Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Ballonflug mit Biomodulen

Von Till Seemann

Im Nirgendwo des skandinavischen Nordens erhob sich Anfang Oktober vergangenen Jahres ein Stratosphären-Ballon in den Himmel. Mit an Bord: „FLASH – Fluid Lab in the Stratosphere“, ein Forschungsprojekt aus Heidelberg, in das eine Gruppe Physikstudierender nicht nur menschliche Zellen sondern auch viel Zeit gesteckt hatte. Der Ballonflug zählte zum „REXUS/BEXUS“-Programm, das unter anderem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR und der Europäischen Weltraumbehörde ESA organisiert wird. Es bietet Studierenden die Möglichkeit, wissenschaftliche und technische Experimente auf Raketen und Ballonen unter speziellen Bedingungen umzusetzen, zum Beispiel unter dem Einfluss von Weltraumstrahlung oder in reduzierter Schwerkraft.

Die Studierenden sollen dabei den Ablauf eines Raumfahrtprojekts kennenlernen, das mit der Idee und Planung beginnt und mit der Veröffentlichung der Ergebnisse endet. Dazwischen entwerfen, bauen und testen sie ihre Experimentausrüstung, begleiten aktiv die Startkampagne im schwedischen Esrange, nehmen Versuche während des Flugs vor und werten die gewonnenen Daten aus. Der Fortschritt des „Balloon Experiment for University Students“ BEXUS wird regelmäßig in Projekt-Reviews überprüft.

„Das ist einerseits extrem stressig, aber auch wichtig – diese Meetings haben uns den Kontakt zu Experten aus unterschiedlichen Disziplinen wie den Raumfahrtingenieuren ermöglicht“, erzählt Katja Bigge, die das Heidelberger FLASH-Team seit rund einem Jahr leitet. Den Anstoß zum Projekt bildete eine Astrobiologie-Vorlesung bei Prof. Dr. Michael Hausmann. Gegenstand war die Strahlenbiophysik, ein Forschungsfeld, das auch für die Krebsforschung relevant ist. „Über das Thema ist wenig bekannt, was auch damit zusammenhängt, dass sich Strahlung in großer Höhe nicht im Labor simulieren lässt“, erläutert Bigge, die sich wie die anderen FLASH-Mitglieder für das Projekt in fachfremde Forschungsbereiche wie die Zellbiologie einarbeiten musste. „Unser Ziel war es also, Effekte der Höhenstrahlung auf lebende Zellen menschlichen Ursprungs in großer Höhe zu erforschen.“ Entscheidend ist dabei, dass entstandene Schäden an den Zellen nach der Landung des Ballons nicht repariert werden und keine weiteren Änderungen auftreten dürfen. Die Zellen müssen also fixiert sein.

Das Heidelberger FLASH-Team mit (von links) Elisabeth Guerin, Dan Cermak, Viktoria Schubert, Michael Blessenohl und Katja Bigge in Schweden: „Ein paar von uns haben praktisch das ganze Semester mit der Vorbereitung verbracht.“
Foto: privat

„Im Labor ist das kein allzu komplizierter Vorgang“, weiß Michael Blessenohl, der im FLASH-Projekt neben anderem für die Sponsorensuche zuständig war. „Jemand saugt die Nährlösung aus dem Zellbehälter ab, spült verbleibende Reste aus, füllt die Fixierlösung ein, saugt sie nach einiger Zeit wieder ab und spült das Ganze noch mal aus.“ Die FLASH-Studierenden wollten diesen Arbeitsschritt automatisieren, wobei Spritzen das Einfüllen und Absaugen der Flüssigkeiten im Probenbehälter übernehmen. Blessenohl: „Der Kolben einer vollen Spritze ist hinten jeweils mit dem Kolben einer leeren verbunden, sodass beim Einspritzen einer Flüssigkeit in den Behälter eine zweite Spritze bei konstantem Druck die Abfallflüssigkeit aufnimmt.“

Diese Konstruktion ist Teil eines Biomoduls, das zusätzlich über ein Heizsystem und Motoren zur Bewegung der Spritzenkolben verfügt. Dämmmaterial stellte sicher, dass die Zellen bei Außentemperaturen von bis zu minus 60 Grad Celsius auf einer konstanten Temperatur von 37 Grad gehalten werden. Neben Michael Hausmann vom Kirchhoff-Institut für Physik konnte das FLASH-Team auf die Hilfe der Feinmechanischen Werkstatt des Instituts sowie die Chemnitzer Firma CGC Instruments zurückgreifen, welche die Studenten beim Entwickeln und Bauen der Elektronik unterstützte.

Im Spätherbst 2013 war es dann so weit: Der BEXUS-Stratosphären-Ballon startete in Esrange, stieg bis auf eine Höhe von knapp 30 Kilometern auf und landete nach etwa dreieinhalb Stunden in Finnland. An Bord befanden sich zwei Biomodule mit insgesamt vier Zellproben. So konnten die Zellen zu verschiedenen Zeiten während des Fluges und nach der Landung fixiert werden, um die Effekte verschiedener Strahlungsdosen und eventueller Reparaturmechanismen zu messen.

In Stunden oder Tagen lässt sich der Zeitaufwand, den die jungen Physiker in FLASH investierten, nicht messen. „Im März und April gab es ganze Wochen, in denen wir keine Zeit für andere Uni-Projekte hatten“, sagt Katja Bigge, „ein paar von uns haben praktisch das ganze Semester mit der Vorbereitung verbracht.“ Und Viktoria Schubert, unter anderem für die FLASH-Mechanik zuständig, fügt an: „Mit dem Projekt wollten wir in erster Linie zeigen, dass es möglich ist, so ein automatisiertes System zu bauen und unter diesen ungewöhnlichen Bedingungen zur Anwendung zu bringen – damit waren wir auf jeden Fall erfolgreich.“

http://project-flash.de/node/125