Dieses „place-making“ bewegt sich innerhalb verschiedener Kontexte. Dazu gehören beispielsweise soziale und andere dynamische Prozesse, die mit Schlagwörtern wie dem demographischen Wandel, der multikulturellen und mobilen Wissensgesellschaft, den Herausforderungen des digitalen Zeitalters, den Konsequenzen des Bologna-Prozesses und den (bisweilen doch zweifelhaften) PISA-Studien benannt werden. Sie haben komplexe Auswirkungen auf den Schulalltag von Lehrern und Schülern, die inzwischen durch das G8-Abitur sehr jung – mit 17, manchmal sogar schon 16 Jahren – das Gymnasium beenden. Derartige Entwicklungen müssen in eng vernetzten fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Konzepten einer exzellenten Lehrerbildung, die sich auch durch Professionsbezug und das Zusammenspiel der (Aus-)Bildungsphasen auszeichnet, integriert werden.
Ein weiterer Kontext ist die nun endlich erschienene Ausschreibung „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Das Land Baden-Württemberg hat bereits im Dezember 2013 mit dem Eckpunkte-Papier sowie mit den Grundsätzen vom April 2014 die offiziellen Rahmenbedingungen für die Umstellung der Lehramtsstudiengänge auf BA- und MA-Studiengänge bis zum Wintersemester 2015/16 definiert.
Um diesen komplexen Herausforderungen begegnen zu können, hat die Universität gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Ende vergangenen Jahres den Prozess „heiEDUCATION“ eingeleitet. Mit dem Ziel einer kooperativen Lehrerbildung sind seitdem die Konzeptionen für die rechtlichen, strukturellen und inhaltlichen Maßnahmen zur Umstellung der Lehramtsstudiengänge auf das BA- und MA-System, die Etablierung eines gemeinsamen Master of Education mit den Profilen Lehramt Sekundarstufe I und Lehramt Gymnasium, die Einrichtung einer Heidelberg School of Education und die Förderung dieser Teilprojekte durch die Bund-Länder-Antragslinie „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ erarbeitet worden. Ebenfalls seit Januar 2014 haben die jeweils mit Mitgliedern aus beiden Hochschulen besetzte Steuerungsgruppe, das Schreibteam und die Werkstätten „heiEDUCATION“ als Heidelberger Weg zur Umstellung erarbeitet. An diesen Prozessen sind die Studierenden intensiv und in allen Phasen beteiligt.
Auf diesem Weg ist es uns inzwischen gelungen, eine zwischen den Fächern und Hochschulen im Grundsatz konsentierte Struktur für die Umstellung auf das BA- und MA-Format zu realisieren. Die von den Rektoraten früh gefällte Entscheidung für einen polyvalenten 50-zu-50-BA ermöglicht es den Studierenden, sich nach dem Abschluss entweder für den gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule getragenen Master of Education oder doch für einen Fach-Master zu entscheiden. Dies ist essenziell, denn durch G8 und die Aussetzung der Wehrpflicht begegnen wir, wie schon erwähnt, sehr jungen Studienanfängern, die wir nicht unmittelbar nach ihrem Schulabschluss mit der bindenden Entscheidung für oder gegen ein Lehramtsstudium konfrontieren möchten. Wir schaffen so Möglichkeiten polyvalenter Studiengänge und verbessern zugleich die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Karrierepfaden.
Der von der Politik für die Umstellung vorgegebene Zeitplan stellt alle Akteure vor größte Belastungen, denn bis zum jetzigen Oktober müssen die Ordnungen vorliegen, um rechtzeitig die Gremien durchlaufen zu können, damit im Wintersemester 2015/16 die Lehrerbildung in der neuen Form starten kann. Die verbreitete Skepsis darüber, ob eine weitere Reform nach 2009 zu diesem Zeitpunkt nötig und sinnvoll ist, ist daher nur verständlich.
Der größte Vorbehalt der Fachkolleginnen und Fachkollegen richtet sich dabei gegen die Tatsache, dass – im Vergleich zur bisherigen Lehramtsausbildung – etwa 20 fachwissenschaftliche Punkte zugunsten der Fachdidaktik und der Bildungswissenschaften verloren gehen. Hinzu kommt, dass nun in der BA-Phase der größte Teil der fachwissenschaftlichen Ausbildung erfolgen muss, in der Master-of-Education-Phase dagegen vor allem bildungswissenschaftliche und fachdidaktische Komponenten im Vordergrund stehen.
Die Folgen, die diese Reduktion beziehungsweise Umwidmung für eine forschungsorientierte Universität und beispielsweise auch für die geisteswissenschaftlichen Fächer haben kann, deren Klientel sich aus 80 Prozent Lehramtsstudierenden speist, sind sicherlich noch nicht vollends abzusehen. Doch kann in der Verzahnung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik auch das kreative Potenzial liegen, für das „heiEDUCATION“ wirbt und das auch die Bildungswissenschaften und damit beispielsweise Konzepte zur Heterogenität und zur Lehrerprofessionalität gleichermaßen verbindet.
