„Blauer Heinrich“ in vielen Farben
Von Tina Schäfer
Umfassende Einblicke in alle Aspekte der Krankheit bietet das Museum des Deutschen Tuberkulose-Archivs. Die dazugehörige Sammlung, die seit 2011 an der Ruperto Carola angesiedelt ist, gehört zur Thoraxklinik des Universitätsklinikums. Zurzeit, im April, präsentiert sich die Schau als „Sammlung des Monats“ im Foyer der Universitätsbibliothek. Die „Sammlung des Monats“ ist ein Ausstellungsformat, das seit Januar vergangenen Jahres in zwei Vitrinen im Bibliotheksfoyer die Museen und Sammlungen der Ruperto Carola im monatlichen Wechsel durch ausgewählte Objekte vorstellt – und so auf die Vielfalt der Exponate an der Universität aufmerksam machen und Neugier auf weitere Einblicke wecken will. Organisiert wird die Reihe vom Arbeitskreis der Museen und Sammlungen.
Im Zentrum der Ausstellung des Museums des Deutschen Tuberkulose-Archivs stehen die Entstehung, Verbreitung und Bekämpfung der Erkrankung von früher bis heute. Präparate und Moulagen (Wachsnachbildungen) menschlicher und tierischer Organe verdeutlichen Formen der Tuberkulose, etliche Exponate stellen therapeutische Ansätze auf dem Weg zur modernen Behandlung mit Antibiotika vor, darunter chirurgische Instrumente, Apparate zur künstlichen Herstellung eines Lungenkollaps in der Pneumothoraxtherapie oder Lampen zur Bestrahlung von Hauttuberkulosen.
Die Forschung von Robert Koch, dem Entdecker des Tuberkulose-Erregers, und der Beitrag von Wilhelm Conrad Röntgen zur Diagnostik werden ebenso erläutert wie die Tuberkulose-Fürsorge zur Unterstützung von Kranken und ihren Angehörigen. Aufklärungsmaterialien, etwa Poster zur Hygiene, belegen die gesellschaftliche Relevanz der Krankheit, während Dokumente von Ärzten und aus Gesundheitsämtern Einzelschicksale sichtbar machen. Die Ausstellungsstücke stammen vor allem aus dem 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
„Zu einzelnen Themen wollen wir mittelfristig eine noch ausführlichere Darstellung erarbeiten“, erklärt Prof. Dr. Volker Schulz, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Tuberkulose-Archivs. Der Mediziner betont auch die Bedeutung der Archiv-Bibliothek, die rund 7000 Zeitschriften und Fachbücher umfasst, darunter seltene Werke aus dem 18. Jahrhundert. Deren Zusammenstellung sei „einzigartig“ und werde kontinuierlich ausgebaut.
Untergebracht ist das Museum des Tuberkulose-Archivs in fünf Räumen des Rohrbacher Schlösschens auf dem Gelände der Thoraxklinik – und ist damit auch Ausdruck einer historischen Kontinuität, so Volker Schulz: „Das Schlösschen ist die Keimzelle der heutigen Lungenfachklinik. Hier wurden nach dem Ersten Weltkrieg tuberkulosekranke Kriegsheimkehrer behandelt.“ Das Museum hat keine festen Öffnungszeiten, auf Anfrage sind aber Führungen für Gruppen und Einzelpersonen möglich.
„Stumme Schwester“.
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Foto: Museum des Deutschen Tuberkulose-Archivs, Prof. Volker Schulz
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Eine „Stumme Schwester“ aus dem Museum, ein Fieberthermometer ohne eine Skala mit Gradeinteilung, ist momentan in einer der beiden Vitrinen der „Sammlung des Monats“ zu betrachten. „Stumme Schwestern“ wurden vor allem in Schweizer Tuberkulose-Heilstätten eingesetzt und sollten Täuschungsversuche beim Fiebermessen vereiteln, etwa von Simulanten. Die Patienten hatten keine Möglichkeit, die Thermometer abzulesen. Diese wurden nach der Messung von einer Schwester oder dem Arzt eingesammelt und zum Ablesen der Temperatur in eine Hülse mit Sichtfenster und Skalierung eingeführt.
„Bitte nicht spucken“: Schilder mit dieser oder ähnlicher Aufschrift – wie im Museum zu sehen – waren im späten 19. und im 20. Jahrhundert in öffentlichen Gebäuden oder im Zug keine Besonderheit. Spucknäpfe oder -flaschen konnten hier Abhilfe schaffen und kamen auch in der Tuberkulose-Therapie zur Anwendung. Ein spezielles Flaschenmodell, das im Museum ausgestellt ist und der „Blaue Heinrich“ heißt, wurde von Peter Dettweiler entwickelt, einem Mitbegründer der Heilstättenbewegung, der eine Lungenklinik im Taunus betrieb. Die Therapie dort setzte auf einen streng geregelten Tagesablauf mit kalorienreicher Ernährung und Liegekuren: Patienten verbrachten mehrere Stunden in Decken eingewickelt an der frischen Luft, bei Redeverbot und ohne jegliche Ablenkung.
Eine Spuckflasche sollte in Heilanstalten mit sich getragen werden, um die Gefahr der Tröpfcheninfektion zu reduzieren. Zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung der Keime gab es auch detaillierte Anweisungen, wie ein Spucknapf zu reinigen und sein Inhalt zu entsorgen war. Die Fläschchen aus gefärbtem Glas hatten den Vorteil, dass man den Füllungsgrad immer im Blick hatte, ohne dass der Inhalt zu unappetitlich wirkte. Woher die Bezeichnung „Blauer Heinrich“ stammt, ist allerdings unklar, denn er wurde auch in anderen Farben angefertigt.
Ein ausführliches Profil des Museums des Deutschen Tuberkulose-Archivs ist zu finden unter:
www.uni-heidelberg.de/unispiegel/tb-museum.html
www.tb-archiv.de/museum/index.htm
Siehe auch: „Die ,Stumme Schwester‘“
Die Tuberkulose (TBC), die auch Schwindsucht genannt wird, ist seit der Antike belegt. Neben der Lunge kann sie ebenso andere Organe oder das Skelett befallen. Die Tuberkulose ist vor allem eine „soziale“ Erkrankung, die infolge von Armut und schlechten hygienischen Verhältnissen entsteht. Insbesondere im Zuge der Industrialisierung und des Bevölkerungszuwachses in den Städten zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Erkrankung in Europa zum gesellschaftlichen Problem. Zwar entdeckte Robert Koch bereits 1882 das Tuberkelbakterium, doch erst seit den 1940er-Jahren ist eine wirksame Behandlung der Krankheit mit Antibiotika möglich. In vielen Entwicklungsländern ist die Tuberkulose heute noch eine der häufigsten Todesursachen.