Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Backup für die Romantik

Von Silja Müller

Da geht sie vorbei, dieser Traum von einer schönen Frau. Oder der umwerfende Typ mit den unglaublichen Augen, in die man eintauchen möchte. Ein kurzer Blick wird ausgetauscht. Doch ehe man es sich versieht, ist der magische Moment schon wieder vorbei. Soll man sich umdrehen und hinterherlaufen? Zu spät. In solch einer Lage hilft „bibflirt“: eine von vier Heidelberger Studenten im vergangenen Wintersemester gegründete Flirtplattform im Internet.

Ursprünglich ins Leben gerufen wurde die Plattform, um die Bibliotheken an der Ruperto Carola nicht nur als Orte des Lernens sondern auch als Orte des Flirtens zu etablieren – daher der Name „bibflirt“ (Foto: shutterstock/Alexander Ermolaev). Doch recht bald schon wurden auch andere Plätze an der Universität und darüber hinaus miteinbezogen. „An das Mädel, das sich heute Nachmittag im Marstallhof mit ihrem Essen zu mir gesetzt hat: Wenn ich nicht so in meine Arbeit vertieft gewesen wäre, dann hätte ich dich gerne mal auf ‘nen Kaffee eingeladen. Das hole ich hiermit nach! ;)“, so eine der typischen Nachrichten auf „bibflirt“, mit denen er oder sie hoffen, eine versäumte Kontaktaufnahme nachzuholen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Mut fehlte oder andere unüberwindbare Hindernisse das direkte Ansprechen verhinderten.

Dass nach solch einem Service offenbar eine große Nachfrage besteht, lässt sich daran ermessen, dass die Plattform mittlerweile nicht nur Heidelberger Orte sondern auch andere Städte umfasst. Über 15 000 Gesuche wurden zum Beginn des laufenden Wintersemesters bereits aufgegeben, wovon rund 20 Prozent – sagen die Betreiber der Internet-Seite – erfolgreich vermittelt werden konnten. Eine App für das Smartphone gibt es zwischenzeitig auch.

Doch sieht so Romantik im 21. Jahrhundert aus? Ist gerade die Ungewissheit, ob und wann man die andere Person wiedersieht, nicht viel reizvoller? Und ist die nur allzu menschliche Aufregung und Unsicherheit, wenn man sich ein Herz fasst und eine Person persönlich anspricht, nicht viel spannender? Andererseits: In manchen Momenten versagen einfach jegliche Denkfähigkeit und Spontaneität; oder man bemerkt vor Begeisterung zu spät, dass man nach dem tollen Gespräch gar keine Kontaktdaten ausgetauscht hat. Insofern ist „bibflirt“ auf jeden Fall ein praktisches Backup, bietet seinen Benutzern gewissermaßen eine zweite Chance. Für Romantik bleibt dann ja immer noch Zeit.

www.bibflirt.de

Die Autorin des Beitrags studiert an der Ruperto Carola Ethnologie und Psychologie.