Die Forschungsorientierung und die hochwertige fachwissenschaftliche Ausbildung müssen garantiert sein, darin sind sich in Heidelberg alle Akteure, auch die Bildungswissenschaftler und die Fachdidaktiker beider Hochschulen, einig. Anfängliche Vorbehalte gegenüber einer allzu engen Kooperation mit einer Pädagogischen Hochschule sind inzwischen durch die fruchtbare Zusammenarbeit aufgelöst worden. Mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg haben wir einen Partner, der ein „expert in education“ ist. So können wir am Standort Heidelberg nicht nur alle für die Lehrerbildung relevanten Studiengänge (vom Elementar- und Primarbereich über die Sekundarstufen I und II bis zur Sonderpädagogik) anbieten sondern auch in den Bildungswissenschaften und Fachdidaktiken eine umfassende Breite in Forschung und Lehre offerieren.
Eine Neuausrichtung der Lehrerbildung ist für die Zukunft unserer Gesellschaft und den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt existenziell. In Heidelberg nehmen wir diese gesellschaftliche Aufgabe mit Mut, Vertrauen und Transparenz an und wollen so einen eigenen Weg kreieren. Heidelberg ist dafür der ideale Ort. Rektor Prof. Dr. Bernhard Eitel hat dies im Sinne seines Konzeptes der „arbeitsteiligen Hochschule“ wie folgt beschrieben: „In Baden-Württemberg sind wir als einziger Standort einzigartiger ,Vollanbieter‘ in der Lehrerbildung und noch dazu räumlich perfekt integriert.“ Die frühe und wegweisende Entscheidung der Rektorate (Prof. Dr. Anneliese) Wellensiek (PH) und Eitel, die Neuausrichtung der Lehrerbildung gemeinsam im Sinne eines „Bildungscampus“ zu bestreiten, war daher auch strategisch klug. Dass wir damit auch einen gewissen Bestandsschutz für die geisteswissenschaftlichen Fächer garantieren, die eben primär Lehramtsstudierende ausbilden, ist ein Effekt, der durch die Ankündigung der Landesregierung, Lehrerstellen reduzieren zu wollen, noch mehr an Bedeutung gewinnt.
Die neu zu etablierende School of Education, die sich auch sichtbar in einem Gebäude als Mittelpunkteinrichtung formieren wird, ist mehr als eine kooperative Verwaltungs- und Beratungseinheit. Sie wird physikalischer und geistiger Ort von und für die Studierenden sein, in der im Zusammenspiel mit ihnen exzellente forschungsorientierte Lehre und hochkarätige Forschung zur Lehrerbildung betrieben werden. Im Nucleus oder – neudeutsch im Think-Tank – des Projekts „heiEDUCATION“, also in der vom Prorektor der PH, Prof. Dr. Gerhard Härle, und mir geleiteten Steuerungsgruppe und in den Arbeitsgruppen, den „Werkstätten“, manifestiert sich derzeit, wie ein solcher kreativer „hub“ der Lehrerbildung wirken kann. Nach dem Aufwärmen „allürenfrei“, konstruktiv, kollegial und mit großem Teamgeist ausgestattet entwerfen die Kolleginnen, Kollegen und Studierenden beider Institutionen in dieser Kooperation dynamisch kreative Konzepte, auf die ich in den Gedankengängen auch hier zurückgreife.
Sprache schafft Orte, wie eingangs gesagt. Deshalb ist es mir ein großes Anliegen, den Diskurs um die Neujustierung der Lehrerbildung, so wie wir sie in Heidelberg mit dem Anspruch auf wissenschaftliche und didaktische Exzellenz vorantreiben, positiv zu besetzen und die Aufmerksamkeit auf die großen Chancen des gemeinsamen „Bildungscampus“ zu lenken. Hätte ich einen Wunsch frei? Die Bereitschaft und Offenheit für Innovation bei allen Akteuren! Nur so kann eine Qualitätssteigerung für alle Phasen der Lehrerbildung nachhaltig und auf allen Ebenen gelingen.
Im Dezember 2013 hat das Landeskabinett beschlossen, die Lehrerausbildung zum Wintersemester 2015/16 in eine Bachelor-Master-Studienstruktur mit den Profillinien Sekundarstufe I und Lehramt an Gymnasien zu überführen. Um den vielfältigen Herausforderungen für diese Umstellung begegnen zu können, wurde von der Ruperto Carola gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg das Projekt „heiEDUCATION“ gestartet. Damit soll der Reform- und Kooperationsprozess mit einer Qualitätsoffensive in der Lehrerbildung am Standort kombiniert werden, in die alle Fakultäten eingebunden sind. Dazu gehört auch eine Beteiligung an der Ausschreibung „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die Ende Juli erfolgte. Die Hochschulen sollen in ihren Förderanträgen zeigen, wie sie die Qualität der Lehramtsausbildung optimieren wollen, etwa durch die Verbesserung des Praxisbezugs in der Lehrerbildung oder die Fortentwicklung der Lehrerbildung in Bezug auf die Anforderungen durch Heterogenität und Inklusion sowie die Weiterentwicklung der Fachlichkeit, Didaktik und Bildungswissenschaften. Dafür stellt der Bund in den kommenden zehn Jahren bis zu 500 Millionen Euro im Zuge eines kompetitiven Verfahrens zur Verfügung.