Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Als würde man im Trüben fischen

Von Ute von Figura

Zellmembranen bestehen aus unzähligen verschiedenen Protein- und Lipid-Molekülen, die für eine reibungslose Kommunikation der Zelle mit ihrer Umgebung sorgen. Während die Funktion der einzelnen Proteine recht gut erforscht ist, weiß man bislang nicht, warum es bis zu 300 unterschiedliche Lipid-Spezies in einer Zellmembran gibt. Welche Aufgaben erfüllen die diversen Lipide, deren Aufbau zum Teil nur um einige wenige Kohlenstoffatome variiert? Die Heidelberger Biochemikerin Britta Brügger (Foto: Fink) hat herausgefunden, dass Membranlipide weitaus vielschichtiger wirken als bislang angenommen.

Lipide wurden lange Jahre von der Forschung stiefmütterlich behandelt. Es fehlte schlichtweg an Methoden, um sie näher zu untersuchen. Aus Mangel an Einsicht in die Wirkweise der wasserabweisenden Kohlenstoffketten ging man davon aus, dass Membranlipide lediglich als Strukturgeber dienten: Nebeneinander aufgereiht bilden sie eine Doppellipidschicht, ein „öliges Meer“, das die Zelle von der Außenwelt abgrenzt. Diese Auffassung ist inzwischen überholt. Lipide werden zunehmend als wichtige Modulatoren zellulärer Prozesse erkannt. Wesentlich zu dieser Erkenntnis beigetragen hat Britta Brügger.

Im Herbst vergangenen Jahres nahm die Biochemikerin den Ruf auf eine Professur am Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg (BZH) an. Bereits seit 14 Jahren forscht sie hier an den Wirkmechanismen der schwer zugänglichen Lipide – eine Arbeit, die sie nach wie vor fesselt. Um die experimentelle Erforschung von Membranlipiden überhaupt möglich zu machen, entwickelte Britta Brügger Ende der 1990er-Jahre eine massenspektrometrische Analysemethode, mit der sich die verschiedenen Lipid-Spezies in Membranen aufspüren und mengenmäßig bestimmen lassen. Basierend auf dieser Methode baute sie am Exzellenzcluster „CellNetworks“ die Plattform „Lipidomics“ auf, auf der sie mit Kollegen anderer Heidelberger Institute, vielfach aber auch mit international besetzten Forscherteams grundlegende zellbiologische Fragestellungen untersucht.

Vor zwei Jahren dann gelang Britta Brügger mithilfe von Lipidomics ein wissenschaftlicher Durchbruch: Zusammen mit Kollegen vom BZH und der Universität Stockholm wies sie nach, dass Proteine und Lipide in Membranen auf eine hochspezifische Art und Weise interagieren können. Die Forscher zeigten, dass ein bestimmter Lipidbaustein offenbar wie eine Art Schalter die Transportfunktion eines bestimmten Membranproteins moduliert. „Dieser Befund öffnet die Tür zur Analyse neuartiger Steuerungsmechanismen in der Zelle“, erklärt die Biochemikerin: „Unser Ziel ist es nun, weitergehend zu verstehen, wie einzelne Lipid-Spezies mit einzelnen Proteinen wechselwirken und inwiefern dies die Proteinaktivität beeinflusst.“

„Manchmal ist es ganz so, als würde man im Trüben fischen“, beschreibt Britta Brügger ihre Arbeit. Denn noch gibt es keine Methode, mit der sich die Interaktion von Lipiden und Proteinen direkt verfolgen lässt. Einen „Aha-Moment“ bescherten ihr die Kollegen aus Stockholm, indem sie die Interaktion am Computer simulierten und auf diese Weise „sichtbar“ machten. Das Ergebnis ist ein Film von wenigen Sekunden, der zeigt, wie unterschiedlich sich zwei sehr ähnliche Lipidbausteine verhalten, wenn sie versuchen, an einem Protein anzudocken. „Diesen Prozess am Bildschirm zu beobachten, hat mich sehr beeindruckt.“

Die Grundlage für ihr naturwissenschaftliches Interesse wurde bei Britta Brügger in der Schulzeit gelegt. Dass sie sich damals entschied, Biochemie zu studieren, hat sie nie bereut: „Ich habe das große Glück, mich mit dem zu beschäftigen, was mich wirklich fasziniert.“ Obschon die wissenschaftliche Laufbahn einige Opfer fordert, wie die zweifache Mutter eingesteht: „Oft fühlen wir uns am Limit mit zwei Kindern und zwei wissenschaftlichen Karrieren“, räumt sie freimütig ein. Denn ihr Mann Walter Nickel ist ebenfalls Wissenschaftler in Heidelberg. Mitte der 1990er-Jahre lernten sich die beiden an der Universität Göttingen kennen; von 1998 bis 2000, vor ihrem Wechsel nach Heidelberg, gingen sie gemeinsam für einen Forschungsaufenthalt nach New York. Hier saßen sie sich sogar im Labor direkt gegenüber.

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