Von Dagmar Albrecht (Text und Foto)
2600 Meter hoch liegt das Observatorium Paranal der Europäischen Südsternwarte (ESO) in der chilenischen Atacama-Wüste – der Arbeitsplatz des Heidelberger Astronomen Dr. Andreas Kaufer, der auch James-Bond-Darsteller Daniel Craig faszinierte. Trotz der dünnen Luft kommt Kaufer bei der Führung über das Gelände nie aus der Puste. Seine Begeisterung für die Arbeit der Wissenschaftler im Observatorium ist ansteckend. Seit 2006 leitet der Mittvierziger als Direktor die beiden ESO-Observatorien Paranal und La Silla. Er ist dauernd unterwegs: zwischen den Observatorien, seinem Dienstsitz in Santiago de Chile und der ESO-Zentrale in Garching bei München.
Dass Kaufer einmal als Astronom in Südamerika arbeiten würde, war lange Zeit nicht abzusehen. Zwar faszinierten ihn schon als Schüler die Sterne, die er von der Sternwarte in Heppenheim an der Bergstraße aus beobachtete – aber nur als Hobby. In Heidelberg studierte er zunächst Physik, erst am Ende des Studiums spezialisierte er sich auf Astrophysik: „Ich habe ein Praktikum an der Landessternwarte auf dem Königstuhl gemacht, und da habe ich das Beobachten richtig gelernt.“ 1993 schrieb er dort seine Diplomarbeit in Astrophysik, danach studierte er Astronomie mit Studienziel Promotion und erhielt 1996 seinen Doktortitel.Schon bald kristallisierte sich Kaufers Hauptinteresse heraus: Instrumente für die Astronomie zu konstruieren. Als Postdoktorand an der Landessternwarte baute er ein solches für das La Silla Observatorium: „Dieses Instrument namens FEROS war meine Eintrittskarte zur ESO, da 1999 UVES – der Spektrograf für das Very Large Telescope – am Observatorium Paranal in Betrieb genommen werden musste. Dafür bekam ich meinen ersten Vertrag mit der ESO und bin nach drei Monaten Vorbereitungszeit in Garching mit dem Instrument nach Chile gereist – und dort hängengeblieben.“
Am Tag nach seiner Hochzeit im Heidelberger Standesamt wurde der Container nach Südamerika geschickt. Seitdem lebt Kaufer mit seiner Frau in Santiago. Bereits nach wenigen Jahren wurde er Direktor der Observatorien La Silla und Paranal. Auch wenn ihm dadurch nicht mehr so viel Zeit für die Forschung bleibt, begeistert ihn seine Aufgabe: „Es ist diese besondere Mischung aus Technik und Wissenschaft. Wenn ein Kollege kommt und sagt, dank eurer Technik habe ich die tolle Messung hier gemacht, ist das das beste Feedback, das man als Astronom an einem Observatorium bekommen kann.“
Die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern in aller Welt und dem Team im Observatorium muss stimmen, denn viele Forscher kommen gar nicht oder nur für wenige Tage selbst auf den Paranal. Von ihren Heimatuniversitäten aus geben sie den Astronomen und Ingenieuren Aufträge und diese sammeln dann jede Nacht die bestellten Daten. Dann werden diese sofort per Computer weitergeleitet und von den Wissenschaftlern bearbeitet. Damit die Daten optimal ausgewertet werden, veröffentlicht die ESO sie nach einem Jahr und stellt sie so allen Forschern zur Verfügung.
Gute Arbeitsbedingungen für die Astronomen zu schaffen, das ist eine der Hauptaufgaben von Andreas Kaufer. Er muss sich darum kümmern, dass seine Observatorien international weiter an der Spitze bleiben. Sich auf dem Geleisteten auszuruhen, ist da nicht möglich. Deshalb steht auch schon das nächste Projekt in den Startlöchern: „Da drüben, auf dem Cerro Amazonas, wollen wir ein Teleskop mit fast 40 Metern Durchmesser bauen“, deutet Kaufer auf den gegenüberliegenden Berg. Auf einem künstlichen Plateau wird dort das neue E-ELT entstehen, das European Extremely Large Telescope.
Die faszinierende Wüstenlandschaft rund um den Arbeitsplatz von Andreas Kaufer zieht nicht nur Forscher an. 2008 nahm eine 300-köpfige Filmcrew für die Dreharbeiten des James-Bond-Films „Ein Quantum Trost“ das Wohngebäude der Wissenschaftler – die preisgekrönte „Residencia“ – in Beschlag. „Wir haben hier immer noch unsere sogenannten James-Bond-Container“, sagt Kaufer lachend und weist auf ein kleines Containerdorf. „Dort haben unsere Kollegen von der Nachtschicht geschlafen, damit sie von den Filmarbeiten nicht gestört wurden.“ Eine Nacht verbrachte auch James-Bond-Darsteller Daniel Craig inkognito im Observatorium. Und anschließend berichtete er seinem Team so enthusiastisch davon, dass die Wissenschaftler die gesamte restliche Filmcrew ebenfalls durch die Anlagen führen mussten.
Dass seine Arbeit viele Menschen in ihren Bann zieht, kann Andreas Kaufer gut verstehen. Trotz seiner vielen, ganz unterschiedlichen Verpflichtungen ist er selbst noch immer ein begeisterter „Sternengucker“ und froh, dass er das Beobachten von der Pike auf gelernt hat: „Viele junge Wissenschaftler heute wachsen nur noch vor dem Computer auf – ihnen fehlen oft die Grundlagen; und es ist nicht immer einfach, junge Leute zu finden, die sich auch für die Technik interessieren, für alles, was dazugehört.“
Aus dem Traumland der Astronomie zurück an den Neckar oder anderswohin? Unvorstellbar wäre das für Kaufer nicht, wenn er dann mehr Zeit für die Forschung hätte. Im Moment allerdings gibt es wenig, was ihn weglocken könnte vom Nachthimmel über der chilenischen Wüste. Denn der ist überwältigend: nicht nur für Laien sondern auch für Experten wie Andreas Kaufer.