Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Sufi-Musik an den Schreinen des Sindh

Ein Bildbericht von Henrik Rubner

„Gibt es in Deutschland denn keine guten Universitäten?“, das wurde ich seit meiner Ankunft in Islamabad schon häufiger gefragt. Die Idee eines Auslandssemesters in Pakistan musste ich fast genauso oft erklären wie vor meiner Abreise in Deutschland. Denn zwei Semester in einem Land zu leben und zu studieren, das immer wieder wegen Terrorismus oder Naturkatastrophen Schlagzeilen macht, klingt für manche nicht besonders attraktiv. Doch mit meinem Studienvorhaben wollte ich das wirkliche Pakistan kennenlernen.

Als ich im August vergangenen Jahres an der Quaid-i-Azam University ankam, wusste niemand so recht, welche Regelungen für mich gelten, weil ich der einzige ausländische Gaststudent war. Einerseits war das anstrengend – beispielsweise wenn es darum ging, eine Verlängerung des Visums zu erwirken. Andererseits genoss ich dadurch einen großen Freiraum und konnte eigentlich jeden Kurs an der Universität belegen, wenn die Dozentin oder der Dozent zugestimmt hatten.

Diesen Freiraum nutzte ich, so gut es ging, denn prinzipiell ist die Universität sehr verschult: Jeder Jahrgang ähnelt einer Klasse, die praktisch die gleichen Kurse belegen muss. Zudem hängt die Qualität der Ausbildung noch stärker als in Deutschland von den einzelnen Lehrpersonen ab. Bei manchen muss man die Mitschriebe aus der Vorlesung Wort für Wort auswendig lernen. Bei anderen wird im Seminar über Max Webers „Protestantische Ethik“ oder Benedict Andersons „Imagined Communities“ gestritten. Und trotz einer gewissen westlichen Dominanz in den Wissenschaften ist es äußerst interessant, über die bekannten Konzepte, Ideen und Theoretiker in einem deutlich anderen Kontext zu diskutieren.

Ganz anders auch die Studierendenpolitik: Während sich die Hochschüler der Ruperto Carola vor Kurzem für die Einführung eines Studierendenrates entscheiden konnten, können die Studierenden an der Quaid-i-Azam University von so viel Beteiligung und Selbstbestimmung nur träumen. Es gibt zwar Räte auf ethnischer oder regionaler Grundlage – diese sind jedoch weder offiziell anerkannt noch ausreichend legitimiert, um für die gesamte Studierendenschaft zu sprechen.

Im vergangenen Jahr eskalierte die Lage derart, dass die Universität aufgrund von Großprotesten längere Zeit geschlossen werden musste. Dabei ging es um bessere Transportwege zur Hochschule, sauberes Essen in den Mensen und eine gerechtere Verteilung der Studiengebühren. Letztlich wurden die studentischen Forderungen zwar größtenteils akzeptiert, doch ein dauerhaftes System zur Problemlösung wurde nicht etabliert.

Wirklich interessant war es natürlich gerade auch außerhalb der Hörsäle. Zumal die pakistanische Gastfreundschaft wirklich überwältigend ist. So konnte ich das Opferfest Eid al-Adha ganz traditionell – inklusive Ziegenopfer – im Punjab feiern, die uralten Ruinen der Industal-Kultur besuchen oder Sufi-Musik an den vielen Schreinen des Sindh hören. Und obwohl man nicht in alle Landesteile reisen kann, hatte ich doch das Glück, Kommilitonen aus allen Regionen kennenzulernen und so mehr über diese Gegenden zu erfahren.

Pakistan hat seine wunderschönen und seine erschreckenden Seiten, das Land ist aber vor allem eines: unvorstellbar vielfältig. Das gilt für Landschaft, Sprache, Kultur, Politik und Religion gleichermaßen. Und das wird leider häufig von Kommentatoren im Ausland vergessen.

Ich hoffe, dass in Zukunft noch mehr Studierende aus beiden Ländern die Erfahrung eines Austauschaufenthalts machen können. Denn nichts ist besser, als etwas Neues zu lernen; und nirgends kann man besser lernen als auf einer Reise ins scheinbar Fremde.

http://blog.daad.de/go-out/author/hrubner