Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Nicht Cheerleader sondern Defense Back

Von Ute von Figura

„Warum ausgerechnet Football?“ Diese Frage muss Svenja Konowalczyk oft beantworten. Als Kind zählten zu ihren Hobbys typische Mädchensportarten: Turnen, Voltigieren, Reiten. Mit Anfang Zwanzig dann landete sie eher zufällig beim Football und nach ersten Hemmungen fand sie Gefallen an dem körperbetonten Sport. Inzwischen hat die studierte Sportwissenschaftlerin bei zwei Weltmeisterschaften mitgespielt und trainiert neuerdings die Mainzer Frauen-Football-Mannschaft „Golden Eagles“. An der Universität Heidelberg arbeitet und promoviert Svenja am Institut für Sport und Sportwissenschaft.

American Football (Foto: touchdown.fi) gilt als grober Sport, als typischer Männersport. Dass es eine Frauenliga in Deutschland gibt, wissen nur die wenigsten. Auch wissen viele nicht, wie komplex das Spiel ist, welch ausgeklügelte Taktik hinter jeder Aktion steckt. Genau dieses Spiel „mit Köpfchen“ gefällt Svenja Konowalczyk. Ihr gefällt es aber auch, in den Gegner „reinzugehen“, ihn zu „tackeln“, wie man im Football sagt. Mit 22 Jahren nahm Svenja das erste Mal am Training einer Football-Mannschaft teil. „Damals hat es mich viel Überwindung gekostet, eine andere Spielerin mit voller Wucht anzugreifen“, erinnert sie sich. Nach zwei, drei Ligaspielen sei der Knoten aber geplatzt. „Ich habe meinen Kopf abgeschaltet, bin einfach drauflosgegangen – und plötzlich hat es geklappt.“

Wenn Svenja Konowalczyk von ihrem Sport spricht, reagieren viele irritiert. „Du bist Cheerleader, oder?“, lautet häufig die erste Frage. Auch ihre Eltern seien zunächst skeptisch gewesen, erzählt die Sportwissenschaftlerin: „Inzwischen unterstützen sie mich aber voll und ganz.“ Tatsächlich hat American Football in Deutschland einen schweren Stand. Schon bei den Männern ist es eine Randsportart. Im Frauen-Football gibt es gerade einmal 20 Mannschaften und gut 400 Spielerinnen. 1990 fand die erste Saison statt, 2010 stellte Deutschland erstmals eine Nationalmannschaft auf.

Das Schöne an dem Sport, so die 28-Jährige: „Jeder wird gebraucht, egal ob dick oder dünn, groß oder klein.“ Denn jede Position verlangt spezielle Voraussetzungen von den Spielerinnen. Ziel der schnellen Angreiferinnen etwa ist es, möglichst weit in die gegnerische Hälfte vorzustoßen und einen „Touchdown“ zu landen. Die kräftigen Linienspielerinnen, die „Offense Liner“, blockieren dabei den Gegner – Körpermasse ist hierbei von Vorteil. Die ebenfalls robusten „Linebacker“ halten in der Verteidigung das anstürmende Team auf, während die agileren Spielerinnen, die „Defense Backs“, weiter hinten im Raum stehen. Ihre Aufgabe ist es, lange Pässe abzuwehren und die Gegnerinnen zu tackeln, die bis zu ihnen durchdringen.

Defense Back ist Svenjas Stammposition; Wendigkeit, sicheres Tackling und Spielübersicht sind ihre Stärken. Auch bei der Weltmeisterschaft 2013 spielte sie auf dieser Position. Der Moment, der ihr von der WM am deutlichsten in Erinnerung geblieben ist: eine sogenannte „Interception“ gegen die finnische Mannschaft im Spiel um Platz drei. Gleich zu Beginn des ersten Viertels fing sie einen gefährlich weiten Wurf knapp vor der gegnerischen Angreiferin ab. Damit verhinderte sie einen frühzeitigen Rückstand und verschaffte ihrem Team das Angriffsrecht. Dennoch musste sich die deutsche Mannschaft am Ende den Finninnen geschlagen geben – mit nur einem Punkt Rückstand schrammte sie haarscharf an den Medaillenplätzen vorbei.

„Das hat uns sehr geärgert“, bekennt die Sportwissenschaftlerin. Umso mehr freute sich ihr Team über einen anderen Erfolg: Während der WM gelang den Deutschen der erste jemals gegen die überragenden US-Amerikanerinnen erzielte Touchdown im Frauen-Football – ein geschichtsträchtiges Ereignis. Zwar lautete das Endergebnis letztlich 107:7 für die Vereinigten Staaten, das konnte die Freude über den bemerkenswerten Spielzug jedoch kaum schmälern.

Im vergangenen August dann bestritt Svenja Konowalczyk ihr letztes Spiel als aktive Footballerin. „Es war schön, die WM noch mitzunehmen, ansonsten hätte ich schon früher aufgehört.“ Der Grund: die hohe Verletzungsgefahr beim Football. Bisher sei sie mit blauen Flecken und Prellungen davongekommen, ihr Glück wolle sie aber nicht überstrapazieren: „Mein Karriereende soll nicht durch eine Verletzung bestimmt werden.“

Ganz von ihrem Sport kann und will sie dennoch nicht lassen. Und so fährt Svenja jetzt einmal in der Woche nach Mainz, um die Abwehrspielerinnen der „Golden Eagles“ zu trainieren.

www.issw.uni-heidelberg.de/arbeitsbereiche/sport_und_erziehung/skonowalczyk.html