flugzeugmessungen bestätigen. Das dabei eingesetzte Gerät, das im Zuge eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts am Institut für Umweltphysik entwickelt wurde, misst das Sonnenlicht, das an der Schneeoberfläche und in der Atmosphäre gestreut wird. Bromoxid absorbiert einen Teil des Sonnenlichts. Anhand dieser Absorption lassen sich die Bromkonzentration und deren Vertikalverteilung bis zu mehreren Kilometern Höhe bestimmen, außerdem Informationen über die räumliche Verteilung gewinnen. Denis Pöhler betont: „Derartig umfangreiche Daten erlauben es, die Quellen der Bromfreisetzung in der Arktis genau zu erkunden.“
Die Heidelberger Wissenschaftler Stephan General (links) und Dr. Denis Pöhler (rechts) bei der Installation des Mess-Systems an das Forschungsflugzeug der Purdue University. Unter dem Flugzeug wird die Optik des Systems angebracht und von dort aus das Signal zu den Instrumenten im Inneren geleitet.
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Foto: Kerri Pratt
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Die Forschungsarbeiten sind eingebettet in das Projekt „Bromine, Ozone and Mercury Experiment“ (BROMEX). Kooperationspartner waren Wissenschaftler der Purdue University in West Lafayette/Indiana, des Cold Regions Research and Engineering Laboratory in Fort Wainwright/Alaska, der University of Alaska Fairbanks und des Georgia Institute of Technology in Atlanta. Das Heidelberger Messgerät soll in Zukunft mit dem neuen deutschen Forschungsflugzeug HALO zum Einsatz kommen und dort neben Bromoxid auch den Gehalt anderer für die Wissenschaft wichtiger Stoffe der Atmosphäre wie Stickstoff- oder Schwefeldioxid bestimmen.
http://seaice.apl.washington.edu/AirChemistry
Kontakt:
Dr. Denis Pöhler
Institut für Umweltphysik
Telefon: 0 62 21/54-63 11
E-Mail: denis.poehler@iup.uni-heidelberg.de
K.A. Pratt, K.D. Custard, P.B. Shepson, T.A. Douglas, D. Pöhler, S. General, J. Zielcke, W.R. Simpson, U. Platt, D.J. Tanner, L.G. Huey, M. Carlsen and B.H. Stirm: Photochemical production of molecular bromine in Arctic surface snowpacks, Nature Geoscience (14 April 2013), doi: 10.1038/ngeo1779