Bereits zum zweiten Mal in Folge sicherte sich ein studentisches Team der Universität Heidelberg den Hauptpreis sowie gleich mehrere Spezialpreise im internationalen iGEM-Wettbewerb in Boston. Die Heidelberger setzten sich dabei gegen 245 Gruppen aus 32 Ländern durch. Mit ihrem Projekt „Ring of Fire“ lösten die zwölf Studierenden ein verbreitetes Problem bei der Nutzung biologischer Moleküle, nämlich dass Eiweißbausteine oft nur wenig stabil sind und daher bei vielen Anwendungen in Forschung und Biotechnologie nicht eingesetzt werden können.
Der Trick der Heidelberger Hochschüler: Mithilfe eines neuen Systems schlossen sie die Proteine zu einem Ring, was die Stabilität deutlich erhöht. Der Ringschluss schützt die empfindlichen Enden der Eiweiße und macht sie damit für die Nutzung in neuen Technologien interessant. Betreut wurde das Team von Prof. Dr. Roland Eils, der an der Ruperto Carola und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) bioinformatische Forschungsabteilungen leitet, und Forschungsgruppenleiterin Dr. Barbara Di Ventura.Proteine werden vielfältig in Forschung, Medizin und Biotechnologie verwendet. Ein großer Nachteil ist allerdings, dass sie nicht besonders stabil sind; insbesondere die Enden eines Proteins sind sehr empfindlich. Die Studierenden erfanden nun eine Methode, um diese Enden zu schützen: An das wie ein verknäuelter Wollfaden vorliegende Eiweiß koppelten sie sogenannte „Linker“, die wie ein zusätzliches Stück Faden die beiden Enden miteinander verbinden. Diese ringförmigen Proteine weisen eine deutlich höhere Stabilität auf als jene mit losen Enden und können so für neue Anwendungen genutzt werden.
Der silberne „Biobrick“ für den Weltmeister: das Heidelberger Team mit der Trophäe und den Betreuern Prof. Dr. Roland Eils und Dr. Barbara Di Ventura (vorne links). | Foto: iGEM-Team |
Ein Beispiel, wie ein ringförmiges Protein zu deutlich verbesserten Forschungsergebnissen führt, hat das iGEM-Team bereits praktisch erprobt: In biomedizinischen Laboren wird DNA sehr häufig mit der Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) vervielfältigt, die bei sehr hohen Temperaturen abläuft. Beim Vervielfältigen gehen jedoch die epigenetischen Markierungen der DNA verloren, weil die Methyltransferase, die diese Markierungen kopieren kann, Hitze nicht verträgt. Abhilfe könnte hier eine ringförmige, hitzestabile Methyltransferase schaffen. Damit ließen sich nicht nur die vier Buchstaben des genetischen Codes vervielfältigen sondern auch epigenetische DNA-Markierungen, die für das Ablesen des Codes von großer Bedeutung sind und das An- und Abschalten von ganzen Genen steuern. Die Studierenden gehen davon aus, dass der Ringschluss auch therapeutische Proteine vor dem Abbau in Körperzellen schützen oder Enzyme, die in der Lebensmitteltechnologie verwendet werden, stabilisieren kann.
Der wissenschaftlichen Gemeinschaft stellten die Heidelberger einen universell anwendbaren und standardisierten „Baukasten“ zum Ringschluss von Proteinen zur Verfügung – was dem Team neben dem Hauptpreis auch den Spezialpreis für den besten technologischen Fortschritt einbrachte. Darüber hinaus programmierten die Hochschüler zwei neue Software-Anwendungen. Mit diesen lässt sich die Länge des „Linkers“ exakt berechnen, der benötigt wird, um die beiden Eiweißenden zu verbinden, ohne Struktur und Funktion zu stören. Da die Anwendungen sehr rechenintensiv sind, entwickelten sie zudem die Plattform „iGEM@Home“, welche die Rechenkapazität ungenutzter Computer weltweit für die Datenverarbeitung heranziehen kann. Diese Fortschritte im Bereich der Softwareentwicklung wurden mit einem weiteren Sonderpreis gewürdigt.
Beim International Genetically Engineered Machine (iGEM)-Wettbewerb in Boston suchen studentische Teams weltweit nach Lösungen für oft alltägliche Probleme und nutzen dafür das Potenzial der synthetischen Biologie. Bei der Endausscheidung des zehnten iGEM-Wettbewerbs 2014 setzten sich die Heidelberger in der Kategorie „undergraduate“ gegen ihre Konkurrenten durch und verwiesen selbst renommierte Universitäten wie Harvard, Stanford, MIT und Yale auf die Plätze. Außerdem wurden sie zum Publikumsfavoriten gewählt. Nach dem großen Erfolg des Jahres 2013, in dem zum ersten Mal ein deutsches Team den Wettbewerb für sich entscheiden konnte, gelang es den Heidelbergern nun als erstem Team überhaupt in der iGEM-Geschichte, gleich zweimal in Folge zu gewinnen. Unterstützt wurden sie von der Klaus Tschira Stiftung, der Dietmar Hopp Stiftung, der Helmholtz-Initiative Synthetische Biologie und dem Exzellenzcluster CellNetworks der Universität Heidelberg.